Hymnen und sonst gar nichts

CDU/CSU Horst Seehofer verhindert eine von der EU empfohlene Studie zu Rassismus bei der Polizei. Das findet sogar die Kripo-Gewerkschaft peinlich
Ausgabe 28/2020
Dass es Racial Profiling bei der Polizei gibt, ist unbestritten. Selbst das Innenministerium kommt um diese Wahrheit nicht herum
Dass es Racial Profiling bei der Polizei gibt, ist unbestritten. Selbst das Innenministerium kommt um diese Wahrheit nicht herum

Foto: Sean Gallup/AFP/Getty Images

Lobeshymnen auf die Polizei anzustimmen, das gehört zur Folklore von CDU und CSU. Geflissentlich ausgeblendet wird dabei alles, was nicht lobenswert ist. Erneut handelt auch Horst Seehofer nach dieser Devise: Der Bundesinnenminister hat einer geplanten Studie über Racial Profiling bei der Polizei eine Absage erteilt. Mit einer grotesken Begründung. Die Polizei darf keine anlasslosen Personenkontrollen aufgrund äußerlicher Merkmale wie Haut- und Haarfarbe machen, das ist verfassungswidrig. Weil rassistische Diskriminierung verboten sei, könne sie auch nicht stattfinden, meint Seehofer. „Wer so argumentiert, der muss als nächstes Blitzer, Steuerfahndung und den TÜV abschaffen“, brachte Juso-Chef Kevin Kühnert die Absurdität auf den Punkt.

Dass es Racial Profiling gibt, ist unbestritten. Selbst das Innenministerium kommt um diese Wahrheit nicht herum. Also spricht man von „Einzelfällen“. Das ist der Reflex, mit dem Vertreter von Innenbehörden gern reagieren, wenn rechtsextreme Verstrickungen innerhalb der Polizei auffliegen oder rassistische Vorfälle bekannt werden. Woher sie wissen wollen, dass es sich um Einzelfälle handelt, bleibt ihr Geheimnis. Statistiken über polizeiliches Fehlverhalten sind ebenso Mangelware wie unabhängige Beschwerdestellen, an die sich Betroffene von Racial Profiling wenden können. Sobald Forderungen danach aufkommen, schlagen die Polizeigewerkschaften Alarm und klagen über einen „Generalverdacht“. Wie erfolgreich diese Strategie ist, kann man daran ablesen, dass jegliche Kritik an Polizeiarbeit vorauseilend klarstellt, es gehe nicht darum, die Polizei als Ganze unter Verdacht zu stellen.

Dabei sollte der kritische Blick auf die Exekutive in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit sein. Die Polizei setzt das staatliche Gewaltmonopol durch und schränkt dabei Grundrechte ein. Angesichts solcher Machtbefugnisse muss eine unabhängige Kontrolle Standard sein; in vielen Nachbarländern ist sie das längst.

Die Studie zu Racial Profiling ist eine Empfehlung aus Brüssel an die Bundesregierung, die SPD will weiter daran festhalten. „Peinlich“ findet Seehofers Absage sogar die Kripo-Gewerkschaft. In der Tat: Der Verfechter von Law-and-Order muss als Verfassungsminister darüber wachen, dass sich auch die Polizei an Recht und Gesetz hält.

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