Frieze London 2023: Noch Rebellion oder schon Mainstream?
Kunstmesse Vor 20 Jahren begann die Kunstmesse Frieze als rebellische Pop-up-Veranstaltung im Londoner Regent’s Park. Ihr Erfolg sagt viel über den Zustand der zeitgenössischen Kunst aus
Der Hingucker auf der Frieze vergangenes Jahr: Anthea Hamilton's „Pumpkins“
Foto: Linda Nylind/Courtesy of Frieze and Linda Nylind
Die Londoner rätselten vor 20 Jahren über ein großes Zelt im Regent’s Park: „Was war das nur?“, so erinnert sich der Galerist Thaddaeus Ropac an die Geburt der Kunstmesse Frieze in London. „Zwei Jahre später wusste jeder Taxifahrer, was los war, und die Frieze begann, die Stadt um diese Jahreszeit zu prägen.“
Galerien aus New York, L. A., Berlin, Paris, Antwerpen, Moskau und Mexico City richteten 2003 ihre Stände unter dem riesigen, von dem Architekten David Adjaye entworfenen Festzelt ein. In den Folgejahren entwickelte sich die Messe von einem Wanderzirkus zu einem Mini-Empire, mit einer Reihe von Nebenausstellungen, Auktionen, Live-Events und Franchises. „Es gibt Bars und Restaurants, die nur in dieser Woche geöffnet
elten vor 20 Jahren über ein großes Zelt im Regent’s Park: „Was war das nur?“, so erinnert sich der Galerist Thaddaeus Ropac an die Geburt der Kunstmesse Frieze in London. „Zwei Jahre später wusste jeder Taxifahrer, was los war, und die Frieze begann, die Stadt um diese Jahreszeit zu prägen.“Galerien aus New York, L. A., Berlin, Paris, Antwerpen, Moskau und Mexico City richteten 2003 ihre Stände unter dem riesigen, von dem Architekten David Adjaye entworfenen Festzelt ein. In den Folgejahren entwickelte sich die Messe von einem Wanderzirkus zu einem Mini-Empire, mit einer Reihe von Nebenausstellungen, Auktionen, Live-Events und Franchises. „Es gibt Bars und Restaurants, die nur in dieser Woche geXX-replace-me-XXX246;ffnet haben“, sagt Ropac. „Aber anders als bei der Messe in Miami, die ein wenig künstlich ist, steht hier weiter die Kunst im Zentrum, viele Künstler*innen arbeiten in der Stadt, stellen dort aus.“Was der „Guardian“ 2003 schriebIns Leben gerufen wurde die Frieze von Matthew Slotover und Amanda Sharp, Gründungsredakteur*innen des gleichnamigen Magazins für zeitgenössische Kunst. Rückblickend räumt Slotover ein, dass es ein gewagtes Unterfangen war. „Wir kannten keine Sammler*innen, obwohl wir die Galeriewelt sehr gut kannten. Als Kritiker*innen gingen wir zu Kunstmessen auf der ganzen Welt, dort sah man, wohin sich die Dinge entwickelten. Die Museen waren damals nur an etablierten Künstler*innen interessiert. Wollte man etwas anderes sehen, musste man zu einzelnen Galerien. In London wurde die Frieze dann bald der Ort dafür. Wir hatten Glück mit dem Timing. Wir hatten den Erfolg der Eröffnung der Tate Modern im Jahr 2000 gesehen und dachten: ‚Okay, jetzt könnte so etwas auch in London funktionieren.‘“Der Kritiker Adrian Searle schrieb über die erste Messe im Guardian, sie sei „lustiger und ernsthafter als jede andere Kunstmesse in Großbritannien, die ich je sah“. Und fügte hinzu: „Es wurde zwar fast ausschließlich in Euro und Dollar an im Ausland ansässige Sammler verkauft, aber es kam auch das Publikum, das bereit war, eine Stunde lang Schlange zu stehen und für eine Eintrittskarte zehn Pfund zu bezahlen.“Nach Damien Hirst, Britpop und mit Labour an der MachtHeutzutage kostet der reguläre Eintritt für Erwachsene über 50 Pfund, aber die zeitgenössische Kunst, über die Slotover 1991, als er und Sharp die Zeitschrift gründeten, schrieb, sie gelte „noch als Insider-Witz“, ist fast schon Mainstream-Unterhaltung. „Rund 80 Prozent der Besucher*innen sind keine Kunstkäufer“, fügt Slotover hinzu, der 2014 zusammen mit Sharp seinen Job bei der Messe aufgab.Neil Wenman, Kreativdirektor der Galerien von Hauser & Wirth, glaubt, dass die Messe auch geschickt auf die Fans der Young British Artists der späten 90er Jahre ausgerichtet war. „Nach dem Erfolg von Damien Hirst und Britpop und mit einer Labour-Regierung, die in die Kultur investierte, herrschte eine Zuversicht, die dazu führte, dass diese Leute Neues machten. In London schlug das Herz der zeitgenössischen Kunst, und die Frieze war ein Ort, an dem man über all das nachdenken konnte, aber auch ein Ort der Rebellion.“John Keanes KritikRopac gefiel die experimentelle Frische der ersten Jahre, und er hat beobachtet, wie sich der Ton der Messe veränderte. Obwohl der Stand seiner Galerie im Jahr 2023 Künstler*innen der ersten Stunde wie Gilbert & George, Sylvie Fleury und Antony Gormley neben einer Installation des jungen Talents Mandy El-Sayegh zeigen wird, sind die Preise heute viel höher.Vor zehn Jahren schon kritisierte der Künstler John Keane, die Messe sei zu einem Tummelplatz für Insider*innen geworden, die eine ungesunde Rolle im Hochjazzen des zeitgenössischen Kunstgeschäfts spielten. „Alle Zeitungen berichten über die gleichen Ausstellungen, und in der Tate und den Galerien Hayward und Whitechapel tauchen die immer gleichen Künstlernamen auf“, klagte er.Wenman ist jedoch der Meinung, dass sich die Messe trotz ihres Wachstums und des vielen Geldes ihren rebellischen Geist bewahrt hat. „Es geht immer noch darum, respektlos zu sein. Es stimmt, dass die Preise jetzt sehr hoch sind, aber es ist auch ein Indikator dafür, dass die Käufer*innen die zeitgenössische Kultur ernst nehmen.“ Für Slotover gehören Geld und Kunstsammeln seit jeher untrennbar zusammen. „Kunst kauft man, wenn man Geld übrig hat“, sagt er. Zur Verteidigung der zeitgenössischen Kunst führt er an, dass sie eine der wenigen kulturellen Arenen ist, in der die Reichen regelmäßig mit aufstrebenden Künstler*innen zusammentreffen und deren Perspektiven kennenlernen können.Zu Slotovers persönlichen Highlights gehört rückblickend übrigens eine Installation von Mike Nelson aus dem Jahr 2005, die nur wenige Hundert Frieze-Besucher*innen tatsächlich fanden. „Es war ein geheimer, dunkler Korridor, der nicht auf dem Messeplan stand und zwischen zwei Ständen versteckt war. Das war etwas Besonderes und half Mike vermutlich, im nächsten Jahr in die engere Wahl für den Turner-Preis zu kommen.“Zu Wenmans Highlights bei Hauser & Wirth gehört ein Bronzezeit-Stand 2017, der von der Historikerin Mary Beard geleitet wurde. „Wir schufen ein fiktives Provinzmuseum mit Exponaten und Kunst von verschiedenen Künstler*innen, neben Dingen, die ich auf eBay gekauft hatte und die in Vitrinen ausgestellt wurden. Es ging darum, die Art und Weise, wie wir Kunst präsentieren, zu hinterfragen.“Beard, so erinnert er sich, liebte es. „Sie führte die Leute herum mit ihrem trockenen Humor. Das hätte ich damals auf keiner anderen Kunstmesse machen können“.
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