Marokko klagt gegen die „Süddeutsche Zeitung“

Pegasus-Skandal Während andere Länder bereits an Aufklärung arbeiten, ist aus Berlin nichts zu hören. Das muss sich ändern

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Die marokkanische Botschafterin in Berlin, Zohour Alaoui. Sie soll eine einstweilige Verfügung gegen die „SZ“ wegen „falscher Behauptungen im Zusammenhang mit einem Bericht über den angeblichen Einsatz von Pegasus-Spionagesoftware“ erlassen haben
Die marokkanische Botschafterin in Berlin, Zohour Alaoui. Sie soll eine einstweilige Verfügung gegen die „SZ“ wegen „falscher Behauptungen im Zusammenhang mit einem Bericht über den angeblichen Einsatz von Pegasus-Spionagesoftware“ erlassen haben

Foto: Pool/Getty Images

Der Pegasus-Skandal zieht immer weitere Kreise: drei Wochen nach den Enthüllungen über eine von NSO, einer israelischen Software-Firma, produzierte Überwachungssoftware für Mobiltelefone, hat Marokko nun eine Unterlassungsklage gegen die Süddeutsche Zeitung (SZ) eingereicht. Demnach soll Marokkos Botschafterin in Berlin eine einstweilige Verfügung gegen das Blatt wegen „falscher Behauptungen im Zusammenhang mit einem Bericht über den angeblichen Einsatz von Pegasus-Spionagesoftware“ erlassen haben.

Zusammen mit Amnesty International, Forbidden Stories und 15 weiteren internationalen Medienpartnern hatte die Süddeutsche Zeitung als erste über die Pegasus-Software und deren Ziele – Journalisten, Aktivisten, Geschäftsleute und Politiker aus 34 Ländern – berichtet. Dabei wurde Marokko von der SZ und anderen deutschen Medien als einer der Hauptakteure und Nutzer der Software bezeichnet. Die marokkanische Regierung wies diese Anschuldigungen als „falsch“ und „unbegründet“ zurück.

Die SZ hatte in ihren Berichten mehrmals angedeutet, dass „eine marokkanische Behörde“ die Software dazu verwendet habe, die Mobiltelefone diverser hochrangiger Persönlichkeiten, darunter Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, auszuspionieren. Ob dies tatsächlich der Fall war ist allerdings unklar: Die SZ selbst spricht von Vermutungen und Verdächtigungen, während Rabat in unmissverständlichen Tönen klarstellte, dass es „niemals Computersoftware erworben“ hatte, noch, dass „die marokkanischen Behörden jemals auf solche Handlungen zurückgegriffen“ hätten.

Rasche Aufklärung ist erforderlich

Marokkos heftige Abwehrreaktion angesichts solch schwerer Vorwürfe ist wenig überraschend, zumal die Faktenlage in der Causa Pegasus derzeit noch äußerst dürftig ist. So wurde im Zuge der Recherche eine Liste von 50.000 Telefonnummern ausgewertet, aber es bleibt unklar, ob diese Nummern tatsächlich ausgespäht wurden: Dem NDR und WDR zufolge sei dies „im Einzelfall“ nicht verifizierbar. Sogar der Elysée-Palast ließ verlauten, dass es nicht klar sei, ob Macrons Handy tatsächlich ausspioniert wurde.

Bisher wird von mehreren Hundert oder Tausend aktiven Opfern ausgegangen. Auf den ersten Blick mögen diese Zahlen läppisch klein erscheinen, dennoch darf der Pegasus-Skandal nicht wie einst die Affäre um die Abhöraktion der NSA still und leise in der Versenkung verschwinden.

Glücklicherweise sind die betroffenen Länder bisher nicht untätig geblieben und aktive Schritte werden unternommen, um Licht in die offensichtlich zahlreichen und äußerst undurchsichtigen Machenschaften von NSO und der Nutzung von Pegasus zu bringen. Marokko zum Beispiel kündigte an, eine Untersuchungskommission aus französischen Experten einzusetzen, welche die technischen Seiten der Beschuldigungen überprüfen soll.

Auch Israel hat derweil ein behördenübergreifendes Spezialteam bestehend aus Vertretern des Verteidigungs-, Außen- und Justizministeriums, des Mossad und anderen Behörden mit dem Ziel gebildet, NSOs geschäftliche Aktivitäten zu überprüfen und potentielle diplomatische Krisen abzuwehren.

Totenstille in Berlin

Ein anderes Land ist aber bisher eher durch seine Stille im internationalen Rummel der Enthüllungen aufgefallen: Deutschland. Dies mag daran liegen, dass auch deutsche Behörden möglicherweise Pegasus eingesetzt haben. Bundesinnenminister Horst Seehofer sowie sein Ministerium haben bisher jede Stellungnahme verweigert, und ein Sprecher des Bundesinnenministeriums machte deutlich, dass bezüglich der potenziellen Nutzung der NSO-Software auf deutscher Seite auch in Zukunft keine Auskünfte zu erwarten seien.

Es bleibt abzuwarten, ob die Forderungen des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) nach Aufklärung in dieser Sache Folge geleistet werden wird, denn, so der DJV-Vorsitzende Frank Überall, es wäre fatal, „wenn der oberste Polizeichef und der Geheimdienstkoordinator das Thema auf die leichte Schulter nähmen. Hier geht es um mögliche Verstöße gegen Grundrechte.“

Somit bleibt noch vieles im Dunkeln – und das Fingerzeigen auf einzelne Staaten erweist sich als verfrüht, vor allem solange unklar ist, welche Rolle Deutschland in diesem Skandal noch spielen wird. Neben allen betroffenen Staaten sollte auch Berlin alles daran setzen, die dubiosen Fragen in diesem Skandal schnellstmöglich aufzuklären.

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