Til Schweiger: der Trump des deutschen Kinos?

Film und Kino Zum Start von HONEY IN THE HEAD: Und immer wenn man denkt, schlimmer geht es nicht mehr, kommt tatsächlich Til Schweiger daher.

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In der TV-Spielfilm erschien vor knapp drei Wochen ein Gefälligkeitsinterview mit Til Schweiger. Mit dem Fragesteller ist er per Du und es läuft sehr freundlich und absolut Kritik-frei ab. Ein sehr ähnliches Interview erschien um die gleiche Zeit in der BILD. Hier darf Til Schweiger unzufrieden damit sein, dass seine Hollywood-Version von HONIG IM KOPF von der US-Filmkritik zerrissen wurde. Er behauptet dabei wahrheitswidrig, dass die Vertreter der Auslandspresse mit Erste-Klasse-Flügen für gute Kritiken bestochen werden müssten. Und er ist enttäuscht, dass sein Film keine wichtigen Preise abräumte und Nick Nolte nicht für einen OSCAR nominiert war. Wir dürfen annehmen, dass Filmkritiker in den USA und in Großbritannien nicht schlecht über den Film schreiben, weil eine ausreichende Bestechung unterlassen wurde, sondern dass sie einfach so schlecht über den Film schreiben, wie er wahrscheinlich ist.

Mein Freund H. (Name soll nicht genannt werden) mailt mich zum tv-Spielfilm-Interview an. Schweiger sei ja noch dümmer als er jemals vermutet habe, dass er tatsächlich mit einem OSCAR rechne. Zeit für ein paar Betrachtungen und Analysen. Nein, Til Schweiger ist nicht dumm sondern selbstverliebt, erfolgsverwöhnt und eitel.

Den Film werde ich mir nicht im Kino anschauen sondern eine Streaming- oder Fernsehveröffentlichung abwarten, da ich kein Geld ausgeben und nicht die Verkaufszahlungen erhöhen möchte. Insofern ist natürlich Einiges von dem, was ich hier schreibe Spekulation. Allerdings kenne ich HONIG IM KOPF und schon dieser Film ist erzählerisch, darstellerisch (mit Ausnahme von Dieter Hallervorden) und filmisch außerordentlich schlecht.

Nach den vernichtenden Kritiken in den USA wurde der Film aus den vier Kinos, in denen er kurz gelaufen war, entfernt und ist mit knapp über 12.000 US-Dollar Einspielergebnis ein Riesenflop.
Die deutsche Filmkritik schreibt sicher nicht so viele vernichtenden Kritiken über Til-Schweiger-Filme. Das liegt im Wesentlichen daran, dass Til Schweiger Pressevorführungen bereits seit einigen Jahren verhindert, um so auch schlechte Filmkritiken zu verhindern. Dafür gibt es eingeschränkte Sondervorführungen mit befreundeten und wohlgesonnenen Auftragsschreibern, von denen keine negativen Kritiken zu befürchten sind. Manche Filmkritiker*innen geben dann Geld für Vorpremieren aus, auch um die Stimmung im Publikum zu erfahren. Die Kritiken sehen im Wortlaut dann so aus:

Der Filmstart in Deutschland

Das geht inzwischen auch in Deutschland in die Hose. HEAD FULL OF HONEY war in Deutschland in knapp über 300 Kinos bundesweit gebucht und hatte nach ersten Auswertungen am Startwochenende nur knappe 4.000 Zuschauer*innen – also im Schnitt 13 verkaufte Karten pro Kino an einem Wochenende! Da wird jetzt Til Schweiger auch sagen, dass die Deutschen jetzt nach über 7 Millionen verkauften Karten für HONIG IM KOPF inzwischen zu dumm sind, um seine Filme gut zu finden. Und er wird überzeugt sein, dass die deutsche Filmkritik den Misserfolg zu verantworten hat. Doch es ist ganz einfach so:

Til Schweiger ist ein schlechter Regisseur.

Schon HONIG IM KOPF war ein schlechter Film, der das bedrückende Thema Demenz und Pflegebedürftigkeit für schlechte Witze missbraucht. Der Opa, der die Küche abfackelt, Nonnen im Kloster belästigt und in den Kühlschrank pinkelt, ist eine entwürdigende Form von unzumutbarem Primitivhumor. Til Schweiger behauptet immer, seine Kritiker würden nichts von Humor und vom Filmemachen verstehen. Dabei versteht er nichts von Humor und vom Filmemachen. Seine Filme sind schlecht geschrieben, schlecht gedreht und mit einer qualvollen musikalischen Kakophonie zugemüllt. Til Schweiger behandelt seine Darsteller*innen nicht unbedingt immer respektvoll. Dieter Hallervorden hatte bei den Dreharbeiten Streit mit Schweiger, weigerte sich, einige Szenen zu spielen und wurde von Schweiger dann „Du hast einen Vertrag“ genötigt, es doch zu tun. So etwas ist nicht schön. Aber wenn z.B. Filmgenies wie Alfred Hitchock oder Stanley Kubrick so etwas taten, war das auch nicht unbedingt schön und nett gegenüber den betreffenden Leuten, hatte aber Meisterwerke der Filmgeschichte als Ergebnisse. Til Schweiger, der sich am Drehort gerne „Der Imperator“ nennen lässt, ist das 180%ige Gegenteil eines Filmgenies. Gelegentlich verhauen sich Schauspielkollegen, wenn es eine Meinungsverschiedenheit gibt. So etwas kommt vor und der Klügere gibt nach.

Vitamin B

Beziehungsarbeit: Til Schweiger bringt bei jeder Gelegenheit seine untalentierten Familienmitglieder und seine Kumpel und Bekannten als Darsteller*innen und Crew-Mitarbeiter*innen unter. Sein TATORT-Co-Star Fahri Yardim tauchte als Nebendarsteller in HONIG IM KOPF und in VIER GEGEN DIE BANK auf. Schweiger-Kumpel Tim Wilde, der immer angerufen wird, wenn ein cholerischer Polizeichef besetzt werden soll, ist in schätzungsweise acht Filmen von und mit Schweiger besetzt und spielt auch dessen Dienststellenleiter im TATORT; sogar im HEAD FULL OF HONEY ist einer in einer Minirolle als Schlafwagenschaffner zu sehen, als sich Nick Nolte ins Bett zu Veronica Ferres verirrt. Das nervt.

Montage

Die Aufnahmen eines Filmes müssen sorgfältig sortiert, geschnitten und montiert werden. Til Schweiger pflegt, die Tagesaufnahmen allerdings direkt am Drehort zu montieren. Das Ergebnis muss hier ziemlich unansehnlich sein und wurde von der US-Filmkritik beschrieben, dass er (der Film) sich anfühle, als wäre er „mit einem Gemüsezerkleinerer geschnitten“ worden. Exzessive Montage wird manchmal angewendet, um Filmfehler und Anschlussfehler zu kaschieren und keine Zeit für neue Aufnahmen ist oder die Kulissen bereits abgebaut sind. Gute Regisseure merken so etwas während der Dreharbeiten und sorgen rechtzeitig für ausreichend Material. Regisseur James Wan kaschierte bei seinem Debut SAW Filmfehler mit einer Kombination aus Kamerakreisfahrten und Stakkato-Montage, die sich zum Stilmittel für die gesamte Serienkiller-Reihe entwickelte. Aber Til Schweiger ist ja kein guter Regisseur. Bei Publikum und Kritik wird darüber diskutiert, ob es die Versuche sind, missglückte Szenen zu retten, oder ob es Absicht ist. Da es sich wiederholt, wird von Vielen angenommen, dass es Absicht ist. Und so etwas macht kein guter Regisseur.

Fazit

Beim Recherchieren und Sammeln von Informationen stelle ich mir die Frage, ob Til Schweiger eine Art von Donald Trump der deutschen Filmindustrie ist. Er trifft fragwürdige Entscheidungen, leistet schlechte Arbeit und besetzt wichtige Positionen mit Familienmitgliedern und Freunden. Dabei hält er sich für den Größten und behauptet, seine Kritiker hätten keine Ahnung von guten Filmen. Er arbeitet mit alternativen Fakten – auch FAKE NEWS genannt – und behindert die Pressefreiheit. Zu diplomatischen Komplikationen in der Weltpolitik kommt es natürlich nicht. Dafür verursacht Til Schweiger im Ausland ein schlechtes Bild und einen schlechten Ruf über das deutsche Kino. Selbst für die sehr wenigen guten und sehr guten deutschen Kinoproduktionen dürften hier Nachteile zu befürchten sein. Die längerfristigen Konsequenzen dürften im schlimmsten Fall noch weniger Mut zu ungewöhnlichen Filmen und die immer gleichen Schweiger-Schweighöfereien mit überwiegend identischem Personal und vergleichbarer Schundhandlung sein.

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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