Wieder hier Früher war es besser, glauben viele. Sie hören die Songs der 80er, Bushido, tragen gern weite Jeans und Stricken ist nicht Retro! Die jüngste Rückkehr im Fußball – von Toni Kroos ins Nationalteam – fiel triumphal aus. Unser Wochenlexikon
Das wohl berühmteste Comeback: Die Auferstehung Jesus Christus
Foto: Carl Simon/United Archives/Universal Images Group/Getty Images
A
wie Abschied
Hello Again! Nicht nur Schlagerikonen nehmen Abschied vom Abschied. Er wäre ohne eine Rückkehr auf die Bühne noch viel depressiver geworden, sagte Howard Carpendale mal in einem Interview. Auch Politiker:innen treten ab – und wieder an. Nach Skandalen werden sie irgendwo geparkt, wie Cem Özdemir, der, als er über Bonusmeilen stolperte, ins Europaparlament kam. Und dann 2008 mit Claudia Roth die Grünen-Spitze übernahm. Oder Gregor Gysi. 2002 musste er als Berliner Wirtschaftssenator gehen, weil auch er so manche Flugmeile privat nutzte. Um drei Jahre später plötzlich mit Oskar Lafontaine als Spitzenkandidat für das Linksbündnis aus PDS und WASG anzutreten. Von Schwarze-Kassen-Spenden-Mafioso Schäuble gar nicht er
oso Schäuble gar nicht erst zu reden. Die Rückkehr aus der Versenkung – in Frankreich gehört es zur „culture générale“. Juppé, Jospin, zuletzt Rachida Dati, die Macron zur Kulturministerin machte, früher war sie Star von Sarkozy, bis zum Fall. Und Howie? Geht gerade wieder auf Tour: „Let’s do it again!“ Maxi Leinkauf Bwie BushidoAcht Jahre ist es her, seit Bushido seinen letzten Live-Auftritt spielte. Jetzt steht der Familienpapa aus Dubai wieder auf der Bühne und rappt über Gangster-Getue. In den 2000ern wird er bekannt. Immer an der Seite des „King of Deutschrap“: Arafat Abou Chaker und die nötige Street Credibility für die Kunstfigur Bushido. Bis es 2018 zur Trennung kommt, samt Streit vor Gericht. Ein neues Image muss her. Also dreht Bushido eine Doku mit RTL. Er und seine Familie werden beim Umzug nach Dubai begleitet. In den Aufnahmen sieht man ihn mit Kindern und Frau, nahbar und verletzlich. Kein Gangster, nirgends. Doch auf der Bühne rappt Bushido nun, als wäre es noch 2005. Nur zwischen den Songs scheint der 45-jährige Familienvater durch, wenn der König für immer (Albumrelease im Mai) seine Kinder auf die Bühne holt. Jerrit SchlosserJwie Jeans, Boot-CutMein Schneider nennt sie „H4-23“. Sie bestehe aus „schwarzem 15 oz Selvage-Denim“ aus Japan, bei dem im Laufe der Zeit ein „intensives Fading“ zu erwarten sei. Ihre atemberaubende Figur beschreibt er so: „Regular fit“ mit einem „Boot-Cut“-Beinabschluss. Erst kürzlich nahm er sie in die kleine Modellpalette seiner Jeans-Manufaktur auf. Denn sie sind wieder angesagt, die Boot-Cut- und Bell-Bottom- Jeans. Ihre Vorfahren waren hart arbeitende Wesen. Überall, wo Sand, Sägespäne oder Salzwasser von oben in die Stiefel dringen konnten, wurden sie von Cowboys, Zimmerleuten und Matrosen übers Schuhwerk gestülpt. Erst die Hipster beendeten das Malocher-Martyrium und trugen sie in der freien Zeit. Der Dichter Wladimir Majakowski wollte sie 1928 der sowjetischen Jugend ausreden. Sie sollte nicht „glockenhosig am Bummelplatz bimmeln“, sondern den Kommunismus aufbauen. Um 1965 erschien sie wieder in der Londoner Carnaby Street. Etwa alle 15 Jahre hat die Schlaghose ein Comeback. Michael SuckowKwie Kassette1963 kam sie auf den Markt, die Kompaktkassette, Musikkassette oder einfach nur MC genannt. Musik auf Magnetband, abgespielt von einem Kassettenrekorder. So viele neue Möglichkeiten! Man konnte Radiosendungen mitschneiden, Mixtapes für den neuen Schwarm auf BASF Chrom-Dioxid-Band aufnehmen und via Walkman sogar unterwegs hören (→ Zeitreise). Die CD gab der MC nur scheinbar den Todesstoß, denn seit ein paar Jahren erlebt sie ihr Comeback: Madonna ließ ihr Madame-X-Album auch auf Tape erscheinen, Mark Ronson und viele andere Bands, Musiker und Musikerinnen folgten ihr: Justin Bieber, Taylor Swift, The Weeknd, Erasure oder auch Lana Del Rey. 2018 verkaufte Kylie Minogue 6.000 MCs ihres Albums Golden. Und auch Leerkassetten werden von neuen Herstellern wieder angeboten, genau wie Kassettenspieler. Marc Peschke Lwie LazarusDas „größte Comeback seit Lazarus“ blieb aus. Beim Finale der Darts-WM 1989 musste sich der mehrfache Champion Eric Bristow seinem Rivalen Jocky Wilson geschlagen geben. Die Redewendung aber wurde, wie viele andere Zitate des legendären britischen Reporters Sid Waddell (1940 – 2012), zum geflügelten Wort, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn es scheint, als könnte eine sichere Niederlage im letzten Moment abgewendet werden. Besonders beliebt ist die biblische Anspielung bei Fußballkommentatoren. Aber die Wundergeschichte eignet sich auch für die Berichterstattung aus Politik und Pop. So bescheinigte der Focus dem Rapper Eminem (→ Bushido) neutestamentliche Auferstehungsqualitäten, während sich die NZZ angesichts eines überraschend guten SPD-Wahlergebnisses 2021 an Jesus’ Totenerweckung erinnert fühlte. Verglichen mit solchen Superlativen wirkt Waddells Hinweis, er habe den Spruch gar nicht erfunden, sondern in einem Pub aufgeschnappt, erfreulich bescheiden. Joachim FeldmannOwie OstrockCity, Karat, Renft, die Pudhys – sie sangen sich in unsere Herzen, selbstbewusst, aufmüpfig, wie wir es nötig hatten in der DDR. Mit dem Ende dieses Staates haben sie sich neu zurechtfinden müssen. Out? Von wegen! Ostrock war schnell wieder in. Alexander Osang hat davon in seinem Roman Comeback von 2016 erzählt. Die Steine, seine fiktive, in der DDR erfolgreiche Rockband, lässt an Silly denken, als die großartige Tamara Danz noch lebte, auch an Pankow mit André Herzberg, zu denen der Autor enge Beziehungen hatte. Vier junge Leute, die nach der Wende hin- und hergerissen sind zwischen Heimat und Welt und in denen sich der Umbruch manifestiert, wie ihn viele erlebt haben (→ Retrotopia). Die Band geht auf Comeback-Tour, da schwingt Melancholie mit und die Frage: Protest und Privileg – wie gehörten sie zusammen? Irmtraud GutschkeRwie RetrotopiaDie Comebacks sind wie die konservativen Backslashs ein Ausdruck dessen, dass die Menschen ihre Hoffnung auf Gestaltung verloren haben. Statt Pläne zu entwerfen, sind sie überfordert und suchen im Blick zurück Orientierung bei Sippe und Geschichte, quasi am Stammesfeuer. So lautete die Kritik in Zygmunt Baumans posthum 2019 bei Suhrkamp erschienenem Buch Retrotopia. Den Glauben an eine bessere Zukunft, so der Soziologe, ersetzt die Hinwendung zur Vergangenheit – beziehungsweise das, was dafür gehalten wird. Das liegt auch den Debatten um Verbote wie zuletzt bei Winnetou oder Otfried Preußlers Werk zugrunde. Auch fällt in der umstandslosen Verteidigung des Altbekannten dann gar nicht auf, dass etwa der Satz „Harry, hol schon mal den Wagen“ nie im Derrick (R.I.P., Fritz Wepper) fiel. Alles soll bleiben, wie es vermeintlich mal war. Deshalb sind so viele Comebacks erfolgreich. Twix heißt wieder Raider, Punica kam erst raus – und nun wieder rein ins Regal. Bands der 90er füllen wieder Hallen, es war einfach „great“ damals. Alles schien leichter. Tobias Prüwer Swie StrickenKlassische Handarbeiten, die ich vor ein paar Jahren noch exklusiv mit einer Leidenschaft verband, der meine Oma abends vorm Fernseher nachging, sind während der Pandemie in den sozialen Medien explodiert. Seitdem wird gestrickt und gehäkelt, was das Zeug hält. Letzten Monat erst ging ein K-Pop-Idol viral, weil sie Bühnenoutfits für ihre Gruppe gehäkelt hat. Genau wie unsere Großmütter und Generationen von Frauen vor ihnen sitzen meine queeren Freundinnen und ich jetzt regelmäßig zusammen, stricken Pullover oder Strümpfe und reihen uns in diese weibliche Tradition ein, die in meiner Jugend noch mit Häme, weil altmodisch und „Frauenzeug“, überzogen wurde. Zumindest etwas moderner ist es aber geworden: Wer genug von Norwegerpullis hat, findet auf Instagram Anleitungen für Pokémon-Plüschtiere. Alina SahaTwie Toni KroosEin Weltmeister feiert sein Comeback. Toni Kroos tritt wieder für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft an. Er ist zurück im Kader und nimmt mit diesem an der baldigen Europameisterschaft im eigenen Land teil. Bei der WM vor zehn Jahren war Mittelfeldspieler Kroos Teil des Siegerteams. 2012 war das verlorene EM-Achtelfinale gegen England sein bis dato letztes Länderspiel. Es rankten sich viele Diskussionen darum, ob man den in Greifswald geborenen Superstar von Real Madrid nach Hause holen sollte. Was den Ausschlag gab, wurde nicht bekannt. „Entscheidend is ja aufm Platz!“, kommentierte der DFB auf Social Media. Immerhin liefen die zwei Testspiele im März gegen Top-Teams großartig und Spielgestalter Kroos zeigte sich erleichtert. Überraschend zurück ist auch Béla Réthy, nur eine Liga kleiner. Der Ex-ZDF-Kommentator hatte diese Karriere nach der Weltmeisterschaft 2022 ja für beendet erklärt (→ Abschied). Nun wird er für Magenta TV die Matches nicht live kommentieren, aber Höhepunkte der EM-Geschichte neu vertonen und dazu Anekdoten erzählen. Tobias PrüwerZwie ZeitreiseWas ist da los? Boomer-Songs der 80er Jahre trenden auf Spotify und bei TikTok. Die Macherinnen bei den Streamern haben die Pop-Nostalgie (→ Kassette) für sich entdeckt. Allen voran: die Netflix-Serie Stranger Things mit vielen Liedern aus der modischen Augenkrebs-Dekade. Pilotin der Zeitreise ist Kate Bush und ihr 1985 erschienener Hit Running Up That Hill. Er landete 37 Jahre nach seiner Veröffentlichung auf Platz 1 der US-Charts. Auch in der Serie: ein niedliches Cover des Limahl-Krachers The Never Ending Story von 1984 mit krassem Ohrwurmpotenzial. Unwiderstehlich auch: In der letzten Szene des Amazon-Prime-Thrillers Saltburn tanzt Hauptdarsteller Barry Keoghan als Mörder und Erbschleicher zu dem Song Murder On The Dancefloor (2001) von Sophie Ellis-Bextor durch seine frisch erbeuteten Besitztümer. Und zwar nackt. Elke Allenstein
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