Höhere Steuern für weniger Fleisch!

Der Koch Vielerorts wird über eine Steuer auf der Deutschen liebstes Lebensmittel nachgedacht. Unserem Kolumnisten geht das nicht weit genug
Ausgabe 10/2017
Rettet die Schweine!
Rettet die Schweine!

Foto: Ralph Orlowski/Getty Images

Es bahnt sich ein Kulturkampf an. Sogar der Corriere della Sera in Italien macht sich Gedanken, da in einer Nation der unverbesserlichen Fleischesser, wo fast jedes Bundesland eine eigene geschützte Wurst hat – wie Italien seinen Wein –, das Kulturgut auf dem Speiseplan seltener werden soll. Hintergrund? Nur eine kleine Meldung: Das Umweltministerium soll nach dem Willen von SPD-Ministerin Barbara Hendricks Gäste nur noch vegetarisch bewirten. Was sofort Widerspruch des CSU-Agrarministers Christian Schmidt hervorrief. Und natürlich der ganzen deutschen Fleischwirtschaft.

Auf Hendricks sind Fleischlobbyisten ohnehin schlecht zu sprechen. Anfang des Jahres kamen aus ihrem Haus Vorschläge, Fleisch stärker zu besteuern, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. Auf Fleischprodukte sollen 19 Prozent Mehrwertsteuer anfallen, was übersetzt hieße: Fleisch würde nicht mehr als Grundnahrungsmittel gelten.

Die Landwirtschaft ist in Deutschland nun mal nach der Industrie der zweitgrößte Treibhausgas-Verursacher, 70 Prozent ihrer Emissionen stammen aus der Tierhaltung. Experten sagen, bis 2050 müsse der Tierbestand hierzulande halbiert werden, wenn das langfristige Ziel erreicht werden soll: den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Das Wirken aller anderen Schutzmaßnahmen ist mit eingedacht.

Mich wundert, dass die Experten nur eine höhere Mehrwertsteuer vorschlagen. Dass dieser doch sehr maßvolle Vorschlag dann sofort wieder aus dem Klimaschutzplan der Bundesregierung gestrichen worden ist, machte mich baff. Denn selbst wenn wir alle nur noch Strom aus Erneuerbaren beziehen und auf den Straßen keine Benziner mehr unterwegs sind: Es muss immer noch weniger werden mit dem Fleisch.

In der Realität sieht der Trend anders aus: Zwar geht der Konsum leicht zurück, doch Jahr für Jahr verzeichnet die Fleischwirtschaft Rekorde, auch 2016 wieder. Es ist die reine Überproduktion. Die Schlachthöfe haben im vergangenen Jahr so viel Fleisch produziert wie noch nie: 8,25 Millionen Tonnen, das sind über 100 Kilo pro Bundesbürger. Mehr als die Hälfte gehen ins Ausland. Die Zahl der Tiere wächst, während die Zahl der Betriebe zurückgeht.

Lebensmittelsteuern haben gerade wieder Konjunktur, vor allem als Abgabe auf Softgetränke. Mexiko, das Land mit den meisten Übergewichtigen weltweit, hat so eine Steuer schon seit 2014. In den USA wird darüber seit langem debattiert. In Großbritannien ist die Einführung geplant. Für das Fleisch gibt es seit der BSE-Krise Überlegungen dafür. In Italien sollte eine Fleischsteuer eingeführt werden, um die Folgen der Rinderseuche bezahlen zu können. Es ging um die Entschädigung für Bauern, deren Vieh gekeult werden musste. Inzwischen beherrschen Nachhaltigkeit und gesundheitspolitische Erwägungen das Nachdenken.

Dänemark hatte deswegen schon einmal eine Fettsteuer, die nicht nur Fleisch, sondern auch Milchprodukte erfasste. Weil die Dänen allerdings massenhaft zu Butterfahrten nach Deutschland aufbrachen, wurde sie wieder abgeschafft. Trotz der Erfahrung hat der dänische Ethikrat nun eine Klimasteuer auf Rindfleisch vorgeschlagen.

Ich frage mich: Warum nur eine Steuer? Warum ist die Landwirtschaft nicht schon längst in den Handel mit CO2-Zertifikaten eingebunden? Nur ein Land macht das bisher: Neuseeland, das einst ganz Europa mit billigem Lammfleisch überschwemmt hat.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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