Ausgewiesener Lobbyismus

Transparenz Endlich ist öffentlich bekannt, welche Interessenvertreter im Bundestag ein- und ausgehen. Doch das reicht nicht. Wir brauchen ein Lobbyregister mit mehr Informationen
Ausgabe 49/2015
Aus dem Schatten: Das Lobbyisten-System im Bundestag muss geändert werden
Aus dem Schatten: Das Lobbyisten-System im Bundestag muss geändert werden

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Urlauber müssen stundenlang anstehen, Lobbyisten dürfen direkt in den Bundestag. Mit einem Hausausweis haben sie freien Zugang zu sämtlichen Abgeordnetenbüros und können sich ungestört für ihre Interessen einsetzen, ganz unauffällig hinter verschlossenen Türen. Der Öffentlichkeit war bislang nicht einmal bekannt, wer überhaupt einen Hausausweis besitzt. Das hat sich nun geändert, allerdings erst durch ein Gerichtsurteil, das der Tagesspiegel erwirkt hat. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich bis zuletzt gegen Transparenz gesträubt – erfolglos. Doch gut ist es damit noch lange nicht. Das System muss grundlegend reformiert werden.

Derzeit können die Fraktionen einfach Hausausweise an Lobbyisten ihrer Wahl vergeben, diese werden dann von der Bundestagsverwaltung ausgestellt. Grüne und Linkspartei haben freiwillig offengelegt, wem sie Zugang verschaffen, die SPD nach öffentlichem Druck ebenfalls. Nur die Union wollte nicht. Der Tagesspiegel verklagte die Parlamentsverwaltung auf Herausgabe der Informationen und bekam Recht. Jetzt hat er die Liste ins Netz gestellt, für alle einsehbar.

Was war so peinlich?

Nun kann man sich fragen, warum CDU und CSU die Herausgabe verweigert haben. War ihnen peinlich, dass sie Waffenlobbyisten ins Haus geholt haben? Waren es die Ausweise für Lobbyagenturen, deren Auftraggeber oft unbekannt sind? Oder die simple Tatsache, dass die Union mehr als doppelt so viele Ausweise vergab wie alle anderen Fraktionen zusammen?

Wichtiger aber ist der Blick in die Zukunft. Mit dem Urteil ist die Sache noch nicht erledigt. Der Tagesspiegel hat die Daten als Presseorgan bekommen, er hätte sie auch geheim halten oder nur teilweise veröffentlichen können. Das Portal abgeordnetenwatch.de klagt ebenfalls und will feststellen lassen, dass jeder Bürger ein Recht auf die Informationen hat. Auch abgeordnetenwatch.de hat schon Recht bekommen, jedoch ging die Bundestagsverwaltung in Berufung – so wollte es die Union. Die Begründung ist fadenscheinig: Angeblich werden die Abgeordneten durch die Veröffentlichung der Daten in der Ausübung ihres freien Mandats eingeschränkt. Das Gerichtsverfahren kann noch Jahre dauern.

Es gibt noch eine bessere Lösung: Eigentlich sollte es den Fraktionen verboten werden, Hausausweise zu vergeben. Es existiert bereits eine Verbändeliste des Bundestags. Wenn sich eine Organisation dort einträgt, bekommt sie einen Ausweis – und ihr Name ist öffentlich. Diese Liste muss zu einem Lobbyregister werden, in das sich auch Firmen, Kanzleien und Lobbyagenturen eintragen können und auch müssen, wenn sie in nennenswertem Umfang Lobbyarbeit betreiben. Im Register müsste ebenfalls der Umfang dokumentiert werden: Wie viele Menschen sind unterwegs? Wie viel Geld steht zur Verfügung? Solch ein verpflichtendes Lobbyregister wäre ein echter Erfolg für die Demokratie.

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