Am Nachmittag hat die beliebteste Website Israels mit einem Sexskandal aufgemacht. Ein Popstar und ein 15-jähriger Fan. Kein Wort über den Iran. Pessimisten würden sagen, der Boulevard hat die Politik besiegt. Optimisten sind wohl eher der Ansicht, es sei höchste Zeit gewesen, dass die Medien aufhören, den „atomaren Holocaust“ herbeizuschreiben.
Als Israeli hat man zwei Möglichkeiten: Entweder gibt man sich ganz der Vorstellung von der potenziellen Katastrophe mit dicken Atompilzwolken und apokalyptischen Bildern hin. Oder man geht unbekümmert davon aus, dass sich alles zum Guten fügen wird. Ist das unverantwortlich und selbstgefällig oder gesunder Rationalismus? Niemand weiß das. Benjamin Netanjahu spricht gern von Deutschland im Jahr 1933. Auch damals habe niemand erkannt, dass wir dem Verderben geweiht waren. Andere reden lieber über die Kuba-Krise von 1962. Wie damals könne die Diplomatie auch heute Leben retten. Ein jeder fährt mit seiner Zeitmaschine an den Moment zurück, der ihm am besten passt. In Wahrheit weiß niemand, ob es sich bei dem Abkommen um einen historischen Erfolg oder um einen historischen Witz handelt. Außer vielleicht der Iran selbst.
Auf dem Tisch im Wohnzimmer stehen fünf Flaschen Bier, daneben liegt ein Joint. Wir, alle um die 30, reden über alles Mögliche. Nur nicht darüber, dass wir in Stücke gerissen werden könnten, wenn irgendein Fundamentalist den roten Knopf drückt. Vielleicht vermeiden wir das Thema aus Angst. Vielleicht erinnert es uns an Netanjahu, unseren eigenen Fundamentalisten. Dann hebt Yoav den Kopf und fragt alle am Tisch: „Du hast eine Stunde, bis die Bombe fällt. Was machst du?“ Die Nachrichten werden zu einem existenziellen Spiel.
Keiner von uns würde eine Bank überfallen, das ist Zeitverschwendung. Einige würden Leute anrufen und sagen: „Es tut mir leid“, „Ich war eigentlich in dich verliebt“ oder „Fuck you“. Tal schlägt eine Sexorgie vor. Seine Frau ist entsetzt. Die atomare Bedrohung sitzt plötzlich mit am Tisch, das ist nicht so angenehm.
Dann ruft noch meine Mutter an und fragt, was ich von dem Abkommen halte. Ich sage sofort, dass ich dafür bin, weil alle anderen dagegen sind. Sie und mein Vater übrigens auch. Nun bin ich noch mehr dafür. Sie will wissen, ob ich das Abkommen ganz gelesen hätte. Vorher könne man sich nämlich keine Meinung bilden. Natürlich, sage ich und weiß, außer Netanjahu hat das keiner gelesen. Und der Mann ist Premierminister. Der hat jemanden, der für ihn liest.
Meine Mutter sagt, sie traue den Iranern nicht. Das sei wie mit meinem Vater, der verspreche auch immer, in Zukunft ordentlicher zu sein. Dann mischt auch mein Vater sich noch ein. „Ich habe nicht gesagt, ich würde keine Unordnung mehr machen. Ich habe gesagt, alle sollten sich bemühen, dass die Dinge da bleiben, wo sie hingehören.“ Wie jeder Eheberater weiß, sind die besten Sitzungen die, in denen beide Seiten davon überzeugt sind, der andere habe eingesehen, dass man selbst recht hat. Solange keiner merkt, dass der andere dasselbe denkt, ist die Therapie erfolgreich. Der Trick besteht darin, eine Formel zu finden, die so vage ist, dass beide Seiten sie so verstehen können, wie es ihnen in den Kram passt. Liest man die Erklärungen von John Kerry und Hassan Rohani, denkt man, deren Eheberater können sehr zufrieden sein.
Ayelet Gundar-Goshen wurde 1982 geboren. Ihr Roman Eine Nacht, Markowitz wurde 2012 in Israel als bestes Debüt des Jahres ausgezeichnet. Sie lebt in Tel Aviv
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.