CIA-Putsch im Iran: In Teheran wird 1953 ein „Regime Change“ inszeniert
Zeitgeschichte Der Reformpremier Mohammad Mossadegh verstaatlicht die einheimische Ölförderung. Aus Sicht der USA und Großbritanniens ein ungeheuerlicher Vorgang, der keineswegs Schule machen durfte, also wird gehandelt
Präsident Dwight Eisenhower, CIA-Direktor Allen Dulles und Außenminister John Foster Dulles ging es bei der „Operation TPAJAX“ vor 70 Jahren um Erdöl, amerikanische Macht in einer sensiblen Region und ein Zurückdrängen der Sowjetunion. Seither bekannt gewordene, ehemals als geheim eingestufte Regierungsdokumente belegen, wie ein „Regime Change“ über die Bühne ging. Doch so richtig zugeben wollen die vermeintlichen Demokratie-Schützer in Washington die Tragweite dieser Geschichte bis heute nicht. Das Schah-Regime war der Anker für die US-Macht im Nahen Osten, gestärkt vom Geheimdienst SAVAK, der auch in der Bundesrepublik Oppositionellen nachstellte.
Der Iran war eine sprudelnde Einkommensquelle für die US-Erd
US-Erdöl- und -Rüstungsindustrie. Der Schah wurde trotz Folter von den westlichen Demokratien hofiert, als modernisierender Herrscher, der seine Nation zu einer „Insel der Stabilität“ gemacht habe, wie der demokratische Präsident Jimmy Carter 1977 lobte. Die Islamische Revolution zwei Jahre später sollte dem US-Projekt Iran ein jähes Ende setzen.Folgendes kann man sich durch den Kopf gehen lassen beim Tanken an einer BP-Zapfsäule: Als die CIA zusammen mit dem britischen Geheimdienst Secret Intelligence Service (SIS) den Putsch gegen den demokratischen iranischen Premierminister Mohammad Mossadegh inszenierte, sollten die Interessen der Anglo-Iranian Oil Company geschützt werden – heute BP (British Petroleum) –, die von der iranischen Regierung 1951 verstaatlicht worden war. In London konnte man den Coup nicht allein stemmen, so wurde Anfang November 1952 der soeben gewählte Präsident Eisenhower um Beistand gebeten. Denn was Mossadegh getan hatte, war aus Sicht westlicher Mächte ungeheuerlich und durfte keinesweg Schule machen. US-Politiker standen den verbündeten Briten bei – auch in der Erwartung, dass die neue nordamerikanische Supermacht im Nahen Osten das Erbe der abgehalfterten Weltmacht Britannien an sich reißen würde.Eine vom historischen Büro der CIA Mitte der 1970er Jahre verfasste Geheimgeschichte über TPAJAX mit dem Titel „The Battle for Iran“, heute auf der Website des Instituts National Security Archive nachzulesen, brachte es auf den Punkt: „Der Militärputsch, der Mossadegh und sein Kabinett der Nationalen Front gestürzt hat, wurde von der CIA gesteuert.“ Die Operation sei auf „höchster Ebene“ von der US-Regierung konzipiert und genehmigt worden. Mossadegh sei zu nationalistisch gewesen, angeblich habe die kommunistische Tudeh-Partei Einfluss gehabt.Staatsstreich im Iran umfassend dokumentiertDank der freigegebenen Geheimpapiere ist wohl kein Staatsstreich vom Handeln der Putschisten her so umfassend dokumentiert wie dieser, der am 19. August 1953 vollendet wurde. Bereits im März sei das US-Außenministerium zu dem Schluss gekommen, dass ein Putsch durch Geheimoperationen („covert operations“) möglich war. Die CIA begann mit der Planung. Es sei nicht im US-Interesse, Mossadegh an der Macht zu haben, so die Begründung. Wesentlich war eine Medienkampagne gegen Mossadegh im Iran (auch mehrere von der CIA lancierte Artikel in bedeutenden US-Zeitungen, besagen die Aufzeichnungen des beim Putsch führenden CIA-Mitarbeiters Donald Wilber). Hinzu kam das Anheuern von Schlägern zum Demonstrieren, das Bestechen von iranischen Politikern, Geistlichen wie Militärs. Zudem wurde Druck auf den zögernden, ins Ausland geflohenen Schah ausgeübt, der mithilfe seiner „dynamischen und kraftvollen Zwillingsschwester, Prinzessin Ashraf Pahlavi“ und des persönlichen Drängens des Leiters der CIA-Abteilung für den Nahen Osten, Kermit Roosevelt, zur Kooperation bewegt werden musste.Donald Wilbers Bericht, aufgedeckt von der New York Times, geht ins Detail: Der von der CIA als neuer Premier ausgesuchte General Fazlollah Zahedi habe seinen Machtanspruch „bei einer geheimen, von der CIA arrangierten Pressekonferenz“ bekannt gemacht, mithilfe einer geheimen CIA-Druckerei. CIA-Agenten hätten Kopien der Erklärung über Zahedis Ernennung verteilt, „mit enormer Auswirkung“ auf die Bevölkerung. „Überwältigende“ und anfangs „spontane“ Pro-Schah-Kundgebungen seien am 19. August mithilfe von Agenten der CIA-Station in Teheran verstärkt worden, so Wilber. Die Streitkräfte hätten sich auf die Seite der Demonstranten gestellt. Der Umsturzplan habe seinen Lauf nehmen können und General Zahedi habe eine Rundfunkansprache gehalten, während das Militär führende Mitarbeiter Mossadeghs festnahm. Mossadeghs Wohnhaus sei verwüstet worden und die Nation am Ende des Tages „in den Händen des neuen Premiers Zahedi“ gewesen. Der Schah habe sich zur Rückkehr entschlossen, „zutiefst bewegt von dem Umstand, dass sein Volk und die Armee sich erhoben haben“.Laut Wilber schickte die CIA Zahedi umgehend fünf Millionen Dollar, um Regierungsmitarbeiter vor Monatsende zu bezahlen. Am 20. August 1953 regte ein CIA-Mitarbeiter an, man solle die Teams in der Kommunikationsabteilung besonders ehren, die beim Umsturz mit Agenten im gesamten Iran in Kontakt gewesen seien. Wenige Tage später trat derselbe Mitarbeiter den Rückzug an. Man riskiere „Sicherheitsprobleme“ bei Auszeichnungen für eine Geheimoperation. Ein CIA-Memo berichtete am 10. September 1953, Zahedi habe mehr als 400 Mitglieder der Tudeh-Partei verhaften, deren Hauptquartier stürmen und Akten beschlagnahmen lassen – die Partei sei nun im Untergrund.Der Weltöffentlichkeit wurde der Putsch bereinigt dargestellt. So berichtete die britische Wochenschau Pathé News, Iraner hätten ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und Mossadeghs Residenz gestürmt. Menschenmassen seien auf die Straße gegangen, um die Rückkehr des Schahs zu verlangen. Mossadegh habe man „von der Macht gefegt“. CIA-Agent Kermit Roosevelt sagte 1979 der Los Angeles Times, der Erfolg dieses Coups habe Außenminister Dulles so beeindruckt, dass er ähnliche Operationen in Ägypten, Indonesien, im Kongo und in Guatemala durchziehen wollte. Er, Roosevelt, habe nicht mitmachen wollen, für ihn sei Schluss gewesen. In Guatemala zwang 1954 ein CIA-gestützter Putsch den demokratisch gewählten Präsidenten Jacobo Árbenz zum Rücktritt.Iran wird zum Lieblingsfeind der USAIm Iran wurde die Verstaatlichung der Ölindustrie umgehend rückgängig gemacht. Sehr bald kursierten Spekulationen über die Verwicklung der CIA in den Putsch. Der Dichter Allen Ginsberg, Vater der Beat-Literatur und bekannt wegen seines wilden Epochengedichts Howl, griff 1960 den Geheimdienst direkt an, ebenso die staatstragenden US-Medien. „Eine Million Editorials gegen Mossadegh, und wer kennt ihn heute noch?“, schrieb Ginsberg. „Ich habe nicht gewusst, dass meine Central Intelligence faschistische Nichtsnutze (noodnicks) im Iran bewaffnet hat.“ 1979 dann sollte die Islamische Revolution den Schah unwiderruflich stürzen.Seitdem ist das Land Lieblingsfeind der USA. Der Iran sei repressiv islamistisch, potenzielle Nuklearmacht, Sponsor von Terrorismus, heißt es. Angeblich weltweit. Die 444-tägige Geiselnahme von US-Botschaftsangehörigen zwischen November 1979 und Ronald Reagans Amtsantritt im Januar 1981 sowie der regierende Ajatollah Ruhollah Khomeini wurden in den USA als nationale Demütigung erlebt. In Teheran brannten US-Flaggen, sah man im Fernsehen. Ein Präsident wie George W. Bush (2001 – 2009) erklärte den Iran zum Teil der „Achse des Bösen“, und Donald Trumps Sicherheitsberater John Bolton grüßte die iranische Regierung 2019 zum 40. Jahrestag der Islamischen Revolution mit den Worten: „Ich denke nicht, dass Sie noch viele Jahrestage genießen werden.“Für den Putsch von 1953, mit dem ein demokratischer Prozess zerschlagen wurde, wollte in Washington nie jemand so richtig Verantwortung übernehmen. Außenministerin Madeleine Albright wich bei einer Pressekonferenz 2000 der Frage aus, ob sich die USA bei den Iranern entschuldigen sollten. Die Regierung Eisenhower sei überzeugt gewesen, dass ihr Vorgehen aus „strategischen Gründen“ rechtens gewesen sei, sagte sie. Am weitesten wagte sich Barack Obama vor, bei seiner gefeierten Kairoer Islam-Rede im Juni 2009. Es gebe eine turbulente Geschichte zwischen den USA und dem Iran. Im Kalten Krieg hätten „die Vereinigten Staaten eine Rolle gespielt beim Sturz einer demokratisch gewählten iranischen Regierung“. Man dürfe aber nicht in der Vergangenheit stecken bleiben.Allen Ginsberg hat Anfang der 1980er Jahre in dem Werk Capitol Air über die langfristigen Putsch-Konsequenzen gesprochen und das Problem mit den Geiseln umgedeutet. „Kermit Roosevelt und seine US-Dollars haben Mossadegh gestürzt, sie wollten sein Öl und bekamen den Dreck des Ajatollah. Sie haben den Schah eingesetzt und seine SAVAK-Polizei trainiert. Der ganze Iran war unsere Geisel, für ein Vierteljahrhundert.“ Nach drei Jahren Gefängnis und einem „Hausarrest bis zum Tod“ verstarb Mossadegh 1967 im Alter von 84 Jahren. Wer heute vom Ausland in Washington einfliegt, landet in dem nach Außenminister Dulles benannten Flughafen.