Faschisten an der Urne

Bundestagswahl Für die BRD scheint es kein Problem zu sein, dass offen faschistische Parteien wie die NPD und der „III. Weg“ zur Bundestagswahl 2021 antreten. Das hat System

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Unterstützer*innen der rechtsradikalen Partei „III. Weg“ bei einer Demonstration in Plauen, Mai 2021
Unterstützer*innen der rechtsradikalen Partei „III. Weg“ bei einer Demonstration in Plauen, Mai 2021

Foto: Jens Schlueter/AFP/Getty Images

Zur Bundestagswahl am 26. September 2021 sind 53 Parteien zugelassen. Nach Angaben des Bundeswahlleiters sind das fünf mehr als 2017. Neben bürgerlichen und linken Parteien treten auch offen rechtsradikale Organisationen an. Die Zulassungen von teilweise offen faschistisch auftretenden Parteien schien dem Bundeswahlleiter, anders als bei dem bürokratischen Manöver gegen die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) im vergangenen Monat, keine Probleme zu bereiten. Neben der bereits im Parlament vertretenen Alternative für Deutschland (AfD), die besonders im Osten der Republik einen starken völkisch-nationalistischen Flügel hat, treten weitere faschistoide bis offen neonazistische Parteien an: der „III. Weg“, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und die Querdenker-Partei „Wir2020“.

Die Ende des 20. Jahrhunderts relativ stark aufgetretenen rechtskonservativen „Republikaner“ sowie „Die Rechte“ treten dieses Jahr nicht zur Wahl an. Nichtsdestoweniger lässt der Blick auf die zugelassenen rechtsradikalen Parteien 76 Jahre nach der Niederlage der deutschen faschistischen Diktatur die Frage offen, wie weit Anspruch und Realität zusammentreffen, wenn es um das Postulat geht, man habe aus der deutschen Geschichte gelernt.

Wenngleich die erwähnten Parteien keine Massenorganisationen sind und keine Chance haben, in den Bundestag einzuziehen, darf die Existenz faschistischer Parteien nicht kleingeredet werden. Besonders die NPD, die in den 1990er Jahren eine Öffnung hin zu neofaschistischen Gruppen und Kameradschaften vollzog, stellte vor dem Erstarken der AfD besonders im Osten Abgeordnete für Kommunen und Landtage. Der offen völkisch-nationalistische Charakter der AfD deckt sich dabei fast völlig mit der Ideologie der in den 1960er Jahren gegründeten NPD. Der Unterschied liegt einzig im postulierten Pluralismus am rechten Rand der AfD, die auch marktradikalen und verkappten rechts-bürgerlichen Kräften ein Zuhause geben möchten. Das unter anderem von Björn Höcke verbreitete Narrativ unterscheidet sich allerdings kaum von altfaschistischen Kräften und Stimmen, die zwar nicht offen den deutschen Faschismus glorifizieren, wohl aber seine Elemente und Eigenschaften, die im deutschtümelenden Chauvinismus und Geschichtsrevisionismus kulminieren.

Gänzlich anders als die AfD und NPD tritt der „III. Weg“ auf, der sich selbst als Kaderorganisation versteht und an den sogenannten „linken“ Flügel der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) anknüpft. Unter dem Schlagwort eines „deutschen Sozialismus“ verbreitet die Partei einen streng maskulinistisch-chauvinistischen Duktus, der an sozialrevolutionäre Romantik und teils nationalbolschewistische Tugenden des Faschismus angelehnt ist. Ähnlich wie bei anderen faschistischen Bewegungen wie der „Identitäre Bewegungen“ wird der rassistische Nationalismus unter der Vokabel „Ethnopluralismus“ subsumiert. Der „III. Weg“ steht am äußerst rechten Rand der faschistischen Bewegungen in der BRD und lehnt sowohl den bürgerlichen Parlamentarismus als auch marxistische Ideen ab. Ihr Sozialismus setzt sich aus deutschnationalen und antisemitischen Versatzstücken zusammen, die einen kollektiven Charakter des „deutschen Volkes“ auszeichnen sollen. Während die NSDAP in den 1920er Jahren bis zur Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 mehr oder weniger ein Sammelbecken von erzreaktionären, faschistischen und chauvinistischen Ideen und Ideologien war, ist in der bürgerlichen BRD die faschistische Ideologie in mehrere Kleinstparteien aufgeteilt.

Kumpanei von der CDU bis zu den Grünen

Neben der Existenz von Terrororganisationen wie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und weiteren Zellen sowie rechtsradikalen Netzwerken in den Polizeibehörden stellen faschistische und neonazistische Parteien keine zwingende Gefahr dar. Dennoch spielen sie im bürgerlichen Rahmen ganz bewusste eine Rolle, die das Bekenntnis zur Überwindung jeglicher faschistischer Wurzel ad absurdum führt. Faschistische Parteien, Ideologien und Persönlichkeiten werden vom Inlandsgeheimdienst mehr oder minder gedeckt, sie finden sich auf den Wahlzetteln wieder und die sogenannte „bürgerliche Mitte“ kokettiert in Krisensituation direkter und konkreter mit ihnen. Das ist wenig verwunderlich, war das radikalisierte Kleinbürger*innentum der Weimarer Republik doch ebenfalls Nährboden und Trägerin für das Erstarken der deutschen Faschist*innen der NSDAP.

Die Tolerierung und Etablierung von Parteien wie der des „III. Wegs“ und des rechten Flügels der AfD müssen als Vorboten und Warnung interpretiert werden, dass sich die herrschende Klasse nicht ziert, auf bestimmte Strukturen und Elemente zuzugreifen, um das eigene Interesse und Überleben zu sichern und zu verteidigen. Dass das alle andere als eine Verschwörungstheorie ist, offenbart die Kumpanei mit verschiedenen Regierungsparteien, von der Christlich Demokratischen Union (CDU) bis hin zu den Grünen mit der AfD. Soziale Alternativen und Lösungsvorschläge, wie mit dem Kapitalismus gebrochen werden muss, zwingen die Konservativen und letztlich Bürgerlichen dazu, die Zusammenarbeit mit der schwärzesten Reaktion zu suchen, um besonders die ökonomische Macht beizubehalten. Gegen links wird mit der vollen Härte des bürgerlichen Rechtsstaats vorgegangen, sei es gegen organisierte Kommunist*innen, kurdische Oppositionelle oder weitere linke Kräfte, die für eine bessere und befreite Gesellschaft einstehen.

Die Hürde, gegen radikale Rechte vorzugehen, scheint indes sehr viel höher. Dass es einen gesellschaftlichen Rechtsruck in der BRD gibt, ist alles andere als verwunderlich, wenn der Faschismus nur in Worten verdammt wird. In Taten lässt man ihn in einem gesetzten Rahmen gewähren, der Illusion verhaftet, die Kontrolle darüber zu haben. Ähnlich argumentierten bürgerliche und reaktionäre Kräfte auch Anfang der 1930er Jahren, als man davon ausging, die Kontrolle über Adolf Hitler und die NSDAP zu haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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