Wenn die Deutsche Telekom etwas als Weltneuheit präsentiert und ein bisschen wie Apple sein möchte, ziehen sich die Augenbrauen von ganz allein etwas zusammen. Die Telekom spielt bei Weitem nicht in der Geräteerfinderliga, in der sich Apple, Sony und andere seit Jahren bewegen, und etwas Fremdschamverdacht ist bei großen Ankündigungen aus Bonn immer angesagt. Der neueste Streich: Die Telekom will das applose Smartphone etablieren – getrieben von KI.
Könnte – wenn da nicht das wäre, was die Telekom am Montag in Barcelona offiziell vorstellte. In spröder deutscher Produktvorstellungsmentalität wurde das KI-Konzepttelefon in holperndem Englisch präsentiert. Was es sein soll: Die Zukunft des digitalen Hosentaschen-Lebensbegleiters f&
leiters für alle möglichen Situationen. Ausschließlich per Wisch, Buttondrücken, Sprache und vergleichbaren Interaktionen soll es bereits gut steuerbar sein – den Rest macht die Zauberhand der Künstlichen Intelligenz. Statt umständlich selbst in Apps herumzuwühlen und eine Vielzahl an Aktionen selbst ausführen zu müssen, soll das jetzt an den „digitalen Concierge“ ausgelagert werden.Allein die Wortwahl sagt natürlich etwas darüber aus, wen die Telekom sich als Zielgruppe verspricht: Zeit-ist-Geld-Geschäftsleute, die Probleme haben, gute Chefsekretärinnen zu finden – oder sie sich nicht leisten können. Wie ein Zigarre-paffender Wirtschaftswunder-Boss könnte dann auch der mittlere Manager „Buch mir morgen ein Hotel in Berlin-Mitte und die Flugverbindung von Sylt am Mittag dazu!“ rufen, sich gut fühlen – und das Telefon macht ab dann Dinge eigenständig. „Erinner mich an den Geburtstag am 27.10. und schick einen Blumenstrauß für 30 Euro!“ Oder beim Frühstück im Hotel: „Kauf, mjam, Apple, mjam!“ Und schon ist leider das Konto leer, weil man zwar eigentlich irgendetwas von Apple kaufen wollte – aber das KI-Begleiterchen sich sehr sicher war, dass man die Firma übernehmen und entsprechend viele Aktien kaufen wollte. Ein paar Tücken des Alltags warten auch in Zukunft auf den digitalen Chefbestimmer, der das Frollein in KI emuliert.Das Telekom-Smartphone löst kein ProblemZum Glück ist es erst einmal doch nur ein Konzept. Und wie so oft wie bei Innovationen: Irgendwie ist die Idee nicht schlecht – doch welches Problem löst es tatsächlich, und wie gut? Als der Flachbildfernseher auf den Markt kam, sparte er Menschen real Platz in der Wohnung. Als der iPod erschien, war der Walkman tot und ein Standard für den mobilen MP3-Player geschaffen, mit dem auch die Musikindustrie halbwegs happy war. Als das iPhone erschien, ermöglichte es mit seiner Idee des Ganzdisplays das Ende des Minitastaturgefummels. Wo aber ordnet sich ein, was die Telekom nun in Barcelona vorstellte? Welches Problem löst es real?Ganz neu ist die Idee nicht, dass mit digitalen Assistenzsystemen umständliche Klickwege vermieden werden können. Die stumpfeste Idee, der „drück-mich-und-ich-bestelle-das-Produkt-nach“-Button hat sich nicht durchgesetzt. Aber wer ist noch nie in ein Taxi gestiegen, in dem der Fahrer dann an der Spracheingabe für das Fahrtziel scheiterte – um am Ende doch alles von Hand einzutippen?Keine Apps bedeutet keine ZwischenakteureEntsprechende Sprachsteuerung gibt es ja schon längst. Was aber neu ist, ist die Idee, mit den Apps eine Zwischenebene auszuschalten und die KI von vornherein möglichst viel machen zu lassen, ohne Zwischenakteure. Das dürfte vor allem monetäre Gründe haben: Immerhin liegt die Kontrolle darüber, was auf dem Magentaconcierge überhaupt läuft, nur bei denen, die das Produkt entwickeln. Ob das kostenfrei, provisionsbasiert oder einem anderen Geschäftsmodell folgen soll? Darüber verriet die Telekom in Barcelona nichts. Einer der vielen Stolpersteine, die da noch liegen: Zu offen heißt verwundbar oder nicht monetarisierbar, zu geschlossen heißt nutzlos.Und trotzdem darf man mit der Telekom nicht ganz so kritisch sein. So wie Autohersteller, die Konzeptstudien entwickeln, die so nie das Licht der Welt erblicken, hat sie sich etwas getraut. Das ist für den rosa Riesen schon sehr viel. Und tatsächlich gibt es ja auch einen lukrativen Markt für leicht zu bedienende Produkte, die dem Benutzer maximale Hilfestellung leisten.Der allerdings ist für den Mobile World Congress natürlich nicht hip genug: Alles rund um das Thema Wohnen und Teilhabe im Alter und ausdrücklich auch Pflege. Denn gerade Menschen mit körperlichen Einschränkungen könnte so ein Ansatz tatsächlich im Alltag weiterhelfen. Doch darf man fast darauf wetten, dass die Lösungen hier nicht von der Firma kommen, die sich nun an dem Vorhaben versuchte. Und so muss man die Telekom bei aller Detailkritik doch loben: Noch hat sie damit gar nicht viel falsch gemacht.