Gender als Polenschreck

Wahlergebnis Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) heißt die Partei, deren Kandidat Andrzej Duda die Präsidentschaftswahlen gewonnen hat. Ein Alarmsignal

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Andrzej Duda
Andrzej Duda

Bild: Imago/Zuma Press

Andrzej Duda, ein gläubiger Katholik hat sich u. a. auch mit scharfer Kritik an künstlicher Befruchtung und der EU Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen die Unterstützung konservativer Glaubensgenossen gesichert , wird berichtet. Wobei es in der Argumentation weniger um die Gewaltfrage geht, als um die Behauptung, diese Richtlinie gefährde das traditionelle Familienmodell.

Kürzlich gab es einen hochinteressanten Worskshop in der Freien Universität in Berlin zum Thema „Von der Mitte zum rechten Rand– aktuelle antifeministische Strömungen im Streit um Geschlechterverhältnisse.“ Bei dieser Veranstaltung beleuchtete die polnische Wissenschaftlerin Beata Korzak beängstigende Erscheinungen in ihrer Heimat mit ihrem Beitrag „Antifeminismus in Polen“.

Die Fokussierung auf die angebliche Gefahr einer „Genderideologie“ sei – aus ihrer Sicht – nicht ohne Grund so energisch erfolgt. Ließ sich doch damit die heftige, empörte öffentliche Debatte über den auch in Polen aufgedeckten sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Amtspersonen wieder in den Hintergrund drängen. Das war 2010 ans Licht gekommen. Die taz berichtete u. a. darüber.

Kinder als Mitschuldige

des sexuellen Missbrauchs?

Die heuchlerische Reaktion des Erzbischofs Jozef Michalik im Oktober 2013 ließ die Wogen noch einmal hochgehen. Er meinte: „Viele Fälle des Missbrauchs hätten vermieden werden können, wenn die Beziehungen zwischen den Eltern gesund wären.“ Und überhaupt würde Missbrauch oft hervorgerufen, weil das Kind Liebe suche und sich verlör, und dann noch den anderen Menschen mit hinein zöge.“ Mit dem „Genderalarm“ konnte man endlich die Debatte um den Kindesmissbrauch durch Kleriker ersticken, meinte sie.

Auf einmal aber hatte die Kirche im Verein mit konservativen Kräften in der polnischen Gesellschaft die Genderfragen entdeckt. Von da an ging ein Hagel von Beschuldigungen gegen frauen- und genderpolitische Initiativen herunter.

Die Genderfrage als Monsterbegriff

Beata Korzak stellte fest, dass der Angriff auf den Feminismus über den Umweg „Gender“ seine Gründe hat. Die Bischöfe finden scharfe Munition für ihren Kampf beim Papst, der die Genderforschung und die Gendertheorie gleich mal ganz in die Nähe der Hitlerjugend rückte. Wie er das bewerkstelligte, kann man sich nur erklären, wenn man einen festen Willen zur Ignoranz vermutet. Aber auch schon seit Vorgänger Papst Benedikt XIV. hat sich in der Genderfrage eindeutig positioniert. Das hat seine Gründe. Es lässt sich ganz offensichtlich aus diesem Begriff, der viele verschiedene Gebiete der Wissenschaft und Politk umschließen kann, eine Monsterbegriff kreieren und es lassen sich Ängste hervorrufen.

So warnten konservative Parteien im Zusammenhang mit Gender immer wieder vor der „Sexualisierung der Jugend“. Gerade in Schulen und anderen staatlichen Institutionen seien Kinder und Jugendliche in Gefahr. Eine dementsprechende Anfrage der rechtsklerikalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu sogenannten Gender-Werkstätten in Warschauer Schulen hatte jedoch nur ergeben, dass es diese nicht gibt. Der zuständige Bürgermeister verneinte zudem, dass Lehrerkräfte im Fach „Gender“ geschult worden seien, wie PiS und SP (Solidarisches Polen) vermuteten.

Die Warnung vor „Gender“ führte dazu, dass die Gender-studies an den Universitäten gestrichen wurden, wobei es dieses Angebot ohnehin immer erst nach dem Diplom gab.

Der Schottenrock im Kindergarten

Die Unterstellung, dass „Gender“ die Geschlechter sowieso auflöse, eine These die auch hierzulande immer mal wieder pauschal im Raum steht, kulminiert in einer Anekdote über einen Kindergarten, dessen Kinder über Kleidungsstücke der verschiedenen Völker sprachen und dabei auch einen Schottenrock ausprobierten. Die Eltern waren angeblich empört,weil sie darin eine Vereinheitlichung der Geschlechter sahen.

Die EU-Richtlinie nicht nur zur Gewalt, sondern auch zum „Gender Mainstreaming“ muss für polnische Bischöfe und die konservativen Leute von PiS und SP geradezu eine Katastrophe sein. Polens politische und klerikale Führung hat schon einmal mit der EU einen ziemlichen Kuhhandel beschlossen. Die Kirche erklärte damals, dass sie ein Referendum für einen EU-Beitritt sehr befürworte, aber dafür – hinter den Kulissen – forderte, dass das gelockerte Abtreibungsrecht in Polen nicht umgesetzt würde. So sei das Selbstbestimmungsrecht der Frauen geopfert worden.

Gender - ein zu vieldeutiger Begriff?

Die Debatte um „Gender“ führte auch zu einer Debatte am Rande des Werkstattgesprächs in der FU Berlin: Schafft die Vieldeutigkeit, die vielseitige Verwendung des Genderbegriffs – vom „gender trouble“ von Judith Butler, über die wissenschaftlliche Querschnittsforschung und - lehre, bis zur allgemeinen politischen Richtlinie – eine gute Gelegenheit Missverständnisse zu schüren oder bei Bedarf auch zu kreieren, um damit alle Initativen zu diskreditieren, die sich auf diesm Feld betätigen? Es wäre verhängnisvoll den Terminus „Gender“ – auch wenn es in bösen Debatte angegriffen wird – aufzugeben, denn er ist der wichtige Betandteil aller Debatten und ein nötiger Verweis auf die Komplexität der Geschlechterfragen generell.

Wie hieß es in der Ankündigung für diesen Workshop?

In letzter Zeit häufen sich anti-feministische Statements in Printmedien und im Fernsehen, im Netz und auf der Straße. Mühsam etablierte Mindeststandards, etwa, dass (Geschlechter-)Gleichstellung ein schützenwertes und anzustrebendes Gut ist, werden in Debatten und Talkshows zunehmend in Frage gestellt oder als längst erreicht inszeniert.

„Gender“ wird zur undifferenzierten Chiffre für Angriffe gegen Gleichstellungarbeit und Geschlechterforschung. Von der Mitte bis zum rechten Rand haben einzelne Personen und Gruppen „Gender“ zum Feindbild erklärt, veröffentlichen Streitschriften gegen „Gender“ und schrecken teilweise auch nicht vor persönlichen Angriffen und Drohungen gegenüber feministischen Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen zurück. Die Angegriffenen, aber auch alle anderen, die in diesem Feld arbeiten, müssen zwangsläufig mit dem Phänomen umgehen. Daher bedarf es einer Positionsbestimmung.

Welche gesellschaftlichen Gruppen bringen sich in diesen Streit um Geschlechterverhältnisse ein? Wie sind sie untereinander vernetzt? Wie gehen sie vor und wie ist ihre Wirkungsmacht einzuschätzen? Welche Verbindungen gehen anti-feministische Positionen bspw. mit Rassismus ein?

Polen ist auch ein Aktionsgebiet der Anti-Gender-Aktivistin Gabriele Kuby, die dort Vorträge hält und deren einseitige Statements dazu politischen Einfluss gewinnen.

Es bleibt deutlich, dass der regressive und repressive Umgang mit Geschlechterfragen, mit feministischen Bestrebungen, mit sexuellen Orientierungen immer ein Indiz ist für die Offenheit und Toleranzfähigkeit einer Gesellschaft. Das katholische Irland ist viel viel weiter als das katholische Polen, wie wir dieser Tage erlebt haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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