Dass Mike Pompeo vor Wochenfrist nicht wie erwartet in Berlin vorstellig wurde, schien auf den ersten Blick ein Affront zu sein. Tatsächlich war der Trip des Außenministers nach Bagdad für die USA um einiges wichtiger. Der Irak ist der wunde Punkt der Trump-Regierung, will sie Iran durch einen globalen Abnahmeboykott für Erdöl derart in die Mangel nehmen, dass ein ökonomischer Kollaps droht und der Regimesturz gleich mit. Wenn man so will, ein Enthauptungsschlag ohne Militärintervention. Von allen sonstigen Konsequenzen abgesehen, ist das für die USA auch deshalb riskant, weil sie im Irak wegen ihrer dortigen Präsenz verwundbar sind.
Nach dem Abzug des Besatzungskorps Ende 2011 blieben allein 5.200 US-Soldaten auf dem Al-Assad-Stützpunkt, 160 Kilometer westlich von Bagdad. Hinzu kamen weitere Basen an der Grenze zu Syrien sowie bei Erbil und Mossul, ohne dass genauere Zahlen über die dislozierten Verbände bekannt wären. Sie stehen unter ihrem eigenen Schutz, nicht dem der einheimischen Nationalarmee, und sehen sich einer iranischen Gegenmacht im Irak gegenüber, die sich aus Milizionären der Revolutionsgarden (IRGC) rekrutiert (laut Kommandeur Mohammad Ali Jafari gut 100.000 Mann). Diese Kontingente sind mit der in Bagdad und der Hafenstadt Basra ansässigen Mahdi-Armee (60.000 Mann) des schiitischen Predigers Muktada as-Sadr wenn nicht verbündet, so doch verbunden. Was sie eint, ist der amerikanische Feind. Auch wenn as-Sadr ein zwiespältiges Verhältnis zu Irans Revolutionsführer Ali Chāmene’i nachgesagt wird – als er 2007 aus seinem Land fliehen musste, war ihm das iranische Exil willkommen.
Dass Irak und Iran, die 1980 bis 1988 einen zermürbenden, extrem opferreichen Krieg gegeneinander führten, heute kooperativ verflochten sind, gilt aus Sicht der USA als größter geostrategischer Kollateralschaden, den sie mit ihrem Irak-Feldzug vom Frühjahr 2003 hinnehmen mussten. Seinerzeit war durch eine Luft-Boden-Offensive die Diktatur des sunnitischen Herrschers Saddam Hussein überrollt worden. Die folgende Besatzung, der Widerstand dagegen und die Etablierung eines Regimes in Bagdad, das der schiitischen Mehrheit des Landes Geltung verschaffte, eröffnete der schiitischen Theokratie in Teheran mehr Einfluss als je zuvor. Den zu nutzen, hieß zuletzt nicht nur, „Volksmobilisierungsmilizen“ in der religiösen Verwandtschaft aufzubauen, sondern auch bilateralen Handel zu pflegen, der 2018 ein Volumen von 7,5 Milliarden Euro erreichte und – trotz US-Sanktionen – nochmals wuchs.
Trumps Truppenbesuch
Als Hassan Rohani Mitte März 2019 zum Staatsbesuch nach Bagdad kam, erwartete ihn die gesamte Führungselite. Der iranische Präsident sprach mit Staatschef Barham Salih, einem Kurden, dem bewusst sein dürfte, dass die 2017 nach erfolgreichem Plebiszit ausgerufene Unabhängigkeit seiner Volksgruppe im Nordirak an passiven Amerikanern gescheitert ist. Premier al-Mahdi – in den 1980ern Mitglied des maoistischen Flügels der Irakischen KP, heute trotz schiitischer Herkunft nach eigener Aussage ein „säkularer Führer“ – versicherte dem Gast, dass man gegenseitiges Einvernehmen durch niemanden beschädigen lasse. Was auf die USA und deren repressiven Umgang mit Teheran gemünzt schien. Und Irans Außenminister Dschawad Zarif sekundierte mit der Formel, beide Länder seien „die Säulen und der Puls in der Region“. Es versteht sich, dass Rohani auch vom 88-jährigen Großayatollah Ali as-Sistani empfangen wurde, dem höchsten geistlichen Würdenträger der schiitischen Glaubensgemeinschaft im Irak.
Als Donald Trump am 26. Dezember 2018 überraschend die Soldaten am Al-Assad-Stützpunkt besuchte, kam kein Treffen mit dem irakischen Premier zustande. Al-Mahdis Büro begründete das mit Meinungsdifferenzen, während Sabah al-Saidi als Führer des Islah-Blocks im Parlament, dem Schiiten, Sunniten und Christen angehören, von verletzter Souveränität sprach, die „amerikanische Besetzung“ sei längst vorbei.
So bekam Pompeo am 8. Mai in Bagdad vermutlich zu hören, dass sich der Irak nicht für eine Konfrontation mit Iran vereinnahmen lasse, aber das Aktionsfeld der US-Truppen respektiere. Schließlich könnten sie noch gebraucht werden, falls der Islamische Staat (IS) aufersteht.
Kommentare 2
Der Putsch erfahrene ex CIA Chef und nun US – Außenminister wird’s schon machen! Und die “blöden Deutschen“ holen wieder das Stöckchen – wetten!? Es kracht und immer an die “America-First-Politik “ denken, ist ja hinreichend bekannt und Krieg – Länder destabilisieren, Verträge aushebeln, die (UN) werden als sinnlose Institution verhöhnt. usw. gehört eben dazu!
Sie weisen auf einen entscheidenden Punkt in der geostrategischen Ausrichtung der USA hin.
Der Irak gilt als „failed state“, der durch den 2. Golfkrieg unter der Führung des damalige US-Präsidenten George W. Bush erst zu einem failed state wurde und in der gesamten Golfregion mit dem anschließenden Aufkeimen des IS seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Heute ist der IS militärisch betrachtet „besiegt“, seine Ideologie aber noch lange nicht.
Der letzte Schurkenstaat in den Augen der USA ist jetzt noch der Iran, nachdem Nordkorea zumindest Gesprächsbereitschaft zeigt, bevor die dortige Bevölkerung zu erfrieren bzw. zu verhungern droht.
Und dieser Iran ist auch noch in der Lage, eine Atombombe zu bauen. In Wahrheit geht es aber um den geostrategischen Einfluss in der Region, geht es doch um die dortigen Öl- und Gasvorkommen. Genau dieser Einfluss war auch die Motivationslage der damaligen Bush-Administration, den Irak anzugreifen. Auch konnten die Waffenarsenale der USA etwas gelichtet werden, nur bei Militärausgaben von über 650 Mrd. USD pro Jahr hält diese Strategie nicht lange vor. Also mussten weiter Krisenherde herhalten, so wie zunächst Syrien und vor allem der Jemen. Eigene Soldaten sollten aber geschont werden, deshalb die Idee von so genannten Stellvertreterkriegen, sich mit eigenen Truppenkontingenten heraushalten, andere für sich kämpfen lassen und dabei für einen ständigen Nachschub aus US-amerikanischer Waffenproduktion sorgen.
Insofern käme den USA ein Waffengang mit dem Iran sehr gelegen, wenn dabei keine Leichensäcke US-amerikanischer Soldaten in das Heimatland zurückgeschickt werden müssten und der angestrebte Regime-Change erreicht wird.
Wenn also der Irak einen wunden Punkt in dieser geostrategischen Ausrichtung der USA einnimmt, dann muss der damalige Fehler von Obama, die meisten US-Truppen aus dem Irak zurückzuziehen, wieder korrigiert werden, schließlich ist die von Bush erklärte „Mission accomplished“ nicht erreicht, weil Obama diese Strategie ad absurdum geführt hat. Gleichzeitig müssen die irakisch schiitisch geprägten Milizionäre wirtschaftlich betrachtet zufriedengestellt werden, damit sie auf keine dummen Gedanken kommen. Korruption ist dafür ein gängiges Mittel, dem durch eine verstärkte militärische Präsenz der nötige Nachdruck verliehen wird.
Wo sind denn eigentlich in dem Zusammenhang die Europäer? Nirgendwo. Sie spielen keine Rolle.