Kritik am „Burning Man“-Festival in Nevada: In Black Rock City erlischt das Feuer
Black Rock City Die Utopie des „Burning Man“-Festivals in der Wüste von Nevada hatte zwar 2023 mit Regen zu kämpfen, doch das nahm dem Ereignis nichts von seiner Anziehungskraft. Probleme gibt es trotzdem, aber die haben andere Ursprünge
2014 konnten die Kunstinstallationen in der Wüste von Nevada noch der Macht des Augenblicks weichen
Foto: Imago / ZUMA Wire
Viele US-Amerikaner machen Urlaub in Disney World, um bei Cinderella und Mickey in eine Fantasiewelt zu tauchen. Andere besuchen ekstatische und euphorische Gottesdienste. Wieder andere feiern bei Donald Trumps Wahlmeetings oder eben bei „Burning Man“. Zeitweilige Utopien und alternative Wirklichkeiten sind Orte der Sehnsucht in den USA. Nur ist der visionär geprägte nationale Anspruch, eine „Leuchtende Stadt“ auf dem Hügel zu sein oder eine „Neue Welt“, nicht so recht wahr geworden.
Seit mehr als 30 Jahren wird in der Black-Rock-Wüste von Nevada das Burning-Man-Festival gefeiert. Zehntausende kommen in die eigens aufgebaute Black Rock City. Besonders Begüterte landen auf einem temporären Flughafen. Über die Zukunft des
kunft des Projekts wird diskutiert. Laut Website der Veranstalter kann Burning Man einen „positiven spirituellen Wandel in der Welt produzieren“. Trotz aller Sehnsucht nach dem anderen Leben passt das Event ins freimarktwirtschaftliche Amerika, das es dem Einzelnen überlässt, seine Lebensqualität zu verbessern, auch wenn dabei nicht alle mithalten können.Die Utopie in der Wüste fiel dieses Jahr ins Wasser. Starkregen hat die in anderen Jahren bei Hitze und Staub Feiernden überrascht. Die steckten tagelang im graubraunen Schlamm, wie man auf spöttisch wirkenden TV-Bildern sah. Präsident Joe Biden versicherte, das Weiße Haus sei „in Kontakt mit Leuten vor Ort“. Dennoch, das liest man gerade in Kommentaren von manchen „Burners“, sei das Ganze in diesem Jahr „wieder eine tolle Sache“ gewesen.„Burning Man“ begann als Utopie mit GemeinschaftsgedankenBurning Man bedeutet: Gemeinschaft finden, Loslassen vom Alltag, ein paar Tage lang in superkreativen Kostümen auch mit Hilfe von bewusstseinsverändernden Mitteln in eine andere Realität eintauchen, Tanzen, Musik machen und hören. Man bewundert und gestaltet Hunderte von fantastischen Kunstwerken, die für Burning Man gebaut und wieder abgebaut oder eben abgebrannt werden, wie der überlebensgroße „Brennende Mann“ zum Ende des Festivals. Er habe bei Burning Man trotz des Regens viel mitgenommen, erzählt der Schauspieler Ben Gleib in der Show The Young Turks, es sei ein totaler „mentaler Reset“. Man erfahre „etwas Wildes und Radikales“, das es sonst nirgendwo gebe, eine „surreale Welt“, die einen spüren lasse, dass es ein anderes Leben geben könne, etwa beim Besuch des „Orgien-Doms“.Alles begann 1986 eher bescheiden mit einem Partyfeuer am Strand von San Francisco für ein paar Dutzend Leute. Die Behörden untersagten eine Wiederholung, so zogen die Teilnehmer Jahre später in die Black-Rock-Wüste. Die Sache wurde größer und größer, dazu institutionalisiert. Die hochfliegenden Ansprüche haben zu einem CEO – Jahresgehalt 328.000 Dollar laut Informationsdienst Propublica – geführt. Burning Man will eine Gesellschaft schaffen, die „jedes Individuum mit seinen kreativen Fähigkeiten verbindet“.Es gibt zehn Leitgedanken, die es zu berücksichtigen gilt, auch wenn sie sich teilweise widersprechen. Zum Beispiel „radikale Eigenständigkeit“ (self-reliance), man sei auf sich selbst angewiesen. Dabei findet das Event auf staatlichem Land statt. „Dekommodifizierung“ ist das Nächste, was bedeutet, kommerzielle Transaktionen sind verpönt in Black Rock City. Zugleich wird die Konsumgesellschaft angeblich abgelehnt. Die „Burners“ helfen und beschenken einander. „Radikale Inklusion“ zählt angeblich dazu. Jeder darf mitmachen.Festival in klimatisiertem Luxus für Milliardäre und InfluencerNach Angaben des Veranstalters waren 80 Prozent der Teilnehmer 2022 weiß, im Schnitt 37 Jahre alt, es gab mehr Männer als Frauen. Ein Ticket kostet Hunderte Dollar; hinzu kommen Kosten für Fahrzeuge auf dem Gelände, für die Anreise und Ausrüstung. Das Tech-Magazin Wired urteilt, in den vergangenen Jahren habe das Ereignis den Ruf bekommen, „Spielplatz für Milliardäre und Influencer“ zu sein, in luxuriösen und klimatisierten Wohnwagen.Die Plattform Business Insider hat eine Liste von Tech-Prominenten zusammengestellt, die bei Burning Man schon mitgemischt hätten, darunter Mark Zuckerberg, Jeff Bezos und Elon Musk, der auf Twitter wissen ließ, es ließe sich schwer beschreiben, wie unglaublich Burning Man sei. 2023 hat Grover Norquist, Chef des in rechten Kreisen einflussreichen, extrem freimarktwirtschaftlichen Verbandes Americans for Tax Reform, über den Regenbogen nach dem Sturm getwittert.Die Kritik auch unter den „Burners“ an der Veranstaltung nimmt zuBei der Anfahrt zu Black Rock City wurden die Teilnehmer in diesem Jahr mit blockierenden Klimaaktivisten konfrontiert. Ihr Vorwurf, das Festival in seiner jetzigen Form sei nicht eben klimafreundlich. Zu viel Ausstoß von Treibhausgasen bei der Anreise besonders durch Privatjets und die in Black Rock City laufenden Generatoren. Es könne so nicht weitergehen. Wie es weitergeht, wird diskutiert: Die kürzlichen Entlassungen in der Tech-Industrie Kaliforniens haben der Zielgruppe von Burning Man zweifellos zugesetzt. Die als DJ und Performerin tätige Adriana Roberts kommt seit 30 Jahren und hat die Zeitung BRC Weekly redigiert, die während der Veranstaltung in Black Rock City erscheint. 2023 sei vermutlich ihr letztes Jahr gewesen, schrieb Roberts nun im Onlinemagazin thebolditalic.com. Sie könne sich Burning Man nicht mehr leisten und werde außerdem von Zweifeln heimgesucht: Burning Man gebe nur vor, eine Utopie zu sein, werde aber zunehmend dystopisch wegen der hohen Kosten, der von Milliardären gesponsorten Kunstwerke und den kultartigen zehn Prinzipien. „Es ist nicht der Ort für arme Leute“, so Adriana Roberts.Auch beim Woodstock-Folk-und-Rockmusikfestival im Jahr 1969, damals auf Weideland im Bundesstaat New York veranstaltet, saßen die Teilnehmer bei starkem Regen im Matsch. Damit aber hören die Parallelen zu Burning Man schon auf. Bei Woodstock kam eine Gegenkultur zum Ausdruck, die den Vietnamkrieg ebenso satthatte wie festgebackene repressive Normen. Es reiste auch niemand mit einem Privatjet an oder suchte nach dem Einstieg in eine „surreale Welt“.
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