Etwas überraschend platzte die Nachricht in die Sondierungen zwischen der CDU und den Grünen in der Bundeshauptstadt: Die Berliner SPD unter Franziska Giffey habe sich für die Christdemokraten als Wunschpartner einer Zweierkoalition entschieden. Einen Tag später folgte auch die Zustimmung der CDU. War die Gretchenfrage dabei schon wieder die Wohnungsfrage, genauer noch: die Vergesellschaftungsfrage? Dafür spricht einiges, wäre es um sie bei einer Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition doch wohl zum machtpolitischen Showdown gekommen. Die SPD aber tat, was sie in so einer Situation häufiger tut: links blinken und rechts abbiegen.
Aus Sondierungskreisen wurde bald bekannt, dass Franziska Giffey den möglichen Koalitionspartnern ein sogenanntes
anntes „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ vorschlagen würde. Das ist ebenso einfach wie genial. Denn der Vorschlag nimmt zur Kenntnis, dass der größte Erfolg der hiesigen Mieterbewegung, der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ nicht einfach rückgängig gemacht werden kann. Zugleich aber versuchen Giffey & Co., sich weiter um seine Umsetzung zu drücken.Wir erinnern uns: 2021 hatte eine Mehrheit von 59 Prozent der Abstimmenden in Berlin der Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zugestimmt. Der rot-grün-rote Senat, der ebenfalls aus der Wahl 2021 hervorgegangen war, versuchte, den Umgang damit an eine Expertenkommission zu delegieren; das aber erbrachte nicht den gewünschten Effekt, denn die Expertinnen und Experten waren sich laut einem Zwischenbericht doch ziemlich einig darin, dass die Vergesellschaftung großer Wohnkonzerne sowohl rechtlich als auch finanziell möglich sei.Wie will die SPD in dieser verlorenen Geschichte wieder Land gewinnen? Opfert Franziska Giffey sogar das Bürgermeisterinnenamt, um den Volksentscheid auf eine Weise zu beerdigen, wie vermutlich nur sie es kann? Die Idee hinter dem „Rahmengesetz“ scheint jedenfalls zu sein, dass damit dem für die Umsetzung zuständigen Bauressort politischer Spielraum geschaffen wird. Giffey erklärte auf einer Pressekonferenz: Es werde keine Enteignungen geben, wohl aber Vergesellschaftungen oder das, was Giffey darunter versteht, nämlich den Ankauf von Wohnungen durch die öffentliche Hand. Das müsse rechtssicher sein, weshalb man nicht, so wie der Volksentscheid es vorsieht, ab einer bestimmten Anzahl von Wohnungen tätig werde, sondern stattdessen jeweils „im Einzelfall prüfen“ will. Im Klartext: Giffey möchte mit den Wohnkonzernen Vonovia, Deutsche Wohnen, Akelius und Co. einzelne Verträge für Ankäufe abschließen.Der Unterschied zu einem Vergesellschaftungsgesetz ist frappierend, denn die Ankäufe beziehungsweise Enteignungen wären ja nur ein erster Schritt. Der zweite wäre die neue Eigentümerstruktur nach dem Vorbild einer Anstalt des öffentlichen Rechts und mit stärkerer Mitbestimmung der Mieterinnen und Mieter. Genau dieser Wechsel der Eigentümerstruktur war der Clou der Kampagne, genau wie die automatische Vergesellschaftung der großen Wohnungsunternehmen, die Tausende von Wohnungen besitzen, offensichtlich einen großen Marktanteil und damit Marktmacht besitzen. Die Idee war, die Mieten für alle durch niedrigere Mieten der vergesellschafteten Wohnungen zu senken.Österreich macht es vorNun ist durch das Rahmengesetz genau dieser transformative Effekt des Mietenmarkts höchstwahrscheinlich verpufft. Die großen Verlierer wären die Vergesellschaftungskampagne und nicht zuletzt die Mieterinnen und Mieter selbst. Denn eine Schwäche – trotz des gewonnenen Volksentscheids – war, dass die Mietenbewegung nicht im Ganzen auf die Umsetzung drängte und zugleich der politische Machthebel fehlte.Demonstrationen vor der SPD-Zentrale reichen leider nicht, um die Konzerninteressen der Großen und ihre Verbindung zur Politik zu kappen. Berlin, die Stadt, die es wirklich nötig hätte, wird auf Jahre hinaus nicht genug Bestand in die öffentliche Hand überführen oder ausreichend Wohnungen bauen, um das Problem zu lösen. Dafür fehlen allein die menschlichen und stofflichen Ressourcen.Und genauso sieht es auch bundesweit aus. Der Ressourcenmangel und die Inflation haben sogar dazu geführt, dass Neubauprojekte gestoppt wurden. Bauministerin Klara Geywitz beharrte zwar auf der Zielzahl von 400.000 Wohnungen pro Jahr, doch wird dies massiv verfehlt. Währenddessen steigen der Mietspiegel und insbesondere die an die Inflation gekoppelten Indexmieten weiter an. Die Grünen schlugen deshalb im Bund jüngst eine Deckelung vor, ganz so, als ob dieser Vorschlag nicht seit Jahren bundesweit auf dem Tisch liegen würde. SPD, Grüne und Linke hatten sie in ihren Wahlprogrammen, und auch die bundesweite Kampagne „Mietenstopp“ warb dafür.Doch obwohl das Wohnen in der Krise immer dramatischer wird, ist das Momentum für einen bundesweiten Mietendeckel nicht gegeben. Anders bei unseren Nachbarn in Österreich: Dort wird derzeit heftig über einen Mietendeckel nach dem Vorschlag der Arbeiterkammer gestritten. Die Kommunistische Partei in Graz unter Elke Kahr macht es einfach: Sie will die Indexierung der Gemeindewohnungen auf zwei Prozent deckeln und damit die Inflation nicht weitergeben. So kann es auch gehen, mit politischer Macht.