Feministinnen contra Clinton

US-Präsidentschaftswahl Ist Hillary Clintons Nominierung für die Präsidentschaftswahl ein Sieg für die amerikanischen Frauen? Wohl kaum, finden immer mehr progressive Feministinnen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Feministinnen contra Clinton

JEWEL SAMAD/AFP/Getty Images

Hillary Clinton scheute am vergangenen Dienstagabend keine Superlative, als sie die letzten Vorwahlen ihrer Partei gewann und somit die Nominierung für die Präsidentschaftswahl so gut wie sicherstellte. Der Sieg sei nicht nur ihr persönlicher Sieg, erzählte sie stolz ihrem Publikum, sondern eine großartige Errungenschaft vieler Generationen von aufopferungsvollen, politischen Frauen – sie erwähnte die Suffragetten, aber hätte auch einige berühmte feministische Clinton-Unterstützerinnen nennen können, wie Gloria Steinem, Kate Harding oder Sady Doyle.

Ist Clintons Erfolg tatsächlich ein historischer Erfolg für den Feminismus, wie sie es selbst gerne darstellt? „Unsinn“, reagierte die Aktivistin und Bestsellerautorin Naomi Klein: „Als Feministin sollte ich mich jetzt freuen. Ich bedauere, dass ich es nicht tue.“ Mit diesem Urteil steht sie längst nicht alleine da. Vor einigen Wochen erschien beim linken Londoner Verlag Verso sogar ein furioser Aufsatzband, False Choices: The Faux Feminism of Hillary Rodman Clinton. Darin werfen Feministinnen jeglicher Couleur – Aktivistinnen, Professorinnen, Schriftstellerinnen – der Kandidatin frauenfeindliche Politik im In- und Ausland vor. Clintons Feminismus sei, so die amerikanische Autorinnen, keine Antwort auf die weltweiten Probleme vieler Frauen. Im Gegenteil.

Feministin der Reichen

Es beeindruckt die allerwenigsten Autorinnen, dass Clinton mittlerweile Abtreibung unterstützt, sich gegen sexuelle Gewalt äußert oder nun endlich auch die Ehe für Alle verteidigt. Feministische Politik dürfe nicht auf diese Themen reduziert werden, so die Autorinnen, wie wichtig Selbstbestimmung in diesen Bereichen auch sei. Feminismus bedürfe auch eines starken Fokus' auf Ungerechtigkeit in der Wirtschafts-, Innen- und Außenpolitik.

Daran gemessen ist die Liste des Fehlverhaltens von Clinton, laut False Choices, ungemein lange und lässt auch viele Fragen über die ehemalige Außenministerin als Feministin aufkommen. Beispielsweise: Darf Clinton sich als Feministin feiern lassen, nachdem sie 6 Jahren im Vorstand des notorisch frauenfeindlichen Unternehmens Wal-Mart saß, in dem diskriminierende und anti-gewerkschaftliche Maßnahmen Gang und Gäbe waren? Kann Clinton sich ohne weiteres als Verteidigerin von Frauenrechten darstellen, nachdem sie als Außenministerin aktiv Sweatshops in Übersee mitorganisieren ließ – wo überproportional viele Frauen und Mädchen schuften – und dort Lohnerhöhungen bekämpfte, wie WikiLeaks im Jahr 2009 aufdeckte? Und nicht zuletzt: Hätte eine Feministin nicht eher Widerstandsarbeit anstelle von Lobby-Arbeit für ihren Mann leisten müssen, als dieser 1996 einen Kahlschlag ohnegleichen im Sozialsystem durchsetzte – wovon besonders schwarze und Latino Haushalte mit alleinerziehenden Müttern betroffen waren? Eine Politik, die Hillary Clinton bis heute als eine unabhängigkeitsförderende, ja eine mitunter feministische Maßnahme für Sozialhilfeempfängerinnen verteidigt.

Die von Hillary vorangetriebene Verarmung unprivilegierter Frauen und Familien steht im schrillen Kontrast zu ihrer eigenen Bereicherung, so die Feministinnen in False Choices. Dank der politischen und finanziellen Unterstützung von Wall Street (besonders Goldman Sachs, Morgan Stanley, JPMorgan Chase) brachten Hillary und Bill in den letzten 2 Jahrzehnten geschätzte eine Milliarde Dollar zusammen. Die Clintons gehören auch durch ihre Reden – 250,000$ pro Stück – zu den reichsten 0.01% der Vereinigten Staaten.

Feminist-in-Chief

Clintons außenpolitische Vergangenheit ist womöglich noch frauenfeindlicher als ihre innenpolitische Politik. Sie stimmte 2003 als Senatorin für den Krieg in Irak und nahm damit das Sterben von hunderttausenden Zivilisten (m/w) in Kauf. Diese Entscheidung kostet Clinton jetzt die Stimmen von vielen jungen Wählerinnen, übrigens, deren politisches Erwachen genau dieser Krieg darstellte. Als Außenministerin unterstützte Clinton 2009 außerdem das Absetzen des demokratisch gewählten Präsidenten in Honduras, Manuel Zelaya. Die gesellschaftliche Instabilität, die darauf folgte, war besonders für Frauen und Minderheiten verheerend: Die Gewalt gegen sexuelle Minderheiten, beispielsweise, stieg sprunghaft an. Von Libyen über Afghanistan nach Saudi Arabien: Clintons frauenfeindliche Außenpolitik zeige sich quer durch die gesamte Welt.

Clinton sei, schreiben die Autorinnen in False Choices, als eine feminist-in-chief zu betrachten, die Frauenrechtsverletzungen gerne als Legitimation militärischer Interventionen oder politischer Coups benutze. Der Politikwissenschaftler Stephen Zunes sieht es genauso. Der Versuch, Frauen und Kinder in Sicherheit zu bomben, sei verheerend, schreibt Zunes: Bombenfeminismus erschwere die Durchsetzung von Frauenrechten erst Recht. Durch ihre Unterstützung von imperialen Kriegen, unterminiere Clinton schlichtweg feministische Bewegungen und verhindere Fortschritt.

Trotz medienwirksamer Unterstützung von Beyoncé und Jennifer Lopez scheiterte Clinton bis heute kläglich daran, die jungen Wählerinnen für sich zu gewinnen. Dass es sich hierbei möglicherweise um eine grundsätzliche, inhaltliche Abweisung handelt, wird von den Clinton-Fans, wie Gloria Steinem, gerne heruntergespielt. Auch wenn es eine bittere Feststellung sein muss, dass die große Mehrheit der jungen Frauen einen 74-jährigen, weißen, heterosexuellen Mann namens Bernie Sanders bevorzugt, wird es die Clinton-Maschinerie am Ende kaum beeindrucken. Denn die realpolitische Konsequenz ist gering: Im entscheidenden nächsten Rennen wartet nämlich Donald Trump, der unter jungen Frauen womöglich noch unbeliebter ist als Hillary Clinton.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Johnny H. Van Hove

Historiker, Brüsseler und Berliner. Autor des Buchs "Congoism: Congo Discourses in the United States from 1800 to the Present."

Johnny H. Van Hove

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden