Pogrome in Berlin 1923: Ein Überfall auf das Scheunenviertel wird zum Menetekel

Zeitgeschichte Bei antisemitischen Ausschreitungen am 5. November 1923 werden Mitglieder des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten (RjF) beleidigt und geschlagen. Nicht nur ein Mob am Alexanderplatz ist daran beteiligt, auch die Polizei steht nicht abseits
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 44/2023
Münzstraße, 1923: Polizisten bewachen nach Plünderungen einen Schuhladen, dessen Besitzer zum Schutz das Schild „Christliches Geschäft“ angebracht hat
Münzstraße, 1923: Polizisten bewachen nach Plünderungen einen Schuhladen, dessen Besitzer zum Schutz das Schild „Christliches Geschäft“ angebracht hat

Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo / Scherl

Die dreißig Polizeibeamten, die vor Gericht als Zeugen vereidigt waren, aber zur Tatzeit nichts gesehen und gehört haben wollten, jedenfalls keine Schikane an jüdischen Gefangenen, mussten wohl allesamt unter einer „allgemeinen Suggestion“ gestanden haben. So jedenfalls sah es der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Andernfalls seien hier gerade dreißig Meineide geschworen worden …

Im Sommer 1925 verhandelte die 2. Strafkammer des Landgerichts I in Berlin den Berufungsprozess gegen vier der Schutzpolizisten, denen schwere Misshandlungen vorgeworfen wurden. Bei den antisemitischen Ausschreitungen am 5. November 1923 hatten sie festgenommene Mitglieder des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten (RjF) über Stunden geschlagen, getreten und beleidi