Es kann ja wirklich kein Zufall sein. Auf dem diesjährigen Gallery Weekend, das erstmals und als voller Erfolg unter der neuen Leitung von Antonia Ruder in Berlin stattfand und so nah an der Eröffnung der Venedig-Biennale lag, dass man hoffte, noch mehr internationale Kunstkäuferinnen anzuziehen, da wurden auf den nicht mehr zu zählenden Events nicht nur auffällig oft Butterstullen gereicht und noch mehr overfillte Lippen als sonst umhergetragen, nein, es gab einen ganz eindeutigen und wirklich bemerkenswerten Trend: das Tierkunstwerk.
Sie glauben es nicht? Nun ja, ich werde das mal kurz aufführen: Durch die Kunstwerke (KW) lief – ein bisschen schauderlich – eine rote achtbeinige Katze. Also sie lief nicht wirklich, sie war bereits gestorben, aber ihre Haltung zeigte sie in einer Bewegung (Künstlernamen leider nicht notiert). Bei Esther Schipper machte Julius von Bismarck noch mehr aus seiner sehr guten Idee mit den Knickgelenkfiguren und zeigte einen präparierten Wolf (glaube ich). Bei der spannendsten Neueröffnung, dem Umzug nämlich der Galerie Anton Janizewski an den feinen Rosa-Luxemburg-Platz, zeigte Avery Gia Sophie Schramm vier aus dem Internet abgemalte süße Pandas in abwesenden Posen, die sie Dialektik der Aufklärung 1-4 nannte.
Ähnlich niedlich, dazu handwerklich beeindruckend, waren die großen Keramik-Schlangen von Gerrit Frohne-Brinkmann in der Galerie Noah Klink. Die Schlangen schlangen sich um durch die Räume gespannte Stangen – auf ihnen animatronische Katzen, die miauten und den Kopf schief legten.
Und ja, es geht wirklich noch weiter mit den Tieren. Bei Cosima von Bonin in der Galerie Neu schaukelten Stoff-Walrosse. Vielleicht werden diese Wassertiere auch anders genannt, ich bin nun keine Biologin, aber auch Bambi sah man auf einem Bild und Duffy geht, glaube ich, als Ente durch.
Privatsammlung der Familie Wurlitzer: Frauenkörper mit Delfinköpfen
It-Künstlerin Eliza Douglas malte ein weißes Kätzchen und machte eine Schleife ums Bild, vielleicht, damit man es bei der Galerie CFA gleich als Geschenk kaufen kann. Charlie Stein malte auch ein Kätzchen, aber ein schwarzes, und eher ein Objekt in Katzenform, vermutlich aus Plastik. Cornelia Schleimes Ölbilder in der Galerie Judin zeigten nicht nur viel zu hübsche Mädchen, sondern auch Pferd und Adler. Und ein ganz weiser und sympathischer Vogel war von Jochen Lempert zu sehen.
Foto: Galerie Neu
Selbst in der Privatsammlung der Familie Wurlitzer, von der sie einen Teil anlässlich des Relaunches der Wurlitzer Jukebox zeigten – denn Frau Wurlitzer hat die Rechte für die Produktion der irren Geräte zurück in die Familie geholt –, gab es Tiere nicht nur in Form von Lachshäppchen. Auf einer Radioskulptur waren Frauenkörper mit Delfinköpfen zu sehen. Und ob das überhaupt alle tierbezogenen Kunstwerke waren, die man am Galerie-Wochenende zu sehen bekam, lässt sich hier nicht mit Sicherheit sagen, denn es ist wirklich unmöglich, alle Kunstorte zu besuchen.
Aber was wollen uns die Künstlerinnen sagen? Was die Künstler? Nun, das ist doch recht einfach. In Zeiten, in denen nicht nur das Ende der Welt zu befürchten ist, sondern auch so manche Menschenart immer schwerer zu verstehen ist, da bezieht man sich lieber auf die Tierwelt. Da will man weg von der Spezies Mensch. Da versucht man, die unverständliche Welt durch Wesen zu verstehen, die nicht zu verstehen sind, weil sie nicht unsere Sprache sprechen. Oder?