Das Chlorhühnchen zum Symbol für den Protest gegen TTIP zu machen, war vielleicht nicht die beste Entscheidung. Es ist nämlich unwahrscheinlich, dass mit dem Freihandelsabkommen die bestehenden Verbraucherschutzstandards gesenkt werden und der europäische Markt mit US-amerikanischem Billigfleisch überschwemmt wird. Vielmehr wird es durch TTIP schwieriger, künftig erforderliche Regulierungen durchzusetzen. Das liegt nicht nur an den umstrittenen privaten Schiedsgerichten, vor die Konzerne ziehen dürfen, wenn sie ihre Profite in Gefahr sehen. Sondern auch an der sogenannten regulatorischen Kooperation, über die in der Öffentlichkeit leider noch kaum etwas bekannt ist.
Der Begriff klingt gut: Wer ist schon gegen Regulierung? Wer ist schon gegen Kooperation? In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um ein Geschenk an die Konzernlobbyisten. Jetzt wurden erstmals Details zu der EU-Verhandlungsposition bekannt.
Schlimmer als im CETA-Abkommen
Es geht angeblich um ein „Frühwarnsystem“, wie die FAZ schreibt. Kein Gesetz auf europäischer oder nationaler Ebene soll mehr erlassen werden, ohne dass zuvor die US-Behörden und die möglicherweise betroffenen US-Konzerne informiert wurden. Entsprechendes gilt für die Gesetze in den Vereinigten Staaten. Auf beiden Seiten des Ozeans sollen die Regierungen mindestens einmal im Jahr eine Liste mit ihren Plänen zur Regulierung vorlegen. Darin müssen auch die Folgen für den Handel ausdrücklich benannt werden.
Die Handelspartner können dann Beratungen verlangen, wenn sie ein Gesetz in dieser Form nicht mögen. Zwar sollen diese Anhörungen nach dem Willen der EU keine verbindlichen Folgen haben – die USA sehen das wohl anders –, dennoch sind sie höchst problematisch. Erstens verzögert das möglicherweise den Prozess der Regulierung. Und zweitens weiß jeder Lobbyist: Wenn ich effektiv Einfluss nehmen will, sind frühe Informationen Gold wert.
Die noch geheimen EU-Pläne sind nach Angaben des Vereins LobbyControl so ambitioniert wie in keinem anderen Handelsabkommen, auch nicht im CETA-Vertrag mit Kanada. Wenn bald – dank der Mini-Transparenz-Initiative – auf der Webseite der EU-Kommission Genaueres zu diesem Thema zu finden ist, wird sich die TTIP-Kritik hoffentlich weiter verbreitern und nicht nur auf die Schiedsgerichte beschränken. Das wäre ein wichtiger Schritt nach vorn.
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