Waffen und Sanktionen – darauf konzentriert sich die westliche Hilfe für die Ukraine. Auf dem G7-Gipfel in Japan kündigten die Vereinigten Staaten und die Europäische Union nun weitere Strafmaßnahmen gegen Russland und seine Helfer an. Die geplanten Reglementierungen könnten auch China treffen; der Wirtschaftskrieg weitet sich demnach aus. Das aus Hiroshima übermittelte Bild ist beunruhigend, allerdings nicht vollständig. Denn hinter den Kulissen wurden und werden noch ganz andere Deals geschlossen. Dabei geht es nicht nur um Waffen und Sanktionen, sondern auch um Finanzhilfen, Wiederaufbau und Energie. Die Ukraine versucht, die Länder der G7 und der EU dauerhaft an sich zu binden – und ist dabei erstaunlich erfolgreich.
Besonders stark ha
s stark hat sich Deutschland engagiert. Ausgerechnet das Land, das monatelang wegen seiner Zögerlichkeit gescholten wurde, hat der Ukraine umfassende Zusagen gemacht, die weit über die umstrittene Lieferung von Leopard-Kampfpanzern hinausgehen. Getroffen wurden die Vereinbarungen am Rande des Berlin-Besuchs von Staatschef Wolodymyr Selenskyj Mitte Mai. Bundeskanzler Olaf Scholz hat dabei nicht nur einen weiteren Waffentransfer im Wert von 2,7 Milliarden Euro zugesagt, sondern gleichfalls Versprechen gemacht, die Deutschland noch lange Zeit nach dem Krieg zu massiver Hilfe verpflichten.Dies geht aus der zu Unrecht kaum beachteten „Gemeinsamen Erklärung“ hervor, die der Präsident und der Kanzler am 14. Mai vorgelegt haben. Hier einige Auszüge: Deutschland werde die Ukraine „weiterhin politisch, finanziell, humanitär und militärisch unterstützen, solange es nötig ist“. Das gelte sowohl einzelstaatlich als auch im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit in der EU und der NATO, bei den G7, in den Vereinten Nationen und anderen Formaten. Überdies hat Deutschland insgesamt mehr als elf Milliarden Euro für 2023 und darüber hinaus vorgesehen, um die militärische Alimentierung der Ukraine fortzusetzen. Beide Staaten seien sich einig, heißt es, dass es geboten bleibe, „unseren gemeinschaftlichen Druck auf Russland und auf diejenigen, die seine Kriegsanstrengungen unterstützen, durch weitere Sanktionen aufrechtzuerhalten und zu erhöhen, um Russlands Fähigkeit zu schwächen, seinen illegalen Angriffskrieg fortzuführen“.62.000 statt einer MillionDeutschland erklärt weiter, sich gemeinsam mit internationalen Organisationen an der wirtschaftlichen Erholung und dem Wiederaufbau der Ukraine zu beteiligen. Man wolle die Modernisierung und den Wiederaufbau der ukrainischen Energiewirtschaft durch eine bilaterale Energiepartnerschaft voranbringen.Zusammengenommen hinterlassen die Ankündigungen, Zusagen und Versprechen den Eindruck, als hätten sich zwei Länder ewige Liebe geschworen. Implizit ist vieles zwar schon in den Gipfelbeschlüssen der G7 und der EU enthalten. Doch die bilaterale deutsch-ukrainische Erklärung entfaltet eine andere Bindewirkung. Deutschland legt sich fest, und das für Jahre. Dabei ist die Liebe, bei Lichte betrachtet, ziemlich einseitig. Der Text enthält keine einzige Verpflichtung für Kiew – dafür umso mehr für Berlin. Ähnliche Vereinbarungen hat Selenskyj mit Frankreich und anderen EU-Ländern getroffen. Sie schaffen ein enges Netz bilateraler Beziehungen, dessen Mittelpunkt nicht etwa die EU ist oder die G7, sondern die Ukraine. Es ist, als würde sich die gesamte Welt um Selenskyj und sein geschundenes Land drehen – und als müsse dies auch künftig unvermindert so sein. Eine Debatte dazu findet nicht statt. Ungeachtet dessen werfen die Absprachen Fragen auf. Was heißt eigentlich „solange es nötig ist“ – bis zum Ende des Krieges oder darüber hinaus? Wie viele Waffen will Deutschland noch liefern? Und wie weit sollen die Sanktionen gegen Russland getrieben werden? Wo ist die Grenze, und wer legt sie fest? Scholz gibt darauf ebenso wenig eine Antwort wie die EU oder die G7.Dabei stößt der Westen schon jetzt an seine Grenzen. Längst zugesagte Waffen lassen auf sich warten, die begehrten F-16-Kampfjets werden frühestens im Herbst geliefert. Die dringend benötigte Munition ist Mangelware. Die EU hat in der Person von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Million Artillerie-Granaten versprochen, bisher aber gerade einmal 62.000 verschicken können. Die Sanktionen verfehlen die beabsichtigte Wirkung, der IWF erwartet 2023 ein Wachstum der russischen Ökonomie von 0,7 Prozent, die Inflation liegt mit 2,3 Prozent deutlich niedriger als in den USA und der Eurozone. Das angekündigte elfte Sanktionspaket steckt in Brüssel fest.Das Fazit fällt insofern ernüchternd aus. Deutschland und die EU insgesamt legen sich auf Jahre hinaus fest, können jedoch nicht einmal ihre kurzfristigen Zusagen einhalten. Der Westen handelt in der Ukraine mit ungedeckten Schecks auf die Zukunft. Und er trifft seine Absprachen hinter dem Rücken der Öffentlichkeit und der gewählten Parlamente. Auf Dauer kann das nicht gut gehen.