Es ist wieder so weit. Ein rechter Mob zieht durch Deutschland und verbrennt Häuser und Menschen.
Der Mob, das Pack und die Rechtsradikalen sind nur einige der Bezeichnungen, die diese Menschen, die dort prügeln und anzünden, bekommen. Anti-Nazi-Seiten wie Hooligans Gegen Satzbau machen bei Facebook auf die geringe Intelligenz der Nazis aufmerksam – als wäre eine hohe Intelligenz der Verdienst einer Person.
Natürlich – auf das Bild des dummen Nazis ist sich schnell geeinigt. Angela Merkel verurteilt diese Taten ähnlich wie Sigmar Gabriel, ohne sich selbst zu einer Teilschuld zu bekennen. Bekannte Entertainer engagieren sich gegen "den Mob" und sogar der ein oder andere Kolumnist der "die Welt" lässt durchblicken, dass es nicht zu tolerieren ist, Asylheime anzuzünden.
Doch macht man es sich mit diesem Bild sehr einfach. Der Mob hat Angst. Das Pack hat Angst vor der spätestens seit den Hartz- Reformen einsetzenden Entsolidarisierung. Es hat Existenzangst vor dem Verschwinden in der vermeintlichen Bedeutungslosigkeit. Unsere Kultur, von der auch der Abbau von Sozialleistungen nur ein Ausdruck sind, vermittelt zunehmend, dass jede*r etwas darstellen müsse, wenn er oder sie geachtet werden will. Es reicht schon lange nicht mehr aus "nur" Dachdeckerin oder Friseur zu sein, um gesellschaftlich angesehen zu sein, die Sozialdemokratie hat sich seit Anfang des Jahrtausends in den Urlaub verabschiedet und das Proletariat bleibt, von einer sich medial aufspielenden Minderheit diskreditiert, mit seinen Ängsten zurück.
Doch wie eine Facebook-Freundin letztens treffend formulierte, jedes arme Schwein sucht sich ein noch ärmeres Schwein, auf das es mit dem Finger zeigen kann.
Und so kam es wie es kommen musste. Durch das Schauspiel der Politik und Medien der letzten Jahre wurden neue Feindbilder geschaffen, die scheinbar selbst dem Proletariat gefährlich werden könnten, das geht von Ausländer über nichtmännliche Geschlechter bis hin zu Homosexuellen, die jetzt sogar heiraten wollen.
Angela Merkel zeichnet das Bild von dem Flüchtlingskind, dem sie leider keine Staatsbürgerschaft "schenken" könne, auch wenn sie das gerne täte, aber dann ja "alle" kämen. Die Massen, die nur auf unsere Kosten Leben und unser letztes Geld haben wollen. Und ein Herr Seehofer skizziert das Bild des kriminellen Ausländers, der als potenzieller "Wirtschaftsflüchtling" unter Generalverdacht stehen müsste und bei einer Kleinigkeit "unser Land" verlassen müsse. Bei Dieter Nuhr ist klar, dass der Islam der Barbarei entspricht, die zwangsläufig zu Tod, Kriminalität und Unordnung führt. Durch ständige Reproduktion dieser Feindbilder, verfestigten sie sich zunehmend im kollektiven Gedächtnis.
Genau diese Skizzierungen des Ausländers, geprägt durch Presse und Politik haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass das passiert, was passieren musste. Die ärmsten zeigen auf Jene, die noch weniger, als sie selbst haben und verdammen sie. Unterstützt in ihren Feindbildern und allein gelassen mit ihren Sorgen von Politik und Presse.
Wenn wir die Schuldigen für die brennenden Flüchtlingsheime suchen wollen, sollten wir vielleicht nicht auf den Naziproll mit Pipi in der Hose schauen, auch nicht auf Ralph Ruthes skizzierte "Dummel" oder auf die schimpfende Omi in Freital.
Stattdessen sollten diese Bilder lieber von einem Horst Seehofer, einem Bernd Lucke, einem Dieter Nuhr und einer Angela Merkel geziert sein, durch deren Ideologien und Reden diese vorurteilsbehafteten Feindbilder überhaupt erst entstehen konnten.
Etwas tiefgründiger möchte ich bei dieser Argumentation noch auf diesen Radiobeitrag hinweisen.
Aus meinem Blog: www.nilsberliner.de
Kommentare 9
Einverstanden. Möchte allerdings die "Hooligans gegen Satzbau" in Schutz nehmen insofern, als dass sie sich keineswegs auf mangelnde Intelligenz kaprizieren, sondern auf mangelnde Bildung. Auch achten sie darauf, dass die Häme nicht überwiegt, sondern die Satire als Bildungsangebot daherkommt, das nicht verachten, sondern aufklärn will.
Vielen Dank für Ihr Feedback.
Ein Hauptproblem liegt in der bevorstehenden "Veränderung" der Gesellschaft, für die es (noch) keine Blaupause gibt. Veränderung bringt Angst mit sich, das ist bei den meisten Menschen der Fall. "Neues" ist immer Unsicherheit, schaut man sich die Gastarbeiterfamilien an, die Deutschland nach WW2 wieder mit aufgebaut haben, ist das ähnlich. Die sind nun teils in der 3. Generation da, lange hat es gebraucht, um das und die zu aktzeptieren und ihnen gar zu danken, für das, was sie geleistet haben. Diese Weitsicht - die Chancen, die die Integration der Flüchtlinge mit sich bringt - ist nicht jedem gegeben. Hier überwiegt die Angst vor Unbekannten und den potentiellen, medial gemachten Schreckgespenstern: vor dem Islam, dem Terror und der eigenen Arbeitslosigkeit. Das muss man verstehen - ohne die daraus resultierenden Reaktionen gut heißen zu müssen.
Vielen Dank auch für den Link zu dem wirklich ausgezeichneten Radiobeitrag!
Ich kann die Auffassung des Beitrags teilen, der aber seinerseits etwas kurz greift.
Erstens die Frage: Wer ist "der Mob"? Bezeichnet man damit die Menschen, die in sozialen Medien und Kommentarspalten hetzen und sich dafür gegenseitig auf die Schulter klopfen. Bei denen wäre ich mir nicht so sicher, ob das nicht eine viel repräsentativerer Querschnitt durch die Gesellschaft ist als viele wahrhaben wollen; vom pöbelnden Jugendlichen bis zum Rentner, von ganz arm bis ganz reich.
Was die Gewalttaten betrifft ist, soweit ich weiß, nicht klar, wer die Täter sind, die wenigsten Taten sind aufgeklärt. Zumindest bei den Brandanschlägen. Auch hier kann es mal der übermotivierte Jugendliche sein, der an sich gutgestellte Papi/die Mami, die partout keine "Ausländer" nebenan haben wollen, oder auch mal der Hausbesitzer der seine Vorstellung von Recht selbst in die Hand nehmen will.
Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass viele Gewalttaten und Verbrechen von einem radikalisierten Kern Rechtsextremer verübt werden, die ideologisch gefestigt sind und das nicht erst seit Hartz 4. Auch bei diesen griffe die Beschreibung als quasi angemessen diskursiv "gefütterte" "besorgte Bürger" bzw. Abgehängte mit Angst vor zunehmender Entsolidarisierung wohl etwas kurz.
Wie gesagt stimme ich aber grundsätzlich zu, dass die Ursachen und Wurzeln für Fremdenfeindlichkeit, Faschismus etc... in der Gesellschaft unzureichend thematisiert und problematisiert werden. Nach wie vor muss man wohl sagen, denn das Problem ist ja nicht neu.
Ein ensprechendes Maß an Kritikfähigkeit und Bereitschaft zur grundsätzlichen und konsequenten Auseinandersetzung der Gesellschaft mit sich selber etc. kann ich allerdings nicht erkennen und ist wohl auch nicht zu erwarten.
Auch vielen Dank für Ihr Feedback.
Klar. Grosso modo ist das ungefähr so wie von Ihnen beschrieben. Die deutschen Abgehängten (oder jedenfalls: ein erklecklicher Teil von ihnen) laufen zunehmend Amok gegen arme Schweine, denen es letzten Endes noch schlechter geht.
Die Frage ist: Was tun? Auch mir sind die Anspielungen auf das Intelligenzniveau, die Bildung oder auch die unbeholfene soziale Artikulation derjenigen, die nunmehr als Mob angegangen werden, nicht viel weniger zuwider wie der rassistische Furor selbst. Dumm ist nur, dass es in der aktuellen Situation keine vernünftige »Road Map« mehr gibt. Weder in Bezug auf die auslösenden Kriege und Bürgerkriege in Nordafrika und Nahost noch in Bezug auf die Abgehängten in den Nordländern, die – nicht nur subjektiv, sondern durchaus auch objektiv – von jeder vernünftigen politischen Kraft verlassen sind.
Das ist die Situation. Letzten Endes denke ich, dass wir in der Einschätzung konform gehen, dass die Stellschraube für das Problem nicht eine irgendwie bessere respektive schlechte Moral ist, sondern vielmehr der Sozialdarwinismus, der sich seit der Verabschiedung der Agenda-Gesetze wie ein Krebsgeschwür in der Gesellschaft ausgebreitet hat. Dieser Prozess ist zwischenzeitlich derart fortgeschritten, dass uns die Folgen selbst bei einer Wende noch über ein, zwei Generationen beschäftigen dürften. Kurzfristig denke ich, dass man dem humanistischen Minimalkonsens Geltung verschaffen muß – zumal aus der rassistisch-rechtspopulistischen Ecke kein ernsthaftes oder akzeptables Lösungsangebot zu vernehmen ist.
Mittelfristig denke ich, dass die Linke für das untere Gesellschaftsfünftel wieder ernsthafte Angebote machen muß. Mögliche Wege sind ja in anderen Ländern – Griechenland, Spanien, Italien und nunmehr auch Großbritannien – durchaus zu sehen.
danke für den/das blog * sorry, bei der brunz blöden braunen brut bin ich geneigt meine empathie auf 0 einzudampfen * das ZPS (Zentrum für politische Schönheit) macht z.zt. eine kunstaktion mit den dortmunder opfern *
thx für den link * gerne zugehört * als hartzer auf der täterseite des schreibtischs hab ich ab mitte 2004 die "arbeitsmarktreform" life und in ihren grautönen erlebt * 2008 hab ich für mich entschieden dem völlig beratungsresisteden jobcenter den job als sb markt&integration zur verfügung zu stellen * in der zwischenzeit haben die leiter wohl begriffen wie fein variable vergütungen bei zielerreichung sind (sanktionswahnsinn) * hier möcht ich aber auch anmerken, der einen oder andere kunden ist extrem kreativ was seine ziellerreichung im sb dissen angeht * feinsten resttag noch cp
danke für den kommentar zum kommentar * der "sound" der aktion gefällt mir, das "outing von old school nazis" (borusssenfront, alt hool) und da ist mir ziemlich latte wer die nummer vergeigt hat * gegen einen no nazi area hätte der dortmunder norden NIX * feinsten resttag noch cp