Eine deutsche Kinolegende wird 90 Jahre alt: Kamera-As Jost Vacano

Kino + Film Die Berufsbezeichnung "Kameramann" ist Tiefstapelei. Jost Vacano war Bildgestalter, Techniker, Kamerabauer und Ingenieur. Heute wird er 90 Jahre alt.

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Die erste bemerkenswerte Kameraarbeit für einen Kinofilm war das 1973er Sozialdrama SUPERMARKT. Die Trostlosigkeit und Ausweglosigkeit wirken so echt und authentisch, weil Jost Vacano immer die Ambition hatte, einen wirklichkeitsnahen visuellen Stil zu zeigen. Der Film gipfelt in einem Überfall und der Flucht der Täter. Für große technische Ausstattung fehlten das Geld und auch der Platz an den Drehorten. Jost Vacano hielt die Kamera und Regisseur Roland Klick schob ihn mit der Kamera in einem speziell umgebauten Rollstuhl durch die Szene. Wir haben beim Sehen das Gefühl, dabei zu sein und aus dem Weg springen zu müssen.

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Im niederländischen Film SPETTERS (1980) arbeitete Vacano zum ersten mal mit Regisseur Paul Verhoeven zusammen, dessen bevorzugter Director of photography er später in Hollywood für viele Jahre und Filme werden sollte. Neben dem dokumentarischen Bildstil überzeugt auch die visuelle Rafinesse, die im Trailer ansatzweise zu sehen ist. Für einige Nackt- und Erotikszenen in dem Jugenddrama zogen sich Regisseur Verhoeven und Kameramann Vacano selbst nackt aus, um die Atmosphäre aufzulockern. So erzählt es Vacano im Bonusmaterial der SPETTERS-DVD.

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Der große Erfolg und internationale Durchbruch kam mit der erfolgreichen Romanverfilmung DAS BOOT.

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Einen entscheidenden Beitrag zum Welterfolg des Films hatte Jost Vacano, der hier auch eigene Kameras baute und eigene Methoden zur Lichtsetzung und Kamerastabilisation entwickelte. Für die Szenen in der engen U-Boot-Kulisse baute er eine Arriflex-Kamera mit speziellen Stabilisatoren, die es ermöglichten, in dem engem Raum in der U-Boot-Kulisse mit handgehaltener Kamera dynamische Aufnahmen ohne verwackelte Bilder zu drehen. Insofern ist Jost Vacano schon ein Ingenieur. Vacano konnte Regisseur Wolfgang Petersen und die Produzenten zum Glück überzeugen, einen dokumentarischen Bildstil einzusetzen und das Filmpublikum ganz nah an das Geschehen heran zu holen. Petersen und die Prouzenten hatten ursprünglich vor, einen Kriegsfilm nach typischer Hollywood-Machart zu drehen.
DAS BOOT war damals für sechs OSCARs nominiert, u.A. waren Regisseur Wolfgang Petersen und Jost Vacano für die Bildgestaltung nominiert. Dass Vacano damals keinen Oscar bekam, ist mir noch heute ein Rätsel. Nomiert war immerhin auch E.T. und der Bild-OSCAR ging an GHANDI.

Später arbeitete Vacano in Hollywood wieder mehrfach mit Paul Verhoeven (z.B. ROBOCOP, TOTAL RECALL, SHOWGIRLS) zusammen. In ROBOCOP überzeugten seine dynamischen Action- und Verfolgungsszenen.

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Für Verhoevens grelle Kriegssatire STARSHIP TROOPERS entwickelte Vacano lange vor dem Durchbruch computergenerierter Effekte ein Verfahren zur realistischen Darstellung künstlicher Filmfiguren.

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In Hollywood nannten sie Jost Vacano´s Kamerakonstruktion „Joosticam“. Welcher Deutsche schafft das schon. Ein Exemplar der Joosticam ist im Frankfurter Filmmuseum ausgestellt, wo Vacano in den 1990er und 2000er Jahren mehrfach Gast war und von ihm fotografierte Filme präsentierte.

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Noch vor wenigen Wochen trat Jost Vacano bei einem Filmkongress auf. Gesundheitlich scheint es ihm verhältnismäßig gut zu gehen und das soll noch lange so bleiben.

Herzlichen Glückwunsch zum 90sten und vielen Dank für die vielen großartigen Filme.

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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