Humanität und Solidarität sind ehrbare Prinzipien. Und so verlockend, dass sich in Deutschland die Politik gern ihrer annimmt oder den Eindruck erweckt, dies zu tun. Insofern ist es erst einmal zu begrüßen, dass die Bundesregierung wie das Bundesamt für Migration bisher keine ukrainischen Männer im wehrfähigen Alter ausweisen oder gar ausliefern wollen, wenn in Kiew der Ruf lauter wird, man müsse die Armee dringend aufstocken. Mehr als nur ein Indiz dafür, wie sehr der Krieg näher an Deutschland heranrückt. Verteidigungsminister Rustem Umjerow hat Ukrainer im Exil aufgefordert, sie sollten zurückkehren, sich mustern lassen und dann gegebenenfalls an der Front gegen Russland kämpfen. Er schielt dabei nicht auf ein paar Verspre
prengte, die sich ihrer patriotischen Pflicht entziehen und nun nachbessern sollen.650.000 Menschen in der EUDeutschland hat immerhin 200.000 Männer im Alter zwischen 18 und 60 aufgenommen, die für eine Rekrutierung in Betracht kämen. Auf die gesamte EU bezogen handelt es sich um eine Größenordnung von gut 650.000 Menschen. Geht man davon aus, dass derzeit 450.000 ukrainische Militärs an vorderster Front stehen, schrumpft das Mantra der Führung in Kiew, eine ganze Nation stehe geschlossen hinter ihr, zur Legende. Die wird hierzulande dennoch weiter kolportiert, damit das Wunschdenken keinen Schaden nimmt.Unabhängig davon, wer von den abgängigen Landsleuten wirklich kriegstauglich ist – bei einer unter der hohen Zahl von Gefallenen und Verwundeten leidenden, erschöpften und kriegsmüden Armee wecken sie Begehrlichkeiten. Gastländer wie Deutschland müssen denen nicht nachgeben, solange die Massenzustrom-Richtlinie der EU von 2022 jeder Ukrainerin und jedem Ukrainer zugesteht, in einem EU-Staat Schutz zu finden. Andererseits ist Kriegsdienstverweigerung kein Grund, Asyl zu gewähren. US-Soldaten bekamen das zu spüren, als sie 2003 beim Angriffskrieg ihres Landes gegen den Irak nicht mitmarschieren wollten und an Zuflucht in Deutschland dachten, die ihnen verwehrt blieb.Wie man „Fahnenflucht“ auch immer bewertet, eines dürfte schwer zu entkräften sein: Es entbehrt jeder Logik, wenn 2023 40 Prozent der deutschen Rüstungsausfuhren im Wert von 11,7 Milliarden Euro in die Ukraine gehen, die dortige Armee damit kriegsfähig gehalten, aber nicht dafür gesorgt wird, dass es genügend Soldaten gibt, die das Kriegsgerät bedienen. Natürlich wären repressive Maßnahmen unumgänglich, sollte der Nachschub an Material durch den an Menschen flankiert werden. Man würde sich die Hände schmutzig machen. Nur was ist das schon, gemessen an den blutigen Körpern, für die deutsche Waffen in Cherson oder im Donbass sorgen? Was also ist das moralische Gütesiegel eines Kriegspaten wert, der seine Hände über geflüchtete Kriegsvermeider hält?Würde endlich etwas für Frieden getan ...Warum nicht der Ehrlichkeit die Ehre geben und erklären: Die bei jeder sich bietenden Gelegenheit beteuerte Solidarität mit der Regierung Selenskyj kann schwerlich gleichzeitig eine Solidarität mit Kriegsunwilligen sein, die nicht als Soldaten sterben, sondern als Migranten überleben wollen.Es läge in der Logik ihrer bisherigen Ukraine-Politik, würde die Bundesregierung alle in Deutschland lebenden Ukrainer im wehrfähigen Alter dazu auffordern, in ihre Heimat zurückzukehren. Ersparen könnte sie sich das nur, würde endlich etwas dafür getan, dass kein Emigrant mehr in einen Krieg ausreisen müsste.