USA: Ist die Chaos-Strategie der Republikaner erfolgreich, hat das Folgen für die Ukraine
US-Kongress Die Demokraten erwecken den Eindruck, der Kurs der Republikaner in Verbindung mit den Anklagen gegen Donald Trump werde ihnen Rückenwind für die Präsidentenwahl 2024 verschaffen. Sicher ist das nicht. Was das für die Ukraine-Hilfe bedeutet
Alte, weiße Männer sind bei dieser Donald-Trump-Kundgebung in Texas in der Minderheit
Foto: Brandon Bell/Getty Images
Es sieht streckenweise aus wie Chaos, was die Republikaner im Repräsentantenhaus veranstalten bei der Abwahl ihres Chefs Kevin McCarthy und bei der Nachfolgersuche. Das Ganze hat aber ein gewisses System. In den USA führen rechte Republikaner auch in der Minderheit vor, wie man Macht ausübt. Donald Trump demonstriert Ähnliches schon seit Längerem. Ob das letztendlich trägt oder ob sich die Partei selbst zerstückelt, wie zum Optimismus neigende Demokraten hoffen, weiß niemand.
Mit Etiketten ist es schwierig beim Blick auf die Zerwürfnisse der Republikaner im Kongress. Rechts sind sie doch fast alle, wie das gegenwärtig verstanden wird im US-Kontext, wenn rechts bedeutet, dass man der Formel „America First“ folgt, Erderwärmung
#228;rmung leugnet, gegen „die Regierung“ ist und für mehr Polizei sowie gern weiß-nationalistisch auftritt mit einem Hauch von Nihilismus trotz aller Bekenntnisse zum Christentum. Anfang des Monats gelang es einer noch rechteren Minderheit, Kevin McCarthy abzusetzen, den Sprecher des Repräsentantenhauses. Dieser hatte sich bei der Abstimmung zur Bewilligung eines Übergangshaushalts auf demokratische Stimmen verlassen und sich damit einer Todsünde schuldig gemacht. Joe Bidens Vorhaben sollten doch lahmgelegt werden.Ex-Verteidigungsminister Robert Gates ist besorgtImmerhin halten republikanisch orientierte US-Amerikaner zu 69 Prozent Biden überhaupt nicht für den legitimen Präsidenten, wie einer CNN-Umfrage vor Kurzem zu entnehmen war. So votierte das US-Repräsentantenhaus mit 216 zu 210 Stimmen für die Abwahl seines Sprechers, mit allen demokratischen und einigen wenigen republikanischen Stimmen. Die Botschaft, rechte Minderheiten können über eine beachtliche Macht verfügen. Dabei kommen die ganz Rechten in der Republikanischen Partei aus der Tradition der „Tea Party“, die in der Regierungszeit von Barack Obama stark wurde. Es ging ihr seinerzeit mehr ums Zerschlagen als Regieren im herkömmlichen Sinne. Manche Kommentare sprechen von Dysfunktionalität und Chaos. Wobei „Chaos“ ein gezieltes Programm sein kann. Das zeigt sich auch bei der Ukraine-Politik. Eine anscheinend wachsende republikanische Minderheit stellt sich quer, ohne Alternativen anzubieten: Kein Geld mehr für Selenskyj! Die USA hätten wichtigere Interessen. Diese Zustände machen den Leuten in den Denkfabriken Sorgen, die in traditionellen außenpolitischen Kategorien denken.Robert Gates, Verteidigungsminister 2006 bis 2011 unter George W. Bush und Barack Obama, hat Ende September ein Klagelied über die „dysfunktionale Supermacht“ geschrieben in Foreign Affairs, dem Magazin des hochkarätigen Council on Foreign Relations. Noch nie seien die USA „mit vier verbündeten Widersachern“ (China, Russland, Iran, Nordkorea) konfrontiert gewesen, deren Nukearwaffenarsenale zusammengezählt binnen weniger Jahre „beinahe doppelt so groß sein könnten wie unsere“. Und genau jetzt, wo man eine starke und kohärente Politik brauche, habe es eine „gespaltene politische Führung“ nicht geschafft, „genügend Amerikaner zu überzeugen, dass Entwicklungen in China und Russland von Bedeutung sind“. Der demokratische Präsident Joe Biden hat es seit der russischen Invasion in der Ukraine verstanden, seine Partei und Umfragen zufolge eine Mehrheit der Bevölkerung auf Kurs zu halten für die laufende Unterstützung. Das Durcheinander im Kongress mache ihm Sorgen, so Biden Anfang Oktober. Die Mehrheiten bei Abstimmungen zum Ukraine-Kurs sind im Laufe der Monate kleiner geworden.Die republikanische Ukraine-Skepsis hat mannigfaltige Ursachen. Der Schutz der Grenzen der USA sei wichtiger als der Schutz der ukrainischen Grenzen, heißt es, als ob das eine das andere ausschließt. Biden tue zu wenig gegen die Illegalen, die scharenweise aus Mexiko kämen. Oder man klagt über Korruption in der Ukraine, man wisse nicht, wie das bereits ausgegebene Geld verwendet worden sei, beschwerte sich der Rechtsrepublikaner und Unterstützungsgegner Jim Jordan, den Trump als nächsten Sprecher des Repräsentantenhauses sah. Jedenfalls ist die Opposition zur Ukraine-Hilfe verwurzelt in der tribalistisch anmutenden Feindseligkeit. Dem gestandenen Republikaner, sprich: Anhänger von Donald Trump, wird es umgehend mulmig, soll er für etwas stimmen, das dem demokratischen Präsidenten wichtig ist.Donald Trump spricht von Ukraine-Friedens-DealErinnerungen kommen hoch an das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Auch da ging es um die Ukraine. Da hatte Trump Präsident Wolodymyr Selenskyj bedrängt, ihm einen „Gefallen“ zu tun, um Biden zu schaden (worauf sich die Demokraten beriefen angesichts eines Mitschnitts des Trump-Selenskyj-Telefonats von 2019), und dann Hilfslieferungen verzögert. Es ging darum, dass Joe Bidens Sohn Hunter Biden laut Trump in der Ukraine in korrupter Weise aktiv gewesen sein soll. Als demokratische Politiker, Geheimdienste und Journalisten Hinweise vorlegten, russische Interessen hätten Trump 2016 gegen Hillary Clinton geholfen, reagierte die republikanische Gegenseite mit dem Argument, die Ukraine habe Clinton helfen wollen.Trump selbst ist ausgesprochen skeptisch bei der Ukraine-Hilfe. Im Juli hatte er im Sender Fox Newsvon einem Friedensdeal gesprochen. Er werde Selenskyj sagen, es gehe nichts mehr; der ukrainische Präsident müsse einen Deal machen mit Russland. Auch Wladimir Putin müsse dazu bereit sein. Ein andermal hat Trump die Republikaner aufgefordert, Ukraine-Beistand abhängig zu machen von Bidens Kooperationsbereitschaft bei der Untersuchung der Geschäfte seines Sohnes.Der abgewählte Kevin McCarthy war nicht grundsätzlich gegen Hilfe, hatte jedoch erklärt, er werde keinen Blankoscheck schreiben. Man wird sehen, welche Schecks der neue Mann im Speaker-Büro „ausstellt“. Im aus Bidens Sicht schlimmsten Fall stoppt die Ukraine-Hilfe nicht über Nacht. Es ist noch einiges in der Pipeline, und die Regierung hat Möglichkeiten, Gelder umzuleiten. Ohnehin wird jetzt zunächst das Thema Israel alles überlagern.Wie knapp Hillary Clinton verlor und wie knapp Joe Biden gewannDie nächste US-Wahl findet in etwa einem Jahr statt. Demokratische Politiker erwecken den Eindruck, sie hoffen, das Chaos unter den Republikanern, kombiniert mit Trumps strafrechtlichen Problemen, werde Biden helfen. Die Demokraten hätten mehr als genug Stimmen gehabt, um McCarthy zu retten. Die Parteiführung setzt offenbar darauf, dass sich das Votum von 2020 wiederholt, als mehr als genug Wähler für Biden stimmten, um Trump zu verhindern.Die republikanische Realität ist eine andere. Derzeit deutet trotz der hammerharten Gerichtsverfahren gegen Trump vieles auf dessen Erhebung zum offiziellen Kandidaten der Republikaner. Wobei man wieder beim Thema „Chaos“ wäre. Im Vorwahlkampf gibt Trump den Ton an, obwohl er bei den Fernsehdebatten nicht dabei ist. Der Ex-Präsident betreibt seine Wahlkampagne vom Gerichtssaal aus als Kämpfer, den die Eliten fürchten. Da sehen viele republikanische Politiker keinen guten Grund, warum sie „normale“ Politiker sein sollten. Sie haben auf eine trumpistische Strategie gesetzt, von der sie kaum mehr wegkommen.Im Übrigen sind keine großen Mehrheiten nötig beim Griff nach der Macht. 2016 verlor Hillary Clinton mit einem Vorsprung von fast drei Millionen Stimmen. 2020 gewann Biden mit einem Vorsprung von sieben Millionen. Hätten aber nur ein paar hunderttausend Wähler mehr in Georgia, Arizona und Michigan Trump gewählt, säße Trump nicht auf der Anklagebank, sondern weiter im Weißen Haus. Rechte Minderheit sein, das ist in den USA kein so schlechter Ausgangspunkt.
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