Rajoys Medienpoker

Spanien Mit allerhand Manövern versucht der spanische Ministerpräsident die Medien nach rechts zu rücken. Die Methode Druck statt Überzeugungskraft zeigt Wirkung.

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Rajoys Medienpoker

Foto: Pedro Armestre/AFP/Getty Images

Jahrelang hat sich Mariano Rajoy vor der Kamera rar gemacht. Pressekonferenzen fanden via Plasmabildschirm statt, Wortmeldungen waren damit obsolet und Interviews eine Seltenheit. Der Staatschef verkündete seine Stellungnahmen und die Medien mussten sie schlucken. Mit seiner Verweigerungshaltung punktete der oberste Volksvertreter weder bei der Bevölkerung noch bei den Medien. Dennoch hat der spanische Ministerpräsident die mediale Berichterstattung stark beeinflusst, hinter den Kulissen.

Spanisches Fernsehen auf Parteilinie getrimmt

Seit der Machtübernahme hat die Regierungspartei Partido Popular den öffentlich rechtlichen Rundfunk personell runderneuert und auf Parteilinie getrimmt. Viele Redakteure wurden gefeuert, Chefredakteure ausgewechselt und in den Redaktionen Parallelstrukturen mit freien Mitarbeitern geschaffen. Diese zimmern bereitwillig regierungskonforme Reportagen, falls sich die festangestellten Redakteure weigern.

Das Ergebnis flimmert einem täglich auf dem Bildschirm entgegen: Das öffentlich-rechtliche Programm wird immer schaler und verliert Zuschauer. Die private Konkurrenz legt zu. Bei den Abendnachrichten, der traditionellen Domäne der öffentlich-rechtlichen Sender, schalten immer mehr Spanier zu den Privaten um. Offensichtlich fühlen sie sich dort besser informiert.

Nach den Kommunalwahlen gab Rajoy daher auch den privaten Sendern die Schuld an dem schlechten Abschneiden der Volkspartei. Diese hätten die zahlreichen Korruptionsskandale der Regierungspartei PP ungebührlich hochgekocht.

Mit Blick auf die Parlamentswahlen im Herbst plant der Ministerpräsident jetzt die Kehrtwende und eine Medienoffensive. Rajoy will mehr Präsenz zeigen, aber vor allem will er auch besser präsentiert werden in den Medien. Die Saat ist bereits ausgebracht:

El Pais“ spült weich

Bereits im vergangenen Jahr musste der langjährige Chefredakteur der linksliberalen Zeitung „El Pais“ Javier Moreno dem USA-Korrespondenten Antonio Cano weichen.

Dieser pflegt gute Kontakte zur Volkspartei und zum Bankensektor.

Und die Banken Santander, Caixabank und HSBC reden beim krisengeschüttelten Mutterkonzern „Prisa“ mittlerweile ein gewichtiges Wörtchen mit.

Seither ist die international ausgezeichnete Zeitung „El Pais“ nur noch ein Schatten ihrer selbst. Das einstige Flaggschiff kantiger und unabhängiger Berichterstattung ist auf Schmusekurs mit der Regierungspolitik gegangen.

Rajoys rechte Hand Soraya Saenz de Santa Maria habe bei den Verhandlungen zwischen der schuldengeplagten Mediengruppe und den neuen Gesellschaftern vermittelt, so die Zeitung „vozpopuli“.

Chefredakteur-Karussel bei "El Mundo"

Auch bei „El Mundo“ wehte die vergangenen Jahre ein wechselhafter Wind. Anfang 2014 musste der Zeitungsgründer Pedro Ramirez seinen Chefsessel räumen. Er hatte "El Mundo" 1989 als konservativen Gegenpol zur linksliberalen "El Pais" gegründet. "El Mundo" machte sich damals einen Namen mit der schonungslosen Aufdeckung zahlreicher Skandale der sozialistischen Regierung unter Felipe Gonzalez. Ramirez gilt als hervorragender investigativer Journalist, aber mit ungeschminktem Hang nach rechts. Mit dem ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten und Ehrenvorsitzenden der Volkspartei Jose Maria Aznar traf er sich gerne mal zum Padelspielen. „El Mundo“ galt daher lange Zeit als Sprachrohr der Konservativen.

Das hat sich mit der Machtergreifung Rajoys gründlich geändert. Das Verhältnis zwischen Rajoy und Ramirez ist regelrecht gehässig. Als Chefredakteur von „El Mundo“ nahm Ramirez daher auch kein Blatt vor den Mund. Musste er deswegen die Koffer packen?

Berüchtigt ist der Streit zwischen Ramirez und seinem Nachfolger Casimiro Garcia Abadillo um dessen letzte Kolumne. Darin bezeichnete Ramirez den spanischen Ministerpräsidenten als „seelenloses Krustentier“. Der neue Chefredakteur weigerte sich den Artikel zu veröffentlichen und Ramirez erhielt Schreibverbot. Daraufhin twitterte der Gründer von „El Mundo“: „irgendetwas ist geschehen mit der Pressefreiheit, dass ich heute seit 40 Jahren das erste mal für keine Zeitung schreiben darf“.

Abadillo nahm Rajoy zwar nicht mehr aufs Korn, aber die Arbeit der Regierung durchaus kritisch unter die Lupe. Vielleicht zu kritisch?

Nach 15 Monaten an der Spitze des Blattes hat auch Abadillo seinen Hut genommen. Neuer Chef von „El Mundo“ ist der 44 Jahre alte David Jimenez.

Der italienische Mutterkonzern RCS begründete den Generationswechsel in der Redaktionsspitze mit einem neuen Focus auf den digitalen Markt.

Neuer Steuermann bei "La Vanguardia"

Komplettiert wird der Wechsel-Reigen bei den großen spanischen Tageszeitungen durch den Abgang des langjährigen "La Vanguardia" Chefredakteurs Jose Antich Ende 2013. Antich wird nachgesagt durchaus Sympathien für die Unabhängigkeitsbestrebungen des katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas zu hegen. Sein Nachfolger Marius Carol hat eine deutlich moderatere Einstellung.

Druck auf die privaten Fernsehkanäle

Erst dieses Jahr beklagte der Verwaltungsratsvorsitzende Paolo Vasile vom Medienkonzern Mediaset öffentlich die feindselige Haltung der spanischen Regierung gegenüber den privaten Medien.

Im März hatte Mediaset dem Druck der Volkspartei nachgegeben und der bekannte Morgenmoderator Jesus Cintora von „Canal Cuatro“ musste gehen. In seiner regierungskritischen Sendung war unter anderem Pablo Iglesias, der Chef der Protestpartei Podemos, regelmäßiger Talkgast gewesen. Silvio Berlusconi hält ein Drittel der Aktien des italienischen Medienkonzerns Mediaset.

Ein steter Dorn im Auge der Konservativen sind die Fernsehprogramme der Mediengruppe Atresmedia, „la Sexta“ und „Antena tres“. Hier arbeiten viele Redakteure mit Rang und Namen, die ehemals beim spanischen Fernsehen angestellt waren. Die Night Show „El Gran Wyoming“ ist seit Jahren Kult. Täglich zur besten Sendezeit käut Miguel Navarro die zahlreichen Korruptionsskandale der Konservativen wieder und zieht die Regierungspolitik durch den Kakao.

Einseitige Wahlberichterstattung im Staatsfernsehen

Die „La Sexta“ Wahlsendung von Ana Pastor, ebenfalls eine ehemalige TVE-Redakteurin, räumte Mitte Mai mit einer Einschaltquote von 16 Prozent ab. In der ersten Reihe des spanischen Staatsfernsehens TVE herrschte dagegen gähnende Leere. Aus gutem Grund: am Tag nach den Wahlen kritisierte der Medienrat die einseitig gefärbte Berichterstattung des Staatsfernsehens.

Atresmedia“ gehört zur Konzerngruppe „Planeta“, mit Sitz in Barcelona. Die katalanische Firmengruppe hat viele Standbeine, ist wirtschaftlich gut aufgestellt und lässt sich daher nicht so leicht aus der Ruhe bringen. In der Wahlnacht reisten die PP-Vizepräsidentin Saenz de Santa Maria und Industrieminister Jose Soria extra nach Barcelona und baten persönlich um eine, ihrer Ansicht nach, weniger polarisierende Berichterstattung. Ohne Erfolg.

Auch hier hatte Rajoy bereits 2012 einen Deal eingefädelt, um sich „Atresmedia“ gewogen zu machen. Damals weichte er die Statuten der nationalen Wettbewerbskommission auf, damit die Kanäle „Antena 3“ und „la Sexta“ fusionieren können. Dass „Atresmedia“ ihm das nun nicht mit wohlwollender Berichterstattung dankt, wurmt den Regierungschef ungeheuer.

Der Schacher um die Kanäle

Aber Rajoy hat noch einen Trumpf im Ärmel, den er nun ausspielen will. Noch vor den Wahlen im Herbst vergibt die Regierung sechs neue Fernsehlizenzen. Der spanische Ministerpräsident will sich nun höchstpersönlich um die Vergabe kümmern und den „pax audiovisual“, den „audiovisuellen Friedensschluss“ durchsetzen.

Was Rajoy als „Friedensschluss“ bezeichnet ist wohl eher ein Winken mit dem Zaunpfahl, oder schlimmer.

Der Verdacht liege nahe, dass die Lizenzvergabe unter diesen Umständen missbraucht werde um die Berichterstattung bestimmter Mediengruppen zu belohnen oder zu bestrafen, kritisiert der Vorstandsvorsitzende der Mediengruppe „Prisa“ Juan Cebrian.

Kurz gesagt: wer spurt, der bekommt eine Lizenz, wer nicht spurt, der geht leer aus.

Und die Qualität des Programms bleibt, wie schon beim Staatsfernsehen, auf der Strecke.


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