Zum Beispiel "Normandie-Njemen"

D-Day Wladimir Putin und die Erinnerung an einen einstmals gemeinsamen Kampf der Alliierten, der heute zunehmend verleugnet oder verschwiegen wird.

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Zum Beispiel "Normandie-Njemen"

Foto: REGIS DUVIGNAU / AFP / Getty Images

Die Strände der Normandie – Schauplätze einer gewaltigen militärischen Operation in der Vergangenheit. Tausende Soldaten – vor allem aus den USA und Kanada, aber auch Großbritannien – waren beteiligt und verloren bei den Landemanövern ihr Leben, um Deutschland zu befreien und Frieden und Demokratie zu errichten. Sie versetzten Hitlerdeutschland den entscheidenden Schlag. Aus dem Westen kam der Sieg. So war das. So hörte ich es gestern auf allen öffentlich-rechtlichen Kanälen.

Was hat eigentlich dieser Russische Präsident, dieser Putin, beim D-Day gewollt?

Er hat doch nichts als protokollarische Umstände gemacht. Einige der angereisten Staatsmänner wollten besonders deutlich zeigen, wie sehr sie ihn nicht beachteten. Andere wollten dem USA-Präsidenten Obama zeigen, dass sie nicht allen USA-Schnick-Schnack mitmachen. Die Kanzlerin wollte vermitteln und den neu gewählten Präsdidenten der Ukraine Poroschenko mit Putin zusammenbringen. Und Putin die Leviten lesen. Hingegen nähre der französische Präsident Hollande den Verdacht, an eine Tradition gaullistischer Moskaudiplomatie anzuknüpfen, die sich um ein einheitliches Auftreten des Westens wenig scherte, mault ein Autor in der Zeit.

Aber was wollte der Putin bloß dort. Was bloß. Achja. Es war ja der 70. Jahrestag der Invasion dort in der Normandie. Stimmt ja, er gehörte zu den Alliierten.

Aber, Alliierte sind nicht gleich Alliierte – während hier ein Kommentator der Community den Soldaten der West-Allierten wenigsten danken will, unterstützt er anderswo die Meinung, dafür dass Soldaten ihren Job gemacht hätten brauche man ihnen nicht zu danken und meint damit die Sowjetarmee. (wird in Absprache geändert, weil sich daraus ein wenig fruchtbarer persönlicher Disput ergeben hat, der aber dennoch stehen bleiben soll.)

und ersetzt und ergänzt durch:

Neuer Text: Aber, Alliierte sind nicht gleich Alliierte. Während manche Kommentatoren - nicht nur hier in der Community - die Soldaten der West-Alliierten allein als Befreier sehen wollen, wird der große Anteil der Sowjetarmee am Sieg gegen Hitlerdeutschland selten oder eher beiläufig gewürdigt und alles, was es an Folgen, Ungerechtigkeiten, Härten und Verwerfungen der Nachkriegszeit gab, nur der UdSSR zugerechnet. Kaum bedacht wird, dass "Vertreibungen" z. B. vorher am Konferenztisch mit allen Alliierten ausgehandelt wurden.

Putins Bruder Viktor
verhungerte in Leningrad

Wie war das doch gleich: Die Sowjetunion war überfallen worden, Städte, Dörfer, Juden und Sowjetbürger aller Nationalitäten waren Opfer blutiger barbarischer Vernichtungsfeldzüge geworden. Die Stadt Leningrad war über 900 Tage ausgehungert, ausgebombt worden – Kindergärten und Krankenhäuser bevorzugt. Ein Bruder des russischen Präsidenten war in Leningrad im Jahre 1942 verhungert.

Was ist das alles gegen die wirkliche Aufgabe jener Zeit: Nämlich Frieden und Freiheit nach Deutschland zu tragen. Daran scheint – so lese ich viele Autoren und Kommentatoren in allen Medien – die Sowjetunion nicht beteiligt gewesen zu sein. Sie ist wohl eher in den Krieg hineingeraten durch diesen Überfall.

Eventuelles Mitgefühl mit den Menschen der Sowjetunion oder gar Gefühle des Dankes für ihre Soldaten bekämpft man effektiv mit bannenden Worten: Stalin, Katyn, Vertreibung, Vergewaltigung und Eiserner Vorhang.

Historiker sehen schon den "Kalten Krieg" mitten in den Landemanövern der Invasion aufscheinen. Es war immerhin bereits Juni 1944 – die Russen standen schon ziemlich dicht vor den deutschen Grenzen - und wenn sich die West-Alliierten nicht ein bisschen beeilt hätten, dann hätte Stalin Deutschland vielleicht allein befreit – pardon eingenommen – und wäre vielleicht durchmaschiert bis wer weiß wohin. So die „rückwärtigen“ Unkenrufe.

Bis dahin hatte die Rote Armee die Hauptlast allein getragen. Zwar hatten die USA der Sowjetunion Material nach dem "Leih- und Pachtgesetz" im Werte von fast 12 Milliarden Dollar geliefert, aber daran erinnern sie sich heute nicht mehr so gern. Übrigens auch die Lastkraftwagen zum schnellen Transport der berühmten „Stalinorgel“ stammten aus den USA.

http://img.welt.de/img/kultur/crop100654842/1018729266-ci3x2l-w620/waffe-flagge-teaser-DW-Politik-DUSSELDORF.jpg

Verträge der Freundschaft – so der Text auf diesem Plakat, das die Waffenbrüderschaft mit den Westalliierten lobt.

Erinnerung an
Normandie - Njemen

Ganz direkt aber kämpfte allein das französische Jagdgeschwader „Normandie“ – 1942 auf Befehl General de Gaulles gegründet – bis Kriegsende als selbständige Einheit unter sowjetischem Oberbefehl an der Ostfront gegen die Deutschen. Die Piloten flogen insgesamt 5240 Einsätze und kämpften in den Räumen Orel, Smolensk, Orscha-Witebsk, Grodno-Kowno, Ostpreußen und Nordpolen.

Nachdem sowjetische Truppen mit Unterstützung der französischen Piloten die Memel (russisch: "Njemen") überschritten hatten, durfte sich das Geschwader seit dem 31. Juli 1944 - aufgrund eines Stalinschen Tagesbefehls - "Normandie-Njemen" nennen. Ein Film, der auch bei uns in der DDR lief, erinnert daran. Filmpremiere in Ostberlin

Vielleicht hat der französische Präsident Francois Hollande – in Erinnerung an diese gemeinsamen Kämpfe – den russischen Präsidenten doch etwas weniger ignoriert, mit vollen, protokollarischen Ehren empfangen und allein mit ihm gespeist. Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass in den Berichten von „heute“ oder „Tagesschau“ kaum erwähnt wird, dass die Sowjetunion zu den Alliierten gehört, so als sei das heutzutage peinlich oder nicht wichtig.

Heute war endlich mal beim Deutschlandfunk ein Kommentar zu hören, der diese Tatsache mahnend für die konfliktreiche Gegenwart in die Debatte wirft.

Die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus sei ein Verdienst, das den West-Alliierten und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gleichermaßen zukomme, meint Thomas Franke.

Gedenken am D-Day ohne Russland geht also nicht“ schreibt er und mahnt, Putin gefährde mit seiner Politik das Vermächtnis des D-Day, das für Frieden und Freiheit, Demokratie und Sicherheit und die Freundschaft zwischen Völkern und Staaten stünde. Eine sehr einseitige Schuldzuschreibung, aber immerhin ...wenigstens erwähnt er den Grund für Putins Aufenthalt in der Gegend. Es bleibt die Hoffnung, dass der Geist einstigen gemeinsamen Antihitlerkampfes die Politiker beflügelt, wenn es - zu Pfingsten - nicht der "Heilige Geist" selbst tut.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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