Säulen stehen zusammen

Irak Die Annäherung zwischen Bagdad und Teheran ist für die US-Eskalationsstrategie ein wunder Punkt
Ausgabe 20/2019
US-Staatssekretär Mike Pompeo bei seiner Ankunft am Flughafen in Bagdad im Mai 2019
US-Staatssekretär Mike Pompeo bei seiner Ankunft am Flughafen in Bagdad im Mai 2019

Foto: Mandel Ngan/AFP/Getty Images

Dass Mike Pompeo vor Wochenfrist nicht wie erwartet in Berlin vorstellig wurde, schien auf den ersten Blick ein Affront zu sein. Tatsächlich war der Trip des Außenministers nach Bagdad für die USA um einiges wichtiger. Der Irak ist der wunde Punkt der Trump-Regierung, will sie Iran durch einen globalen Abnahmeboykott für Erdöl derart in die Mangel nehmen, dass ein ökonomischer Kollaps droht und der Regimesturz gleich mit. Wenn man so will, ein Enthauptungsschlag ohne Militärintervention. Von allen sonstigen Konsequenzen abgesehen, ist das für die USA auch deshalb riskant, weil sie im Irak wegen ihrer dortigen Präsenz verwundbar sind.

Nach dem Abzug des Besatzungskorps Ende 2011 blieben allein 5.200 US-Soldaten auf dem Al-Assad-Stützpunkt, 160 Kilometer westlich von Bagdad. Hinzu kamen weitere Basen an der Grenze zu Syrien sowie bei Erbil und Mossul, ohne dass genauere Zahlen über die dislozierten Verbände bekannt wären. Sie stehen unter ihrem eigenen Schutz, nicht dem der einheimischen Nationalarmee, und sehen sich einer iranischen Gegenmacht im Irak gegenüber, die sich aus Milizionären der Revolutionsgarden (IRGC) rekrutiert (laut Kommandeur Mohammad Ali Jafari gut 100.000 Mann). Diese Kontingente sind mit der in Bagdad und der Hafenstadt Basra ansässigen Mahdi-Armee (60.000 Mann) des schiitischen Predigers Muktada as-Sadr wenn nicht verbündet, so doch verbunden. Was sie eint, ist der amerikanische Feind. Auch wenn as-Sadr ein zwiespältiges Verhältnis zu Irans Revolutionsführer Ali Chāmene’i nachgesagt wird – als er 2007 aus seinem Land fliehen musste, war ihm das iranische Exil willkommen.

Dass Irak und Iran, die 1980 bis 1988 einen zermürbenden, extrem opferreichen Krieg gegeneinander führten, heute kooperativ verflochten sind, gilt aus Sicht der USA als größter geostrategischer Kollateralschaden, den sie mit ihrem Irak-Feldzug vom Frühjahr 2003 hinnehmen mussten. Seinerzeit war durch eine Luft-Boden-Offensive die Diktatur des sunnitischen Herrschers Saddam Hussein überrollt worden. Die folgende Besatzung, der Widerstand dagegen und die Etablierung eines Regimes in Bagdad, das der schiitischen Mehrheit des Landes Geltung verschaffte, eröffnete der schiitischen Theokratie in Teheran mehr Einfluss als je zuvor. Den zu nutzen, hieß zuletzt nicht nur, „Volksmobilisierungsmilizen“ in der religiösen Verwandtschaft aufzubauen, sondern auch bilateralen Handel zu pflegen, der 2018 ein Volumen von 7,5 Milliarden Euro erreichte und – trotz US-Sanktionen – nochmals wuchs.

Trumps Truppenbesuch

Als Hassan Rohani Mitte März 2019 zum Staatsbesuch nach Bagdad kam, erwartete ihn die gesamte Führungselite. Der iranische Präsident sprach mit Staatschef Barham Salih, einem Kurden, dem bewusst sein dürfte, dass die 2017 nach erfolgreichem Plebiszit ausgerufene Unabhängigkeit seiner Volksgruppe im Nordirak an passiven Amerikanern gescheitert ist. Premier al-Mahdi – in den 1980ern Mitglied des maoistischen Flügels der Irakischen KP, heute trotz schiitischer Herkunft nach eigener Aussage ein „säkularer Führer“ – versicherte dem Gast, dass man gegenseitiges Einvernehmen durch niemanden beschädigen lasse. Was auf die USA und deren repressiven Umgang mit Teheran gemünzt schien. Und Irans Außenminister Dschawad Zarif sekundierte mit der Formel, beide Länder seien „die Säulen und der Puls in der Region“. Es versteht sich, dass Rohani auch vom 88-jährigen Großayatollah Ali as-Sistani empfangen wurde, dem höchsten geistlichen Würdenträger der schiitischen Glaubensgemeinschaft im Irak.

Als Donald Trump am 26. Dezember 2018 überraschend die Soldaten am Al-Assad-Stützpunkt besuchte, kam kein Treffen mit dem irakischen Premier zustande. Al-Mahdis Büro begründete das mit Meinungsdifferenzen, während Sabah al-Saidi als Führer des Islah-Blocks im Parlament, dem Schiiten, Sunniten und Christen angehören, von verletzter Souveränität sprach, die „amerikanische Besetzung“ sei längst vorbei.

So bekam Pompeo am 8. Mai in Bagdad vermutlich zu hören, dass sich der Irak nicht für eine Konfrontation mit Iran vereinnahmen lasse, aber das Aktionsfeld der US-Truppen respektiere. Schließlich könnten sie noch gebraucht werden, falls der Islamische Staat (IS) aufersteht.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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