Politisch Pragmatisch Alternativlos

House of Cards Wenn am 27. Februar der Streamingdienst Netflix die dritte Staffel seiner hauseigenen Produktion online stellt verkommen Nahrungsaufnahme und Schlaf zu lästigem Beiwerk.

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Als langjähriger Kongressmann hat Frank Underwood dem neuen US-Präsidenten zum Wahlsieg verholfen und sieht nunmehr seiner Nominierung als Außenminister entgegen.

Kurz vor der Siegesfeier wird der Hund eines Nachbarn von einem Auto angefahren. Während sein Bodyguard die Hundebesitzer alarmiert eilt Frank (Francis) (gespielt von Kevin Spacy) zu dem gepeinigten Tier.

Durch das Kameraauge hindurch erklärt er, es gäbe Schmerzen die entweder stark machen oder solche die sinnlos seien. Mit gewinnendem Charme fährt Frank fort, es gäbe nur wenige Personen in dieser Welt, die tatsächlich gewillt seien, das zu tun, was getan werden müsse.

Dann tötet er den Hund. Kurz darauf wird Frank erfahren, dass der Präsident ihn weiterhin im Kongress sieht und nicht im Kabinett …

House of Cards ist die US-Fassung einer britischen TV-Trilogie, nach dem gleichnamigen Polit-Thriller von Michael Dobbs, 1989, und wurde in den 90er Jahren als Mini-Serie produziert und gesendet.

Die britische Serie spiegelt die Gegebenheiten der Nach-Thatcher Area und besticht durch politische Charaktere, wie Sie nur in Großbritannien zu finden sind. Unvergleichlich, wie Ian Richardson, der den Hauptdarsteller, Francis Urquhart, spielt seine Dementis konterkariert: “You might think that; I couldn’t possibly comment,”.

Die amerikanische Serie besteht aus bislang zwei Staffeln mit jeweils dreizehn, 50-minütigen Folgen. Sie bezieht sich auf das heimische (US)Publikum und dessen sorgsam gepflegten Argwohn gegenüber jeglicher Staatsgewalt sowie der politischen Klasse in Washington.

Wie auch die britische Fassung, erzählt House of Cards die Geschichte eines ehrgeizigen Politikers, eines Drahtziehers oder Mehrheiten-Beschaffers, der hinter den Kulissen die Fäden zieht.

Nachdem er bei der Ämtervergabe unberücksichtigt bleibt, beschließt Frank Underwood, zusammen mit seiner Verbündeten und Ehefrau Claire, die, mit seiner Hilfe gewählte Regierung zu Fall zu bringen. Mit schonungsloser Zielstrebigkeit wird Frank den Präsidenten, der ihn missachtet hat, ablösen.

Mit dem Credo ‚ruthless pragmatism‘* bahnt Frank sich in der ersten Staffel seinen Weg vom Kongress zum Kabinett, durch die Reihen der eigenen (demokratischen) Parteimitglieder hindurch.

Schnell und passend, durchaus vergnüglich anzusehen reihen sich die Ereignisse im Ränkespiel der Machtpolitik. Der Zuschauer, der sich manches Mal im echten Leben fragt, wodurch genau die eine oder andere Stimme in einer Abstimmung gewonnen oder verloren wurde nickt ein amüsiertes 'könnte sein'. Er denkt mit, als beobachte er ein Schachspiel. Mancher wird sich befriedigt zurücklehnen oder empört aufheulen, wenn Frank’s Provokation nicht rechtzeitig als solche erkannt wird und der Gegenspieler nach und nach ins Hintertreffen gerät.

Vordergründig geht es erstmal um ‚Bildung‘ und das zähe Ringen mit der Lehrer-Gewerkschaft. Faktisch geht es um die richtige Taktik und Strategie den eigenen Vorteil zu erkennen und wahrzunehmen. Wenn ein Sachverhalt zum Mienenfeld ist es dem herausgeforderten Gegenüber ‚ernst‘ geworden. Er verliert, wenn er seine Entscheidung nicht mehr kontextbezogen trifft, sondern auf Grundlage seiner Betroffenheit. So enden und beginnen Karrieren.

Geo-Politik und Fianzkapitalismus begleiten in der zweiten Staffel, Frank’s Einzug in das Kabinett. Ein Selfmademan Raymond Tusk, Milliardär mit ornithologischem Interesse tritt auf. Typ, der nette zu Erfolg gekommene Mittelstandsunternehmer von nebenan, der zum zeitgemäßen 'global player' avanciert, folgerichtig, ausgerichtet ist an wirtschaftlichem Profit über alle nationalen Grenzen hinweg.

Schwächer ist die Figur des korrupten chinesische Wirtschaftspekulanten geraten, doch auch er ist einer der Side-Kicks bei Franks Plan im letzten Schritt der Revanche, vom Stellvertreter zum Titelinhaber zu mutieren.

Überhaupt die wechselnden Seitenstränge im Plot. Sie sind, das bleibt bei solchen Serien nicht aus, mal gröber mal feiner gezeichnet. Platt und zu oft schon kolportiert ist, wenn ein aus dem Blue Collor Milieu stammender junger Kongressmann, Peter Russo, zwischen Idealismus und Ehrgeiz zerrieben, mittels Alkohol, Drogen und Prostitution (last not least durch Fremdeinwirkung) scheitert.

Der smarte und in seinen Koalitionen schwer durchschaubare Vertreter der Lobbyisten, Remus Danton, Ex-Pressemitarbeiter von Frank, scheint auf einem ganz eigenen Feldzug und zeigt eine mögliche Schwäche erst spät.

Doug Stamper, seit 12 Jahren trockener Alkoholiker (kein Karriere Hindernis dank regelmäßiger AA Sitzungen), rechte Hand und Chefstratege Franks, hat die Entscheidungsgrundlagen seines Chefs zu seinen eigenen gemacht und wird von eigenen Dämonen gejagt.

So etwas wie ein Counterpart zu Frank ist der Charakter von Freddy, zu dem Frank so etwas wie freundschaftliche Gefühle empfindet und der sich ihm bis zuletzt gewachsen zeigt. Vielleicht die einzige aufrechte Figur (im doppelten Sinne des Wortes) in diesem Szenarium.

Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt Frank’s Beziehung zu der ehrgeizigen jungen Praktikantin des Washington Herald, Zoe Barnes. Eine Hand wäscht die andere - im Zusammenspiel mit Underwood wird Barnes Reporterin für die Titelseite. Überhaupt die Presse, Ihre Vertreter kommen in der gesamten Geschichte bislang nicht gut weg. Der (Ex) Chefredakteur Thomas Hammerschmid, die Weiße Haus Reporterin Janine Skorsky, und der Politische Redakteur Lucas Goodwin haben Ihre eigenen Gründe oder Angst oder sind unbedarft, weil beseelt. Jedenfalls lässt bislang nichts darauf schliessen, dass von dieser Branche eine nachhaltige Intervention zu erwarten sei. Auch ein Statement zur sogenannten Vierten Macht im Staat.

Ungeachtet des ständigen Abwehrkampfes, mit der sich Macht und Politik hier auszeichnen gibt es in "House of Cards" auch eine Liebesgeschichte. Wenn man denn so will. Claire, gespielt von Robin Wright, nimmt Frank genau, als das, was er ist, - dieser Mann ist willens fast jedes Verbrechen zu begehen um zu bekommen was er will. Schwankt oder strauchelt er doch einmal ist sie es, die ihn zurückführt zu den Spiralen des Machtkarussells.

Robin Wrights Claire ist eine Politikerfrau, die weder gering geschätzt wird noch aus gebootet scheint, obwohl sie genau betrachtet beides auch ist. Sie steht einer Non-Profit Organisation vor, die sie, realitätsbezogen, straff nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten führt.

Gestylt im New Yorker Understatement Chic pflegt sie ästhetische Präferenzen. Der Charakter zeigt sich mit ihren Zweifeln und ihren Wechseljahren. Die Wiedervorlage ihrer Entscheidung gegen Kinder wird in einigen Folgen up-to-date zu den medizinischen Möglichkeiten, Raum eingeräumt.

Als Claire den Eindruck hat, Frank nähme ihr Tun und Lassen als zu selbstverständlich hin, bekommt sie weder Heulkrämpfe noch Fressattacken, sondern lebt in New York mit einem Fotografen und (ehemaligen) Liebhaber für kurze Zeit ein eigenes Leben.

Während Frank vor Wut schon mal schäumt handelt Claire kalkuliert und kaltblütig. Mit kreativer Effizienz löst sie die Knoten, die Buch und Handlungsstränge für sie bereit halten. Beim gespannten Zusehen drängt sich unausweichlich der Gedanke auf, dass sie von beiden die skrupellosere ist. Frank scheint es ähnlich zu gehen. Wann immer er seine Frau beobachtet ist nicht so klar, ob seine Augen Furcht oder Bewunderung widerspiegeln.

Dennoch, die Ehe der beiden ist eine Verbindung auf Augenhöhe, basierend auf Liebe im weitesten Sinne. Unerklärlich, und manchmal verstörend, aber sie ist da und fasziniert. Überzeugend in Bildern aufgelöst, in dem wiederkehrenden Ritual der geteilten Zigarette am nächtlichen Fenster.

Beide Figuren umgibt die individuelle Einsamkeit. Sie umkreisen einander in einer Mission, die Lichtjahre von einer politischen Utopie entfernt, und ohne Alternativen ist. Claire und Frank beide sind schonungslos in der Liebe und schonungslos in der Arbeit. Alternativlos. Es gibt keinen Freundeskreis, nur Kollegen oder zeitweise Verbündete, die für ihren Unternehmungsgeist notwendig sind.

Die Serie trifft den Geist der Zeit. Weltweit wird der Unterschied zwischen Arm und Reich größer, der Aufstieg des Finanzkapitals und die Macht der Lobbyisten scheint die Handlungsfähigkeit des politischen Systems lahm zu legen. Das individuelle Schicksal vom Bürger eines Gemeinwesens scheint zum Einzelkämpfer und Selbstvermarkter degradiert.

Immer wieder wendet sich der, mit sympathischen Zügen ausgestattete, Frank, alias Kevin Spacy direkt an die Kamera und kommentiert sein Vorgehen oder einen Handlungsstrang. Der Zuschauer wird verleitetet jegliche politische Korrektheit zu vergessen, falls sie vorhanden war. Oder zumindest solange wie er versucht die Dynamik von sozialen Prozessen und ihren Protagonisten nachzuvollziehen.

Ja, die Dinge passieren schnell und in geeigneter Weise in House of Cards. Unwillkürlich produziert das innere Auge Bilder von realen Ereignissen oder Personen, die das eigene politische Bewusstsein ausmachen. Der Zuschauer versucht sich am – selbstredend, ins Leere laufende- Abgleich.

Das Bestechende dieses ‚langen Films‘ (Mit-Produzent Spacy) ist die bislang wohltuende Ambiguität – ganz wie im richtigen Leben. Wir, die Zuschauer, auch unser selbst, bewerten, ob eine Handlung moralisch oder unmoralisch ist, mal in Konsens zu der sozialen Norm, mal dagegen, immer ausgerichtet an den eigenen Prämissen.

Die Macher jedenfalls scheinen dies so zu sehen suggeriert eine Szene im Trailer der kommenden Staffel. Claire: Wir sind Mörder. Frank: Wir sind Überlebende.

*"ruthless paragmatism" ich habe mich bewusst dafür entschieden ruthless mit 'schonungslos' statt mit 'rücksichtslos' zu übersetzen.

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Die US-Serie „House of Cards“ führt durchs Unterholz von Max Webers politischer Theorie und kann für den Gemeinschaftskundeunterricht nur empfohlen werden schrieb Jürgen Trittin vor gut einem Jahr ...

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kmv

kmvotteler | Jedes ausgesprochene Wort erregt den Gegensinn. (Ottilie, Die Wahlverwandtschaften)

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