Die Teamster-Gewerkschaft hat UPS einen erstaunlichen Tarifvertrag abgerungen

USA Es gibt einen kaum erwarteten Gehaltszuwachs für die UPS-Paketzusteller in den USA. Ausgehandelt ist ebenso, dass Überstunden reduziert werden und neue Lieferfahrzeuge Klimaanlagen bekommen
Ausgabe 35/2023
Der Streik bei UPS hat sich gelohnt
Der Streik bei UPS hat sich gelohnt

Foto: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Das Polizeifoto vom finsteren Donald liefert noch immer Stoff für Eilnachrichten und Sondersendungen. Trump dominiert die Aufmerksamkeit, obschon anderswo in den USA gleichsam Spektakuläres stattfindet: Die Dienstleister der Gesellschaft haben diesen Sommer so richtig gepunktet. Der neue Tarifvertrag des Lieferdienstes United Parcel Service (UPS) mit der Transportarbeiter-Gewerkschaft hatte medial keine Chancen gegen Trumps Wagenkolonne zum Gefängnis. Dabei verdient der Vertrag das Adjektiv „außerordentlich“. Ob „wegweisend“ zutrifft, wird sich zeigen.

Deutlich steigende Jahreslöhne seien zu erwarten, hieß es, nachdem die 340.000 bei UPS arbeitenden Teamster Ende August mit überwältigender Mehrheit den Vertragsvereinbarungen zugestimmt hatten. UPS rechnete hoch: Vollzeitfahrer, die bestbezahlten Beschäftigten bei UPS, kämen gegen Ende der fünfjährigen Laufzeit bei einem Stundenlohn von 49 Dollar auf mehr als 100.000 Dollar Jahreseinkommen. Das ist gewöhnungsbedürftig für manche Anzugträger, die im Büro Pakete in Empfang nehmen, und für Kreditkartenbesitzer, die ihren Konsumhunger prompt von UPS stillen lassen. Erzwungene Überstunden werden reduziert, neue Lieferfahrzeuge bekommen Klimaanlagen. Die verschwitzten oder regennassen Boten, die Arbeiterinnen und Arbeiter in der braunen UPS-Uniform, nähern sich einem Gehalt, das in der Regel College-Abgänger fordern.

Teamster-Präsident Sean O’Brien spricht von dem „lukrativsten Vertrag, den die Gewerkschaft jemals mit UPS ausgehandelt hat“. Teilzeitbeschäftigte in Lagerhäusern erhalten sofort 2,75 Dollar mehr zum existierenden Stundenlohn von 20 Dollar. Derartige Erfolgsnachrichten bei Arbeitskämpfen sind selten in den USA. Versuche von Baristas, sich nur in einigen der 16.000 Starbucks-Filialen zu organisieren, kommen hingegen mühsam voran. Senator Bernie Sanders hat dem Kaffeekonzern vorgeworfen, eine „illegale und äußerst aggressive gewerkschaftsfeindliche Kampagne“ zu betreiben.

Auch bei Amazon geht es nicht so recht vorwärts. 2022 waren die Mitarbeiter gerade in einem einzigen Versandzentrum gewerkschaftlich organisiert. Der Widerstand des Versandkonzerns, zweitgrößter Arbeitgeber in den USA, ist enorm. Die Plattform Vox.com hat im Juli 2022 ein internes Amazon-Strategiepapier publiziert, in dem es heißt, Amazon müsse Kritiker „neutralisieren“, und „feel good“ (wohltätige) Initiativen betreiben, um Medien und Politiker auf seine Seite zu ziehen. Die Washington Post, ZeitungdesAmazon-Gründers Jeff Bezos, stellt sich auf die Seite der „Fortschrittlichen“ mit dem Slogan, Demokratie sterbe in der Dunkelheit.

Autoindustrie auf der Schwelle zum Arbeitskampf

Der Prozentsatz der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter ist nach Angaben des US-Arbeitsministeriums seit 1983 von 20,1 Prozent auf heute 10,1 Prozent zurückgegangen. Nur sechs Prozent der Beschäftigten in der Wirtschaft und 33 Prozent im öffentlichen Dienst seien erfasst. In den 1950er Jahren war noch gut ein Drittel der Belegschaften in einer Gewerkschaft.

Bei den Demokraten sind Arbeitsbedingungen, Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte keine Anliegen, die zum Aktivismus mobilisieren. Die Partei setzt eher darauf, dass 2024 hoffentlich Wähler aus der gebildeten Mittelschicht den Ausschlag geben, und beklagt sich darüber, dass weiße Amerikaner ohne fortgeschrittene Schulbildung ein offenes Ohr haben für den Mann, der seit Neuestem im Justizsystem von Georgia die Nummer P01135809 trägt.

In der Corona-Pandemie wurde die Arbeit bei UPS schwerer und die Zahl der unfreiwilligen Überstunden größer. Der Gewinn des Unternehmens stieg 2022 auf 11,6 Milliarden Dollar, der Umsatz auf 100,4 Milliarden. „Wir haben UPS gezeigt, dass wir auf einen Streik vorbereitet sind, wenn es sein muss“, begründete Eugene Braswell, Co-Vorsitzender des Verbandes Teamster für eine demokratische Gewerkschaft, den guten Vertragsabschluss. Etwa ein Viertel aller Pakete in den USA wird von UPS ausgeliefert. Teamster-Präsident O’Brien ist überzeugt, dass der Tarifvertrag neue Standards setzt. Firmen wie Amazon, in denen Gewerkschaften nichts zu sagen hätten, müssten sich das zu Herzen nehmen.

Mitte September steht womöglich die Autoindustrie auf der Schwelle zum Arbeitskampf. Die Gehälter der CEOs von Ford, GM und Stellantis seien in den vergangenen vier Jahren um 40 Prozent gestiegen, die 150.000 Arbeiterinnen und Arbeiter müssten nachziehen, so die United Auto Workers (UAW). Zudem hätten die drei Konzerne im ersten Halbjahr 2023 zusammen 21 Milliarden Dollar Gewinn eingefahren. Rekordprofite bedeuten Rekordtarifverträge, ließ UAW-Präsident Shawn Fain wissen. Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood streiken indes weiter.

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