Verzweiflungstäter Trump

USA Kurz vor dem Machtwechsel lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob das Land einen friedvollen Übergang vom einen zum nächsten Präsidenten erleben wird
Ausgabe 01/2021
Es stehen unruhige Zeiten ins Haus
Es stehen unruhige Zeiten ins Haus

Foto: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Die Zeit rennt ihm davon. Das zornige Klammern des scheidenden Präsidenten an die Macht offenbart Niederlage und Schwäche. Das war hörbar in Trumps geleaktem Telefonat zur Änderung des Wahlergebnisses im Staat Georgia. Ein Zeichen für Trumps Schwäche, der in Georgia noch heftig in den Kampf um die beiden Senatssitze einstieg, von denen einer bei Redaktionsschluss bereits dem Demokraten Raphael Warnock zugesprochen wurde. Die Auszählung dauerte noch an.

Kurz vor dem Machtwechsel am 20. Januar lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, dass die USA einen friedvollen und geregelten Übergang von einem Präsidenten zum nächsten erleben. Es gilt ein Einerseits-Andererseits. Wer sich an Realitäten hält, für den steht außer Frage, dass der Demokrat Joe Biden die Wahl gewonnen hat. Leitplanken haben gehalten: Republikanisch regierte Staaten wie Georgia ließen sich nicht beirren. Von Trump ernannte Richter haben Dutzende Wahlfälschungsklagen abgeschmettert. Zu widersprüchlich-bizarr waren die Behauptungen des Amtsinhabers, zu wenig kompetent seine Anwälte. Trumps schwindende Macht wurde zum Jahreswechsel sichtbar: Erstmals überstimmte der Kongress sein Veto. Nie zuvor haben sich so viele republikanische Politiker getraut, ihrem Präsidenten in den Rücken zu fallen. Manchen ist Trumps Wahlanfechtung unangenehm. Sie fürchten Schaden für die Partei und wollen kaschieren, diesem Mann so stramm gefolgt zu sein.

Nun kommt das Andererseits: Trump stärkt seine Basis. Rechte, häufig rechtsradikale Politiker setzen auf ihn und die Bewegung, die ihm zur Macht verholfen hat. Sie halten sich an den Teil der Bevölkerung, der Gefallen am Autoritären findet. Das Volk sei wütend, so Trump am Telefon mit dem Wahlleiter in Georgia. Es existiert ein rechtes Medien-Ökosystem, um unsinnige Thesen über Wahlbetrug durch Venezuela, China, Mitarbeiter von George Soros, gefälschte Briefwahlen und vieles mehr zu verstreuen. Nach vier Jahren alternativer Wahrheiten kann nichts mehr überraschen. Auch nicht die angeblich im Weißen Haus erörterte Idee eines Militäreinsatzes zum „Schutz der Wahlen“.

Zehn ehemalige Verteidigungsminister von Dick Cheney und Donald Rumsfeld bis hin zu James Mattis und Mark Esper, die letzten beiden im Dienst unter Trump, machen sich offenbar Sorgen. Anfang Januar warnten sie den geschäftsführenden Verteidigungsminister Christopher Miller mit einem gemeinsamen Aufruf in der Washington Post davor, die Amtsübergabe zu behindern. Militärs hätten einen Eid geschworen auf die Verfassung – nicht auf einen Politiker oder eine Partei. Mittlerweile sind mehr als 350.000 Amerikaner an Covid-19 gestorben, aber die Regierung ist anderweitig beschäftigt. Team Biden hat wenig reagiert auf Trumps Eskapaden, wohl in der Hoffnung, das Theater werde zu Ende gehen, wenn der auf seinen Twitter-Kanal reduziert sei und die Macht woanders liegt.

74 Millionen US-Amerikaner und -Amerikanerinnen haben Trump gewählt, viele bleiben ihm treu, doch die Wirtschaftsprominenz hat genug. An die 200 Vertreter von Unternehmen, darunter Microsoft, Mastercard, Pfizer, Goldman Sachs und Blackrock, haben die Wahlanfechtung verurteilt. Die USA seien einer der größten Wirtschaftskrisen ihrer modernen Geschichte ausgesetzt, brauchten eine Regierung, und Joe Biden habe gewonnen. Verzögerungsversuche schadeten der Nation. Es sind ungewisse Tage.

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