Das Freihandelsabkommen TTIP hat keinen guten Ruf: Vertreter von EU und USA verhandeln hinter verschlossenen Türen, am Ende drohen vielleicht niedrigere Sozial- und Umweltstandards. Die EU-Kommission will daher das Image aufpolieren und hat eine große Transparenz-Offensive gestartet. In Wirklichkeit passiert gerade das Gegenteil: Der Zugang zu wichtigen Dokumenten über die bislang letzte Verhandlungsrunde wird eingeschränkt.
Die Papiere werden nicht mehr verschickt. Wenn sich Europaabgeordnete oder Minister der einzelnen Staaten informieren wollen, müssen sie nun nach Brüssel fahren, um dort zu bestimmten Uhrzeiten in einem sicheren Lesesaal Einblicke zu erhalten. Damit will die EU-Kommission verhindern, dass geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, wie es in der Vergangenheit schon öfter der Fall war. Die Maßnahme der Kommission verfehlt jedoch nicht nur ihr Ziel, sie beschädigt auch die europäische Demokratie.
Chance für die Zivilgesellschaft
Wer den Inhalt der Geheimpapiere öffentlich machen will, kann die Texte heimlich abschreiben oder nachträglich aus dem Kopf rekonstruieren. Alles kompliziert, aber möglich. Wer hingegen nur aus Interesse einen Blick in die Dokumente werfen will, lässt sich von einer Fahrt nach Brüssel abhalten.
Die Mitgliedsstaaten durften die Dokumente bislang auch an nationale Parlamente weitergeben – solange sie vertraulich blieben. Klar. Wie sollen sich die Abgeordneten eine Meinung zu TTIP bilden, wenn sie gar nicht wissen, was genau verhandelt wird? Aus diesem Grund ist es aber auch richtig, dass wichtige Dokumente den Weg an die Öffentlichkeit finden. Nur so kann sich die Zivilgesellschaft einbringen, nur dann hat eine Protestbewegung eine Chance. Das gehört zur Demokratie.
Geschwächte Verhandlungsposition?
Die EU-Kommission hat jedoch Angst vor dem Unmut der Bevölkerung. Das sagt sie aber nicht. Stattdessen argumentiert sie, die Veröffentlichungen geheimer Dokumente „schwächen unsere Verhandlungsposition und machen es schwieriger, das beste Ergebnis im Interesse Europas (…) zu erzielen“.
Das überzeugt aber nicht. Erstens muss die Kommission ja nicht unbedingt ihre Verhandlungstaktik veröffentlichen, wohl aber sollte sie Berichte und die Originaldokumente aus den Verhandlungen offenlegen. Die sind den USA ohnehin bekannt. Zweitens könnte sie die USA unter Druck setzen, ebenfalls transparenter zu werden. Das schafft Waffengleichheit. Und drittens stellt sich – zumindest für Politiker mit Idealen – die Frage, ob es per se gut ist, wenn europäische Interessen sich gegen die US-amerikanischen durchsetzen.
Friss oder stirb
Dürfen die TTIP-Verhandlungen nicht geheim sein? Wenn in Deutschland Gesetze gemacht werden, stimmen sich die Ministerien auch vorher ab und die Entwürfe sind nicht öffentlich. Das ist aber nicht vergleichbar, weil der Bundestag die Vorlage noch ändern kann. Bei einem internationalen Abkommen gilt: Ja oder Nein. Friss oder stirb. Daher ist es wichtig, dass sich die Parlamente schon vorher äußern können. Andere internationale Vereinbarungen sind zwar auch nicht immer transparent, die berühren aber auch oft nationale Sicherheitsinteressen. Ein öffentlicher TTIP-Vertragsentwurf hingegen gefährdet ganz sicher niemanden.
Für die europäischen Verhandler mag es umständlich sein, wenn die eigene Arbeit von der Öffentlichkeit beobachtet und kritisiert wird. Aber es behauptet auch niemand, dass Demokratie einfach wäre.
Kommentare 11
Du bist ja noch jung mein lieber Felix, mir geht das mittlerweile am Arsch vorbei, ich weiss nicht wie du noch die Contenance bewahren kannst, an deiner Stelle wuerde ich PLATZEN...
Gruss
"Die EU-Kommission beschränkt den Zugang von Abgeordneten zu Dokumenten über die Freihandelsverhandlungen."
Ein Skandal und eine Niederlage für die Demokratie. Ich hoffe, dass eines Tages der Verantwortlichen das TTIP sowas von um die Ohren fliegt....!
Manchmal möchte man wirklich einfach nur noch platzen! Was soll denn diese Geheimniskrämerei, was gibt es zu verbergen?
Weiter so! Damit wird TTIP scheitern! Und zwar zu Recht!Im übrigen: Selbst in den USA ist TTIP umstritten. So verweigerten die Demokraten Obama am 12.5.2015 im Senat die Gefolgschaft! Auch das Repräsentantenhaus hat ihn jüngst zurückgepfiffen (wenn auch mittlerweile zurückgenommen).Argumente, korrekte sowie fehlerhafte Fakten und Meinungen sind hinlänglich ausgetauscht. Stattdessen sollten wir mal den Blick lenken auf den Trend, uns zunehmend das US-System überstülpen zu wollen.Gemäß einer aktuellen Studie der Universität Princeton kann die USA nicht mehr als Demokratie gelten, weil politische Entscheidungen nicht mehr den Wünschen der Bürger, sondern den Interessen einer kleinen Wirtschafts-Elite dienen. Früher nannte man das eine Plutokratie.Wir wollen daher nicht unsere Jahrzehnte lang erkämpften Errungenschaften auf den von TTIP adressierten Gebieten dem Globalisierungs- und Wachstumsfetisch opfern. Wir wollen nicht auf das Niveau der USA zurückfallen.Handelsgerichtshöfe a la Gabriel wären sicherlich ein Weg in die richtige Richtung.
Der Revoluzzer, Rock'nRoller und Singer-Songwriter Sigismund Ruestig hat sich dieser Themen auf YouTube angenommen:
http://youtu.be/_a_hz2Uw34Y
http://youtu.be/-q0gF597WEA
http://youtu.be/TgAi7qkD8qg
http://youtu.be/0zSclA_zqK4
Viel Spaß beim Anhören.
PS: Was die angebliche neue Transparenz anbelangt, hat die zuständige EU-Kommissarin Malmström jüngst folgendes erklärt: Bisher hat die EU nur einige ihrer eigenen Verhandlungsangebote ins Internet gestellt, nicht aber die Angebote der Amerikaner und gemeinsame Texte, die den Stand der Gespräche zusammenfassen. Noch Fragen?
Wenn in Deutschland Gesetzesvorhaben unter Ausschluß der Demokratie beraten und beschlossen werden, vor einer Abstimmung, so ist das nicht demokratisch. Ein Politiker, fern ab jeglicher Kompetenz, hat mal gesagt, wie man nur gegen etwas sein kann, was man nicht kennt. Ein bemerkenswerter Satz, der tatsächliche Blödheit erkennen läßt. In der Realität muß es heißen: „Wie kann man nur für etwas sein, was man nicht kennt?“ Wer, der Tripper nicht kennt, wünscht ihn sich? Das kann man nur als SPD-Politiker unwidersprochen sagen, daß man für etwas stimmt, dessen Konsequenzen man nicht kennt. Das war aber schon bei den, in ihren Grundzügen faschistischen, Hartz4-Gesetzen so, als Beispiel: Verlust der Wohnung für unter 25jährige möglich, Zwangsverrentung mit Verlust von Rentenansprüchen, kaum Hilfe zur Arbeitsaufnahme - nur fordern, keine Förderung, usw. TTIP bringt Regulationsrat, der die demokratischen Rechte den Interessen der Konzerne unterwirft, eine marktkonforme Demokratur, wie sich Frau Merkel das vorstellt.
the fashion of fear creates his monster.
Die Angst ist mein zu Hause. Darin kenne ich mich aus. Und ich habe keine Angst in der Angst, denn hier drin ist es friedlich und schön. Nur von draußen betrachtet sieht es schrecklich aus. Das Monster ist in mir. Meine Angst macht mich zu dem Monster das ich kreiere. Motivationen und Emotionen die mich hierin leiten, in meinem Egoistischen Wahn. Mein Haus der Angst, es ist Eure Bank. Sie gibt mir die Sicherheit beim orientieren, dass alles was ist und uns antreibt, so bleibt wie es ist. Diese Lebensart, im gedanklichen freien Raum der Ignoranz, soll so weiterhin fort bestehen, weil Sie erfolgversprechend für uns ist. Doch woraus besteht der Erfolg? Im kreieren neuer Ängste und die Monster in uns erschaffen werden. Das verleugnen von Ursache und Wirkung ist bei dieser Art zu leben, ein wichtiger Schritt, sonst gäbe es die negativen Rückkopplungseffekte nicht, die uns zwingen, dem Monster eine neue Bekleidung zu geben. Schon meinen wir, dieses Handeln wäre genug um alle Monster zu besänftigen, die es durch unsere Taten gibt. Doch stimmt dies leider nicht und die Opfer die darunter leiden erzählen von einer anderen Sicht. Verändert wird deswegen auch nichts, da wir kein anderes System kennen, als so zu leben, in militärischen orientierten Leitkulturen, als bestehende Tradition in unserem Glauben an diese Ordnung. So brauchen wir Ängste, die uns sagen, halt überdenke dein Handeln, denn so wie du jetzt vorgehst, bringst du dich selber, um deine, für dich bestehende Rechte.
Bei einem internationalen Abkommen gilt: Ja oder Nein. Friss oder stirb.
Dann doch lieber: Nein.
Im weiteren Sinne hierzu auch mein Artikel “Europa, Demokratie, Souveränität und Allgemeinwohl, eine linke Sicht” https://wipokuli.wordpress.com/2015/08/20/europa-demokratie-souveraenitaet-und-allgemeinwohl-eine-linke-sicht/
Andreas Schlüter
Soziologe
Berlin
Danke fuer den Beitrag.
Traurig, dass solche Dinge immer nur durch die "Hintertür" geschehen. Ich würde es einmal als den Niedergang der "ehrlichen Demokratie" bezeichnen... Wobei, die ist ja schon lange nicht mehr vorhanden. Traurig, dass immer noch zu viele Menschen einfach wegschauen.
Eine Verschwörung !
Für Europa sind griechische Rosinen besser, als kalifornische und besser als europäische Politiker.