Hier wie dort – America first

USA Bei seiner Syrien-Entscheidung wie dem Truppenbesuch im Irak folgt der US-Präsident durchaus gleichen Intentionen und bedient eine konsistente Doktrin
Truppenbesuch im Irak – Trump verschafft sich Genugtuung
Truppenbesuch im Irak – Trump verschafft sich Genugtuung

Foto: Saul Loeb / AFP - Getty Images

Auch wenn Donald Trump gern heilige Kühe schlachtet, so doch nicht alle auf einmal. Einerseits stellt er das vermeintliche Recht des Westens in Frage, in Syrien auf einen Regime change zu setzen, wenn dessen Wahrnehmung auf US-Militärs angewiesen ist. Andererseits bekennt er sich zur Sicherheitsverantwortung für den Irak. Die dortige Truppenpräsenz steht nicht zur Disposition – vorerst nicht. Nach der Invasion von 2003 und acht Jahren US-Besatzungszeit handelt es sich um einen Akt der Nachsorge, die Chaos und Bürgerkrieg in einem von Konfessionen und Konflikten zerrissenen Land verhindern soll.

Mit anderen Worten, wenn Trump die auf dem Stützpunkt Al-Asad stationierten US-Truppen besucht, geschieht das nicht, um die Entscheidung zum Syrien-Abzug zu relativieren oder Gegner in seiner Partei zu beschwichtigen. Im Gegenteil, der Präsident hat im Irak Ort und Forum gesucht, um die Auffassung zu bekräftigen: Die USA sind nicht länger auf Dominanz bzw. regionale Hegemonie bedacht, wenn das ihren Interessen widerspricht. Ob das dem Westen als Machtinstanz innerhalb der bestehenden Weltordnung schadet oder nutzt, ist zweitrangig, um nicht zu sagen: irrelevant.

Exempel Afrin

Wer sich den unvoreingenommene Blick auf diese Art von Realpolitik leistet, versteht die Logik der Syrien-Demission besser, wenn nicht voll und ganz. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ließ sich mit 2.000 US-Soldaten ohnehin kein maßgeblicher Einfluss auf die syrische Nachkriegsordnung nehmen, geschweige denn darüber entscheiden. Ebenso wenig kam dieses Kontingent als Garantiemacht kurdischer Selbstbestimmung in Nordsyrien, sondern lediglich als ein symbolischer Schutzschild in Betracht. Für mehr fehlte es an Truppenstärke, Schlagkraft und dem politischen Willen in Washington, einen Konflikt auf die Spitze zu treiben, der zur Konfrontation mit der türkischen Armee führen konnte.

Dabei dürfte es für Donald Trump eher zweitrangig gewesen sein, mit einem NATO-Mitglied zu kollidieren und dadurch der westlichen Allianz zu schaden. Der US-Präsident folgt wohl mehr der Absicht, kein Mandat zu übernehmen, das den USA erhebliche Verpflichtungen aufbürdet, deren Ende nicht absehbar ist. Denn soviel stand und steht außer Frage: Je energischer die syrischen Kurden ihre Selbstbestimmung verteidigen, desto unerbittlicher wird sie der türkische Staat angreifen. Wie, vor allem mit welcher Intensität sollten sich die USA dann exponieren? Als Mitte März 2018 türkische Truppen die kurdische Stadt Afrin in Nordsyrien einnahmen, sah der US-Syrien-Verband weitgehend teilnahmslos zu.

„Realismus mit Prinzipien“

Es widerspricht offenkundig der Trump-Doktrin des America First in Situationen wie diesen jene Geltungsmacht zu zeigen, wie das in der Vergangenheit geschah und im Nahen Osten häufig gescheitert ist. Realpolitischer Instinkt lässt den derzeitigen US-Präsidenten nicht zuerst nach dem Ranking der USA im Wettbewerb mit Regional- und Großmächten fragen. Ihm geht es um den Nutzen, den die USA daraus ziehen, wenn sie sich auf diesen Wettbewerb einlassen oder darauf verzichten. Gleiches gilt – mit Blick auf Syrien, Jemen und andere Krisengebiete – für jede Moral- und Menschenrechtsapologetik, wenn sie Trumps nationalem Pragmatismus im Wege steht. Bei seinem Auftritt vor der jüngsten UN-Generalversammlung sprach er von einem „Realismus mit Prinzipien“, bei dem man sich nicht mehr „von alten Dogmen, diskreditierten Ideologien und sogenannten Experten, die über die Jahre immer wieder falsch lagen, in Geiselhaft nehmen“ lasse. Das klingt nach einem Primat der Selbsthilfe, mit der die USA vorübergehend oder länger auf eine „anarchische Welt“ reagieren, in der zusehends diffuse Konfliktlinien tradierte Bündnisbeziehungen überlagern und in Frage stellen.

Für Syrien heißt das: Da die Trump-Regierung nie über eine konsistente Syrien-Politik verfügt hat, halten sich die Folgen des US-Abzugs für einen Kompromissfrieden in Grenzen. Der bleibt auf die Garantiemächte Russland, Türkei und Iran angewiesen, die sich diese Bürde nun in dem Bewusstsein aufladen können, dass der Einfluss der Westens in und auf Syrien weiter minimiert wird. Die genannten Staaten werden sich künftig mehr mit der Regionalmacht Israel auseinandersetzen müssen als der Weltmacht USA gegenüberstehen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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