Erinnert sich noch jemand an Martin Hinteregger? Fußballer, Österreicher, Verteidiger, kantiger Kerl, spielte in der Bundesliga für Mönchengladbach, Augsburg, Eintracht Frankfurt, war überall ein Hero der Fans, weil er mit ihnen auch mal einen trinken ging. Seine bemerkenswerteste außersportliche Tat vollbrachte er im Dienst des FC Augsburg vor ein paar Jahren. Weil ihn die ständigen Beiträge des Trainers – des in Taktikdetails vernarrten Manuel Baum, der über sich sagte, zur Vorbereitung auf ein Spiel brauche er 100 Stunden – in der Whatsapp-Gruppe der Mannschaft nervten, schaffte „Hinti“ sein Smartphone ab und besorgte sich einen alten Nokia-Knochen. Und hatte seine Ruhe.
Mit Instagram zum Ausrüstervertrag
Manchen Pr
Nokia-Knochen. Und hatte seine Ruhe.Mit Instagram zum AusrüstervertragManchen Protagonisten des Spitzensports täte es gut, das Smartphone öfter mal aus der Hand zu legen. Sicher, für manche ist die Präsenz in den sozialen Medien ein Teil der Aufmerksamkeitsökonomie und eine Chance, ein bisschen berühmter zu werden, als Sportart oder Leistung es eigentlich zuließen – ein schöner Leichtathletik-Körper kann auf Instagram durchaus zu einem Ausrüstervertrag punkten. Doch die meisten Sportler und Athletinnen begeben sich in Gefahr, wenn sie die über die Tatstatur fliegenden Daumen nicht gut unter Kontrolle haben.Manche Verfehlung ist so drastisch, dass sie im Moment des Geschehens schon Klassikerstatus erreicht hat. Man denke nur an die Facebook-Live-Übertragung des Berliner Fußballers Salomon Kalou, kurz bevor die Bundesliga 2020 in der Corona-Krise wieder anfangen durfte zu spielen. Sein Kabinenrundgang zeigte, dass ihm (und einigen anderen im Verein) die Hygienemaßnahmen ziemlich schnurz waren. Kalou spielte dann nicht mehr für Hertha.Nahost-LikesOft muss es gar kein Film oder ausuferndes Statement sein, mit dem man sich ins Abseits stellt. Wer einigermaßen prominent ist, sollte sich dessen bewusst sein, dass nicht nur seine Beiträge, sondern auch die Likes und Favs registriert werden, die er verteilt. Man erlebt es gerade wieder mit Kickern aus muslimischen Kulturen, die im Nahost-Krieg Zeichen setzen. Ob sie jeden Inhalt, den sie teilen, im Detail kennen, sei dahingestellt. Die erste Welle strittiger Likes, die die Vereine in Deutschland vor schwere Entscheidungen stellte, kam zustande, als Länderspielpause war und die Spieler bei ihren Nationalteams weilten. In den Mannschaftskreisen wird man sich entsprechend hochgeschaukelt haben.Für Redaktionen lohnt es sich jedenfalls, auf der Suche nach Skandalgeschichten, die die Hochglanz-Vereine unserer Tage nicht mehr zulassen wollen, die Social-Media-Kanäle der Stars und Sternchen zu verfolgen. Es ist ein wahres Fest der Abgründe: Der Fußballer, der die Impfweltverschwörung wittert, der Eishockeytorwart, der Hillary Clinton mit Adolf Hitler vergleicht, in Deutschland tätige US-Sportler, die Trump huldigen und sich auf ihren Profilbildern in Stars and Stripes hüllen, als wären sie die „Proud Boys“ beim Sturm aufs Kapitol.Gefragt wären wohl die Berater: damit sie die Internetaktivitäten ihrer Klientel in kühle Profihände geben oder zum digitalen Detox raten. Aber den konsequenten Verzicht bekommen halt nur die wenigsten hin. Selbst Martin Hinteregger wurde rückfällig. Auf Instagram wütete er gegen einen Investigativ-Journalisten, der seine Verbindung zu rechten Kreisen offengelegt hatte. Hinteregger spielt nicht mehr, er hat jetzt Zeit fürs Internet. Gefährlich.