Vorweg: Eine Überschrift wie „Pointen für den Arsch“ in der letzten Ausgabe mag nicht besonders originell sein, in diesem Fall aber passend zum Gegenstand des Artikels, dem Klagenfurter Fasching als Metapher für den Rechtsruck in Österreich. Ein Requiem auf die Kärntner Zivilgesellschaft. Auf Facebook wurde der Text umgehend zur Verbreitung gesperrt, wegen „vulgärer Ausdrucksweise“. Was ja kein Problem ist. Zur Lektüre eignet sich die kostenpflichtige Printausgabe ohnehin viel besser. Doch dann geschah etwas sehr Bemerkenswertes:
Der Facebook-Einspruch vieler Facebook-User, vermutlich aus Kärnten, allen voran das Internetportal mein-Klagenfurt.at, führte bereits einige Stunden später zur Aufhebung der Sperre. Und binnen einem Tag war der Text auf Facebook hundertfach geteilt und kommentiert. Und das gar nicht einmal bösartig und mit Häme dem Autor gegenüber (wie ich es vor Jahren als Klagenfurter Stadtschreiber erleben musste, nachdem ich das Gästebuch des Jörg-Haider-Museums in einer Literaturzeitschrift rezensiert hatte). Die Mehrzahl der Leserinnen und Leser in Österreich war schlicht entsetzt. Und das nicht nur über die „Fröhlichen Stadtrichter zu Clagenfurth“, deren rassistisches „Blabla“-Programm bereits seit einem Monat lief – mit dem Segen aller im Stadtsenat vertretenen Parteien! Beginnt doch das Programmheft mit den servilen Grußwörtern der Bürgermeisterin und der Stadträte. Noch im vergangenen Jahr mussten Arbeitslose und Moslems als Zielscheibe herhalten; „heuer“ regte sich niemand auf, auch kein Journalist, über die offene Häme gegenüber Flüchtlingskindern.
„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“, heißt es bei Ingeborg Bachmann, die in Klagenfurt geboren wurde. Nur kann es nicht Aufgabe einer Auslandsreportage sein, die dortige Bevölkerung zu unterrichten. Diesen Job übernahm auf Twitter und Facebook der Wiener Kurier mit Verweis auf den Artikel im Freitag. Florian Klenk, Falter-Chefredakteur, teilte ebenso den Text. Danach überschlugen sich die Ereignisse: Klaus Schwerdtner, Generalsekretär der Caritas in Österreich, empörte sich in den sozialen Medien: „Ein unglaublicher Skandal! Das hat nichts mehr mit Spaß oder Fasching zu tun, sondern ist Rassismus pur.“ Wer weiterhin – wie die „Fröhlichen Stadtrichter“ – behaupte, die Caritas würde teure Handys an Flüchtlinge verschenken, werde verklagt. Dem ORF Kärnten war das am Abend eine Meldung wert: „Die Caritas prüft rechtliche Schritte wegen einer Passage bei den Faschingsaufführungen der Klagenfurter ‚Stadtrichter‘.“ Und endlich nahm sich auch die Kleine Zeitung vor Ort des Themas an. Klaus Schönberger, Professor am Institut für Kulturanalyse der Alpe-Adria-Universität Klagenfurt, schrieb am letzten Dienstag in einem Beitrag: die „Scharfrichter des Humors“ munitionierten das Ressentiment gegen die Schwächsten. „Wieso, frage ich die ,Stadtrichter‘, gibt es bei Ihrem ‚Feuerwerk der Pointen‘ keine Rakete, die den rassistischen Glauben an die Caritas-Handys aufs Korn nimmt?“
Im Wiener Standard war am selben Tag zu lesen, dass die „Stadtrichter“ die Kritik nicht verstünden. „Sollten wir übers Ziel hinausgeschossen sein, dann tut uns das leid“, sagte deren Sprecher. Man wehre sich dagegen, ins „rechte Eck“ gestellt zu werden. Die Klagenfurter Bürgermeisterin stehe derweil zu ihren „Stadtrichtern“ und wolle ihnen für ihre Faschingssitzungen künftig die Vergnügungssteuer erlassen. Man wird sehen.
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