Unsere Empfehlungen: Serien für Ferien

Schau an Wenn der Urlaub naht, werden alle zu Viellesern, die sonst zum Chillen Netflix schauen. Wir haben da leise Zweifel und empfehlen anstelle von Büchern diesen Sommer fünf Serien
Ausgabe 29/2023
Bloß aufpassen, dass die Augen nicht noch eckig werden
Bloß aufpassen, dass die Augen nicht noch eckig werden

Illustration: der Freitag

„Bad Sisters“: Kaltbaden an der Forty-Foot-Klippe

Das Vergnügen am Baden auch in nördlicheren Gefilden wird total unterschätzt. Man sieht das in den ersten Szenen von Bad Sisters: Da treffen sich die Schwestern zum Schwimmen an der Forty Foot-Klippe, eine für Irland historische Badestelle am südlichen Ende der Bucht von Dublin. Besagte Szenen haben nicht nur den Ort bekannt gemacht, an dem sich ganzjährig Schwimmer allen Alters treffen, sondern auch die irische Sport-Anorak-Marke Coucon, in deren gefütterte Oversize-Mäntel sich die Schwestern mit nasser Haut und nassen Haaren im Anschluss aufwärmen.

Sie sind eigentlich zu fünft und alle erwachsen, was bedeutet, jede auf ihre Weise auch ein bisschen unglücklich: Eve (Sharon Horgan), die älteste hat ihre Lebensliebe verloren, weil sie keine Kinder kriegen kann; der jüngsten, Becka (Eve Hewson) fehlt das Geld, um sich selbstständig zu machen; die taffe Bibi (Sarah Greene) muss seit einem Autounfall eine Augenbinde tragen; die dreifache Mutter Ursula (Eva Birthisle) hat sich in einen anderen Mann verliebt. Am schlimmsten aber hat es wohl die zarte Grace (Anne-Marie Duff) getroffen: Sie hat einen wirklich schrecklichen Ehemann, John Paul (als absolutes Ekel von Claes Bang gespielt).

Die Serie beginnt mit seiner Beerdigung und dröselt dann Folge um Folge die Vorgeschichte seines Tods auf. Wie sich herausstellt, wollten ihn die Schwestern alle aus je eigenen Motiven umbringen. Aber welche von ihnen hat es dann geschafft? Der Krimiplot ist voller verblüffender Wendungen und der Humor tiefschwarz. An einer Stelle herrscht Eve die Schwestern an: „Das nächste Mal machen wir's mit Gift – wie normale Frauen!“

Barbara Schweizerhof

Bad Sisters Sharon Horgan, Dave Finkel, Brett Baer Irland 2022, Apple+

„Warten auf’n Bus“: Wer will raus aus Brandenburg?

An der Endhaltestelle eines Busses, nirgendwo in Brandenburg. Da sitzen sie also im Wartehäuschen und reden über ihr ramponiertes Leben. Hannes und Ralle, langzeitarbeitslose Endvierziger, frühinvalide, Wendekinder. – Bierbüchsen ins Gras werfen. Kalendersprüche. Themenwechsel. Die beiden Kumpels hocken da auch, weil sie auf Kathrin warten, die Busfahrerin, „oberste Liga“. Diese Haltestelle war mal Schnittstelle, führte raus aus der Pampa, zur Arbeit, in die Stadt, in den Urlaub.

Aber, denkt man sich dann so, warum den Urlaub nicht einfach zu Hause verbringen. Nicht in die Affenhitze in den Süden. Es kann so schön sein: Langeweile, Nichtstun, sinnloses Kreisen. Und Warten auf’n Bus schauen. Da ist genauso wenig los. Gute Figuren, präzise, komische Dialoge. Solche Typen kennt man, versucht sie zu verstehen. Sie müssen „End-Halte-Stelle“ erst mal durchdeklinieren. Sie sind nicht verloren und man folgt ihnen beim Alltagsphilosophieren in ihrer unaufgeregten Parallelwelt.

Ronald Zehrfeld und Felix Kramer glänzen als Schauspieler, auch Jördis Triebel oder Ursula Werner sind großartig. Comedy vom Feinsten, mit Sekt auf’m Balkon, auf’m Sofa, im Kleingarten! „Trag noch mal den John Maynard vor!“, sagt Hannes. „Nee. Dem Hund gefällt’s nicht.“

Maxi Leinkauf

Eingebetteter Medieninhalt

Warten auf’n Bus Oliver Bukowski, Dirk Kummer, Fabian Möhrke Deutschland 2020/21, ARD-Mediathek

„The Makanai. Cooking for the Maiko House“: In England der Fritteuse trotzen

Man hatte es sich so schön vorgestellt: zehn Tage mit der besten Freundin in Großbritannien. Eine Woche Landschaft angucken: Kreidefelsen, Highlands und all die Film- und Serienschlösser, um sich wie Elizabeth Bennet zu fühlen. Zum Abschluss noch die obligatorischen Tage in London für ein wenig Kunst, Mode und Musik.

Es könnte alles so schön sein, käme einem nicht die englische Küche dazwischen. Beim Frühstück fängt es an: Baked Beans, Speck, verbrannte Würstchen, in Fett triefende Eier und … ist das Brot? Zum Mittagessen dann Fish and Chips mit Erbsenpampe. Eine Beschreibung des Abendessens erspare ich Ihnen.

Kein Wunder, dass wir abends mit überforderten Mägen im Bett liegen. Abhilfe schafft Hirokazu Koreedas Serie The Makanai. Cooking for the Maiko House, in der wir Kiyo, die mit ihrer besten Freundin vom Land in die Kaiserstadt Kyōto gezogen ist, dabei zusehen, wie sie Tag um Tag ein Haus voller Frauen mit der ganzen Vielfalt der japanischen Küche bekocht. Frittiert wird auch – allerdings nicht nach englischer Art. Jede Mahlzeit hat ihre eigene Bedeutung und persönliche Geschichte. In der Küche wächst so eine Wahl-Familie zusammen. In London geht es für uns anschließend nur noch in japanische Restaurants. Bye, bye Fritteuse.

Alina Saha

Eingebetteter Medieninhalt

The Makanai. Cooking for the Maiko House Aiko Koyama, Hirokazu Koreeda Japan 2023, Netflix

„Ted Lasso“: All-inclusive-Urlaub mit dem Teenager

Vor dem Urlaub verkünden Erwachsene oft supertheatralisch, diesen endlich mal wieder als Erholung von den Medien zu nutzen, was beim Jugendlichen, der mitsoll, selbstverständlich als blöde Bestrafung ankommt. Dann geht der Streit los und man ist noch nicht in den Zug gestiegen.

Besser also „all-inclusive“ buchen, medienmäßig. In den Koffer kommt die Switch mit FIFA 23 drauf. Weil, hier tritt auch der liebenswerteste Verein der Welt an, der Londoner AFC Richmond aus der Serie Ted Lasso, die sich seit ihrem Start 2020 vom Geheimtipp zum Sensationserfolg entwickelte. Mutter und Sohn haben natürlich alle Staffeln gesehen, in denen die Geschichte vom Ab- und Aufstieg des Vereins erzählt wird, von Coach Ted Lasso, gespielt von dessen Erfinder Jason Sudeikis.

Ted Lasso hat keine Ahnung von Taktik, erreicht jedoch mit seinem Taktgefühl alles, was im Leben wirklich wichtig ist. Richmonds Helden sind Männer, die es auch noch gibt: eitel, Sensibelchen, mit Fehlern, Herzen aus Gold, voller Reue, so, so witzig. Sie stehen auf dem Platz, wenn es drauf ankommt, für die gerechte Sache. Die „Vereinsfrauen“ selbstverständlich auch. „Richmond steht metaphorisch für eine Form der Utopie“, sagte Jason Sudeikis in einem Interview. Das schauen wir uns noch mal an.

Katharina Schmitz

Eingebetteter Medieninhalt

Ted Lasso Bill Kawrence, Jason Sudeikis USA 2020 – 23, Apple+

„Szenen einer Ehe“: Schöner wohnen in Schweden

Schwedische Ferienhäuser auf AirBnB sind außen rot und innen sehr weiß, sie haben Panoramafenster, vor denen Ohrensessel stehen oder Boxspringbetten, denen die Abendsonne goldene Flecken aufs gestärkte weiße Leinen tupft. Und für den Fall, dass die Sonne doch mal untergehen sollte, hängen finnische Pendelleuchten aus Birkenholz drin. So zumindest sehen die „angesagten Unterkünfte“ der „Superhosts“ aus. Korrigiert man in den Einstellungen den maximalen Preis pro Nacht auf ein kommodes Maß, entfährt einem schon mal ein konsterniertes: „Jaha“ wie Johan (Erland Josephson) in Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe, als er mit seiner inzwischen Ex-(und-anderweitig-verehelichten-)Frau Marianne (Liv Ullmann) das Ferienhaus betritt, das Freunde ihnen überlassen haben. Den Weg zum Bett, dessentwegen Marianne und Johan hier sind, verstellen ein Fahrrad und Skier, ein rot lackierter Rattansessel macht sich breit, davor baumelt ein Sonnenlampion mit Grinsegesicht.

Vermeintlich perfekte Ferienhäuser sind nicht die einzige Illusion über Skandinavien, die Szenen einer Ehe ausnüchtert. Gleichberechtigung: Jaha.

Alle sechs Folgen der Serie enden mit einer Art „nature relief“: schönen Bildern von der Insel Fårö, die nach einem kurzen Intro des Erzählers kein Mensch stört. Scheint eine Reise wert.

Szenen einer Ehe Ingmar Bergman Schweden 1973, als Serie derzeit nur auf DVD

Christine Käppeler

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