Bis zuletzt gab es alle möglichen Spekulation über den Verlauf des Treffens. Auch an Querschüssen und Sabotage fehlte es nicht. Trump-Anwalt Rudy Giuliani gab vor Tagen zum Besten, dass der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un „auf Händen und Knien“ um einen Gipfel mit Trump „angebettelt“ habe. Sicherheitsberater John Bolton konnte sich den Vergleich mit dem Verzicht auf Nuklearprogramm Libyens nicht verkneifen und rief damit unwillkürlich den Lynchmord an dessen Machthaber Muammar al-Gaddafi im Oktober 2011 ins Gedächtnis. NATO-Maschinen hatten sich während der Tat für die Luftüberwachung zuständig gefühlt.
Auch demokratische Politiker in Washington ermahnten Trump vor dem Treffen, die eigenen Sicherheitsinteressen nicht preiszugeben. Sie taten das, obwohl es demokratische Präsidenten nie auf die Schwelle einer solchen Begegnung geschafft hatten. Bill Clinton erwog einst ein Treffen mit Kim Jong-il, dem Vater von Kim Jong-un, wollte dann aber nicht dabei bleiben. Sein republikanischer Nachfolger George W. Bush zerstörte, was an Ansätzen vorhanden war, als er den missliebigen Staat als Teil einer „Achse des Bösen“ schmähte.
Dealmaker im Hintergrund
Die bisherige US-Nordkorea-Politik kam nie bis Singapur. Bis dorthin kam allein Donald Trump. Dabei sollte ein Moment aus dem Umfeld dieses Gipfels nicht unbeachtet bleiben. Ein entscheidender Dealmaker im Hintergrund war der südkoreanische Präsident Moon Jae-in, der als Verfechter der Sonnenscheinpolitik des einstigen Staatschefs Kim Dae Jung, den Weg zum Spitzentreffen ebnen half.
Dem wird nun Rechnung getragen, indem Seoul in die jetzt getroffenen Vereinbarungen eingebunden ist, was als Rückhalt plötzlich entdeckten gegenseitigen Verständnisses zwischen Washington und Pjöngjang vonnöten scheint. Erst die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob sich das Verhältnis wirklich entspannt – und belastbar ist. Vorerst deutet die gemeinsame Erklärung von Trump und Kim darauf hin, dass es ein Junktim gibt. Die USA erklären sich bereit, Garantien für die Sicherheit der nordkoreanischen Volksrepublik zu übernehmen, deren territoriale Integrität wie staatliche Souveränität nicht anzutasten, sondern zu schützen. Sie stellen sogar in Aussicht, demnächst auf die gemeinsamen Militärmanöver zu verzichten, in denen der Norden stets das potenzielle Vorspiel eines Angriffs sah.
Im Gegenzug wird es eine schrittweise Abkehr Pjöngjangs von seinen Atomsprengköpfen und seinen Trägerwaffen geben. Oder eben von den Potenzialen, ohne die man die freundlichen Bilder aus dem Stadtstaat in Südostasien hätte entbehren müssen. Der Zeitraum einer Abrüstung wie deren Verifizierung scheinen Verhandlungssache zu sein. Es gibt damit einen Fortschritt im Verhältnis zwischen den USA und einem ehemaligen Kriegsgegner wie noch nie seit Ende des Korea-Krieges 1953. Das schien noch vor einem Jahr undenkbar.
Was für Kim vor allem zählen dürfte, das ist die jahrzehntelang verwehrte Begegnung mit einem US-Präsidenten, die einer Anerkennung gleichkommt, auch wenn diese noch nicht ausgeprochen wurde. Abschottung wie Isolation könnten damit überwunden sein.
Welt von gestern
Donald Trump wird den Gipfel als Erfolg seines Beharrungsvermögen herausstellen, als Werk eines Präsidenten, der eben bekommt, was er will. Singapur bot sich an, um seinen G7-Partner beim Eklat-Gipfel von Quebec zu bedeuten, dass sie für die USA unter seiner Führung zu einer Welt von gestern gehören. Diese Welt – so die Lesart des Trump-Lagers – ist so beschaffen, dass die USA auch mit einem gegnerischen Regime umgehen können, von dem sie ein enormes Machtgefälle trennt und mit dem sie ganz anders umspringen könnten. Nicht auszuschließen, dass Trump, Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater Bolton davon ausgehen, dass ihnen der Kim-Gipfel überaus hilfreich sein kann, um an ihrer destruktiven Iran-Politik nach der Kündigung des Atomvertrages und im Zeichen eines aufziehenden Sanktionsgewitters festhalten zu können. Die gegen Nordkorea verhängten Embargomaßnahmen bleiben auch erstmal in Kraft. Auch das gehört zur Bilanz von Singapur und wird wieder mehr in den Vordergrund treten, wenn die Faszination dieser Begegnung nur noch eine Erinnerung wert ist – aber das auf jeden Fall.
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