Es wäre oft angebracht gewesen, die Amerikaner von den G7 (oder G8) wie heute Russland zu suspendieren. Im Jahr 2002 etwa, vor dem Gipfel im kanadischen Kananaskis. Monate zuvor hatte die US-Armee durch eine Intervention in Afghanistan die dortige Bevölkerung für die Attentate vom 11. September 2001 büßen lassen und mit ihrem Angriff gegen Völkerrecht verstoßen. Im Juni 2003, vor dem Treffen im französischen Évian-les-Bains, wurde erst ein Luft-, dann ein Landkrieg gegen den Irak geführt. Wie am Hindukusch war das ebenfalls ein kriegerischer Akt, bei dem UN-Mitglieder ohne UN-Mandat handelten. Außer den Vereinigten Staaten hatte daran auch Großbritannien als G7-Inventar seinen Anteil.
Zu diesen Gipfeln haben sich nie Unbefleckte vereint, sondern Mächtige, die es sich leisten konnten, befleckt zu sein. Deutsche Regierungschefs von Helmut Schmidt über Helmut Kohl und Gerhard Schröder bis zu Angela Merkel hat das nie gestört. Zumindest öffentlich nicht. Sie haben sich darüber weder echauffiert noch waren sie deprimiert, wie das die Kanzlerin nach La Malbaie in Kanada gewesen sein will. Freilich stört sich Merkel auch diesmal nicht an der desaströsen US-Politik in Nahost oder Mittelasien. Was sie umtreibt, ist der Affront, den ihr ein US-Präsident durch sein Verhalten zugemutet hat. Dabei besteht Trumps Sakrileg nicht in der Absage an die Abschlusserklärung, sondern an einen Minimalkonsens und an die Illusion vom Fortbestand des Westens als globale Allianz. Aber ist das dem Urheber des Eklats wirklich vorzuwerfen? Trump hat ein Format der diplomatischen Sondierung zwischen kapitalistischen Mächten als das genutzt, was es ist: eine Arena, um Konflikte auszutragen, wie sie unter Ländern dieses Zuschnitts nicht ungewöhnlich sind. Genau genommen hat er die G7 in ihren Normalzustand versetzt. Sie sollten deshalb als Forum des Schlagabtauschs auf keinen Fall verlorengehen.
Ob sie wollen oder nicht – die G7-Regierungen müssen dafür sorgen, dass ihnen diese Treffen erhalten bleiben, um Konkurrenz vor dem Umschlag in Gegnerschaft und Gewalt zu bewahren. Nie waren diese Gipfel nötiger als jetzt. Nicht, um die Welt zu führen, sondern um sie davor zu bewahren, durch unüberbrückbare Rivalitäten aus den Angeln gehoben zu werden.
War in der Vergangenheit die Karte der nationalen Obsession erst einmal ausgespielt, ließ sich die nie abrupt und nie leicht zurückziehen. Regierungen haben damit Völker in Kriege manövriert, aus denen es kein Entrinnen mehr gab, waren sie erst einmal entfacht. Wer solcherart Erinnerung für überzogen hält, sollte nach den Ursachen und den Umständen fragen, die allein im 20. Jahrhundert fernab aller propagandistischen Nebelwerferei auf den Kriegspfad lockten. In der Regel wurde der nicht über Nacht beschritten, sondern war lange eingeschlagen, bevor er unwiderruflich wurde.
Die Merkel-Formel aus dem Jahr 2012, wenn der Euro scheitere, sei Europa gescheitert, wurde als logischer Schluss verstanden. Die Sentenz ließ sich auch anders deuten. Es könne einen Ausgang der Eurokrise geben, der katastrophale Folgen habe und sich nur, wenn überhaupt, schwer beherrschen ließe. Das trifft auf Handelskriege ebenso zu. Einmal geführt, können sie dazu verführen, die Möglichkeit einer katastrophalen Eskalation auszunutzen, um sich maximalen Vorteil zu verschaffen. Kommt es dazu, werden G7-Gipfel auch außerhalb des üblichen Turnus gebraucht.
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