Auch wenn Produkte und das Kino immer schon stark verzahnt sind, als Product-Placement oder Produktkino à la The Lego Movie: 2023 wird Filmgeschichte schreiben als das Jahr, in dem Marken die Leinwände überschwemmten. Man denke an Greta Gerwig, die mit Barbie einen Werbefilm für Mattel lieferte, dessen ausgestellter subversiver und feministischer Gestus vielerorts diskutiert wurde. Der Spielzeughersteller hat jedenfalls Deals über 14 weitere Filme abgeschlossen. Oder an Air: Der große Wurf, in dem Ben Affleck erzählt, wie Nike den NBA-Superstar Michael Jordan gegen die Konkurrenz als Werbeträger unter Vertrag nahm. Dass das damals schon millionenschwere Sportunternehmen dabei als Underdog inszeniert wird, passte Nike sicher gut in den Kram. Die Gesch
her gut in den Kram. Die Geschichte um die Vermarktung des Spieleklassikers Tetris vor dem Hintergrund des Kalten Krieges findet sich dank Jon S. Baird im Portfolio von Apple TV+.Da passt Matt Johnsons BlackBerry, der auf der Berlinale in diesem Jahr Weltpremiere feierte, perfekt ins Bild, zugleich ist der Film selbst ein sympathischer Underdog. Die kanadische Independent-Produktion erzählt vom rasanten Aufstieg und Fall des Blackberry, des ersten Smartphones. Es ist die Geschichte eines Produktes, das es nicht mehr gibt. „Wir werden vom Nummer-Eins-Smartphone der Welt zu jenem, das die Leute vor dem iPhone hatten“, heißt es einmal treffend im Film.Gegenüber artverwandten Filmen, wie etwa David Finchers The Social Network über den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, setzt Johnson eigene Akzente. Der kanadische Regisseur inszeniert seinen auf dem Sachbuch Losing the Signal der Journalisten Jacquie McNish und Sean Silcoff basierenden Film als komödiantische Mockumentary eher im leicht mokanten Stil von The Office. Die Kamera von Jared Raab wackelt und zoomt zwischendurch auf die Gesichter der Figuren. In einer Szene, in der ein bissiger Chief Operating Officer (COO) das Technikteam anbrüllt, er werde weitere feuern, bis der Raum nicht mehr voller Kinder sei, die mit ihren kleinen Penissen spielten, fixiert die Wackelkamera die einzige Frau, die verwirrt dreinschaut.Der Film, der 1996 in Waterloo, Kanada einsetzt, appelliert an die Nostalgiezentren der Zuschauer. Das Kinobild knistert wie in jener Zeit, die Brillen von Mike Lazaridis (Jay Baruchel), Chief Executive Officer (CEO) von Research in Motion (RIM), und seines Mitstreiters Douglas Fregin (Matt Johnson) sind groß, bei letzterem steht „Doom“ nach dem gleichnamigen Ego-Shooter-Klassiker auf dem T-Shirt. Und die Modems singen ihren typischen Einwahlsound.„Star Wars“ und „Wall Street“In ihren von alten Röhrenmonitoren und Pizzakartons bevölkerten Geschäftsräumen arbeiten die Freunde mit einem Tüftlerteam an dem Mobilfunkgerät „PocketLink“, wenn sie nicht Filmklassiker wie Jäger des verlorenen Schatzes schauen und dabei jeden Satz mitsprechen oder sich Filmzitate aus Wall Street oder Star Wars um die Ohren hauen. Als USRobotics das verpeilte Start-up aus Kanada bei einem Modem-Deal über den Tisch zieht, holen Lazaridis und Fregin – letzterer ist alles andere als begeistert – den mit allen unternehmerischen Wassern gewaschenen Jim Balsillie (Glenn Howerton) als Co-CEO dazu.Mit Balsillie zieht die kapitalistische Hybris in das Start-up ein. Der dauergeladene Unternehmer arrangiert einen Pitch bei dem Telekommunikationskonzern Bell Atlantic in New York. Lazaridis räumt die Skepsis der Beteiligten aus und verkauft ihnen, was zuvor als weltveränderndes Produkt angepriesen wurde: einen über Nacht zusammengezimmerten Prototyp des Blackberry mit seiner charakteristischen Tastatur und damit das erste Gerät, das Computer und Telefon handlich vereint.Damit beginnt der rasante Aufstieg des Unternehmens, von dem der Film, begleitet von einem knackigen Generation-Y-Soundtrack mit The Strokes, NOFX, Joy Division oder The White Stripes, erzählt. Johnson, der das Drehbuch gemeinsam mit Matthew Miller geschrieben hat, erzählt seinen Film in Spotlights.2003 kämpft man gegen eine feindliche Übernahme und das eigene Netzlimit, 2007 kündigt die Präsentation des ersten iPhone den Untergang des Unternehmens an, das in Hochzeiten als Weltmarktführer rund ein Fünftel der weltweiten Smartphones umsetzte. Es würden keine Minuten mehr verkauft, sondern Daten, sagt jemand von Bell Atlantic, als Lazaridis nicht den gewünschten „iPhone-Killer“ mit großem Touchscreen pitcht, sondern ein neues Blackberry mit Tastatur und Trackpad.BlackBerry erzählt keine Sidestorys seiner Figuren, sondern bleibt vollends in dem Business-Kontext und liefert mit pseudodokumentarischen Aufnahmen, einem treibenden Score und temporeicher Inszenierung ein später auch tragisches Porträt kapitalistischer Mechanismen. Balsillie glaubt, die Welt kaufen zu können, und dreht frei, und die beiden alten Freunde driften auseinander.Mit seinem Film fängt Johnson aus Unternehmensperspektive das Gefühl jenes digitalen Umbruchs ein, der die Welt zu einem Ort permanenter Kommunikation machte. In den Worten des Science-Fiction-Autors Arthur C. Clarke, die dem Film in einer alten Schwarzweiß-Aufnahme vorangestellt sind: „Men will no longer commute, they will communicate.“Placeholder infobox-1Eingebetteter Medieninhalt