„Er ist ein Hurensohn, aber er ist verdammt noch mal unser Hurensohn“, äußerte sich einst US-Präsident Franklin D. Roosevelt über Nicaraguas Diktator Anastasio Somoza. Was so viel heißen sollte wie – er gereicht uns nicht zur Zierde, aber man kann sich auf ihn verlassen. Er ist unser Mann, wenn es gegen Kommunisten und andere Umstürzler geht.
Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein leisteten sich die USA viele solcher Hurensöhne – Stroessner in Paraguay, Banzer in Bolivien, General Videla in Argentinien, der politische Gefangene über dem Atlantik aus dem Helikopter werfen ließ. Nicht zu vergessen General Pinochet in Chile oder die Obristen in Brasilien. Nie gärte im Weißen Haus die Idee, man müsse einem reaktionären Caudillo die Sucht nach Gewalt gewaltsam austreiben, um so der Demokratie zu dienen. Im Gegenteil, am 11. September 1973 wurde in Chile der überaus demokratiefreundliche, sozialistische Präsident Allende durch ein Komplott zwischen den USA und hohen Militärs des Andenstaates gestürzt.
Auch ist es noch nicht übermäßig lange her, dass US-Truppen direkt intervenierten, um linke Regierungen abzuräumen. Ende Oktober 1983 landeten gut 7.000 US-Soldaten auf der kleinen Karibikinsel Grenada (Operation Urgent Fury), die von der progressiven New Jewel Movement unter dem Marxisten Maurice Bishop geführt wurde. Die USA hatten bis dahin nichts unversucht gelassen, um dessen Regime durch ökonomische Repressionen aus den Angeln zu heben. Sie veranlassten den IWF, Grenada keinen Cent für seine Tourismuswirtschaft zu bewilligen, um so die wichtigste Einnahmequelle zu schädigen. Bishop wurde als willfähriger Vasall Fidel Castros, vor allem der Sowjets hingestellt, die im Süden der Insel eine U-Boot-Basis bauen würden, um sich eine strategische Enklave in der Karibik zu verschaffen. Die Hysterie köchelte, bis Anfang 1983 ein Reporter der Washington Post das angebliche Stützpunktterrain besuchte, um festzustellen, dass in jener Küstenzone das Wasser für Unterseeboote viel zu flach sei. Dann aber wurde Bishop durch interne Rivalen gestürzt und umgebracht, woraufhin sich die USA berufen fühlten, für Ordnung zu sorgen und mit Nicholas Brathwaite einen amerikafreundlichen Premier einzusetzen.
Wozu daran erinnern? Die Annahme wäre übertrieben, jüngsten Drohungen Präsident Trumps – notfalls werde man in Venezuela militärisch eingreifen – würden demnächst Taten folgen. Was ungeachtet dessen aufmerken lässt, ist der offensichtliche Rückgriff auf ein Muster von Lateinamerika-Politik, das längst verschlissen schien: das Recht auf Einmischung in innere Belange souveräner Staaten, bei der keine Option ausgeschlossen wird. Als sollten drei Jahrzehnte versenkt werden, in denen sich der Subkontinent seit Mitte der 1980er nicht nur rechter Militärdiktaturen entledigt hat, sondern größtenteils linke Regierungen in Brasilien, Argentinien, Paraguay, Nicaragua, Uruguay, Bolivien, Venezuela und Ecuador ihren Souveränitätsanspruch artikulierten.
Zweite Befreiung
Sie beriefen sich auf die Unabhängigkeit, wie sie im 19. Jahrhundert errungen wurde und bald darauf – zumindest teilweise – wieder verloren ging. Ein sich darauf gründendes Bewusstsein verlangte nach der „zweiten Befreiung“. In den 1990er Jahren lernte die Clinton-Administration damit umzugehen, indem sie Lateinamerika nicht länger wie einen Hinterhof der USA behandelte. Für die Bush-Regierung verlor die Region nach 9/11 mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak ohnehin an geostrategischer Relevanz. Barack Obama schließlich deutete die Zeichen der Zeit als Auftrag, zur diplomatischen Normalität mit Kuba zurückzukehren und nachzuholen, was sämtliche Staaten des Subkontinents längst für geboten hielten.
Wie sehr Donald Trump den anachronistischen Desperado gibt, zeigt das Befremden in Kolumbien über sein Interventionsgerede. Daran sollte man nicht einmal denken, mahnt Präsident Santos, dem alles andere als Sympathien für Nicolás Maduro nachgesagt werden. Nur ist es leider so, wie es Miguel de Cervantes seinen Sancho Panza sagen lässt: „Und wenn ich erst die Herrschaft habe und den Knüppel, dann tu ich, was ich will.“
Kommentare 9
"Die Annahme wäre übertrieben, jüngsten Drohungen Präsident Trumps – notfalls werde man in Venezuela militärisch eingreifen – würden demnächst Taten folgen."
Es ist zwar sehr zu hoffen, dass Sie mit Ihrer Einschätzung richtig liegen, werter Lutz Herden. Und wenn es um einen halbwegs vernünftigen US-Präsidenten ginge, würde ich Ihre Bewertung sogar als außerordentlich wahrscheinlich einstufen wollen.
Nur: In den Zeiten des "Commanders in Twitter" Donald J. Trump in 1600 Pennsylvania Avenue ist so ziemlich nichts, über dass wir uns - als Linke oder Konservative, US-Amerikaner oder Europäer, syrische Flüchtlinge oder Pyrotechnik-Fans im Fußballstadion - haben bisher zumindest kommunikativ verständigen können, mehr sicher.
Und wenn die Geschichte zumindest eines als definitive, wenn auch nicht eben erfreuliche Wahrheit lehrt, dann ist es dieses: Sobald es einem imperialistischen Machthaber "zu Hause" politisch "zu eng" wird, dann wird eben "ein kleiner Krieg" veranstaltet:
Für mich steht zu befürchten, dass Trump bei seiner pathologischen Sprunghaftigkeit durchaus sehr schnell auf die Idee kommen könnte, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Zumal es in Venezuela nicht "nur" um die Bekämpfung eines von Trump völlig abgelehnten Gesellschaftsmodells ginge, sondern - aus seiner Warte mindestens genau so wichtig - um Öl!
Drehbücher für Putsche liegen in Langley bei der CIA und man muss den Rohstoff nicht mal umschreiben. Stichwort: Operation Ajax! Iran 1953 ...Premierminister Mohammed Mossadegh wurde gestürzt und das Schah-Regime installiert. Das “Verbrechen“ von Mossadegh – Verstaatlichung der Ölindustrie! So werten westliche Werte eben verteidigt - bis heute.
Die Floskeln für das mediale Begleitorchester eines Eingreifens in Venezuela kann man sich lebhaft vorstellen.
Ein Eingreifen in Venezuela wäre höchstens nach einem Machtwechsel in Caracas denkbar, also 'auf Einladung der Venezolaner, um zu helfen das Land zu stabilisieren', wie es bei solcher Gelegenheit gerne heißt. Einen 'regime change' von außen würde China niemals zulassen.
Ansonsten bin ich etwas ratlos, was Herr Herden uns mit dem Artikel sagen will: Die brutale Geschichte der US-Politik in Lateinamerika ist hinreichend bekannt. Ihre Interventionen wieder einmal aufzuzählen hat einen Anflug von Überheblichkeit bzw. kann so gelesen werden - wir machen sowas natürlich nicht, niemals.
Weniger allgemein bekannt sind der nicht unerhebliche Anteil der deutschen Außenpolitik am Zerfall/ Zerschlagung Jugoslawiens, sowie der wirtschaftliche Ausverkauf Osteuropas an hiesige Unternehmen. Und auch dass Frankreich in Westafrika eine sehr ähnliche 'Hinterhofpolitik' betrieben hat und teils noch betreibt, wird nur selten öffentlich thematisiert.
Wäre es nicht auch im Sinne Rosa Luxemburgs sinnvoll, den Fokus der Kritik stärker auf die europäische Außenpolitik zu legen - zumal wir auf diese viel eher einen Einfluss haben?
"Operation Northwoods" ist ebenfalls so ein interessantes Drehbuch, Parallelen zu 9/11 sind natürlich rein zufällig 😄🐨
Ich kenne mich mit südamerikanischer Politik nicht aus. Man braucht trotzdem nicht irgendwelchen linken Legenden nachzuhängen. Die Ermordnung von Schneider Chereau sollte eigentlich schon reichen um Kissinger in den Knast zu bringen.
Danke für Ihren Artikel. Ich denke, daß die Mehrzahl der südamerikanischen Staaten sich wenigstens so ,,emanzipiert'' haben, daß sie einer USA-Intervention so kritisch gegenüberstehen, daß sie sich zusammen dagegen wehren, denn die eventuelle Intervention in Venezuela-rein theoretisch-könnte dann in jedem x-beliebigen Land in Südamerika wieder stattfinden.Bin ich zu blauäugig und hypothetisch,dann würde ich mich über eine Antwort freuen.
Im Spiegel stehen zu diesem Thema teils haarsträubende Leserbeiträge. Ich habe sie folgendermaßen kommentiert!
Einige Leserbeiträge verursachen Kopfschütteln. Bestimmt machte Maduro auch Fehler. Aber Hinweis meines Großvaters: "Eines Mannes Rede ist keine, suchst Du die Wahrheit, mußt du hören alle beide" Das wußten auch die alten Römer und sagten sinngemäß, höre beide Seiten. Der zweite Hinweis vom 3. Präsidenten der USA, Thomas Jefferson (1743-1826): "Ich betrachte die große Masse meiner Landsleute wirklich mit tiefem Mitleid: Sie lesen Zeitungen und leben und sterben in dem Glauben,sie hätten etwas von dem verstanden, was zu ihren Lebzeiten auf der Welt geschah" Liebe Foristen, er meint Euch! Jetzt wäre statt "Zeitung" das Wort "Medien" einzusetzen. Denkt nach über beide Aussagen, denn wichtige Zeitungen und Medien sind fast immer in der Hand der Mächtigen. Deshalb an einige Foristen, bitte hört auch die andere Seite, ERST DANN merkt ihr, daß eure Aussagen nicht die Realität beschreiben, erst dann! Die USA haben sich hundertfach illegal in andere Staaten eingemischt, Regime Change betrieben, wie im Iran(1953 wegen Öl), in Guatemala(1954) in Indonesien(1965) in Chile(1975), in Grenada(1983), im Irak(2003 wegen Öl), in Libyen(2003 wegen Öl), Ukraine 2014 mit 5 Milliarden $). Warum in aller Welt wollt ihr nicht die illegale indirekte massive Einmischung der USA in Venezuela (weltgrößte Ölvorkommen) wahrhaben? Und lasst euch nicht von der Diffamierungskeule "Verschwörungstheoretiker" einschüchtern und manipulieren.
Die Problematik liegt darin, dass es so einen Lagersermon gibt, den man schon tausendfach gehört hat und zu dem einfach nichts Neues und bessere hinzukommt. Man sollte sich schon im Detail mit den Fällen beschäftigen, und beide Seiten hören. Dazu habe ich aber keine Zeit. Ich finde es nur idiotisch, wenn immer wieder das gleiche abgespult wird und eine Kontinuität hergestellt wird. Ob vor 70 Jahren ähnliches in den USA passiert ist, kann doch keiner von uns beurteilen. Das ist auch der Fehler von Deschners Der Moloch, der über die Geschichte der USA als Raubzug polemisiert. Wie kann eine bessere Machtpolitik aussehen? Wieso haben die USA jetzt das lybische öl unter ihrer Kontrolle, und um welche Werte geht es da überhaupt. Je geopolitischer die Erklärungsansätze desto diffuser die Zahlen. Funktioniert das überhaupt, gibt es einen positiven return on investment? Wie genau sieht der aus?