Deutschlands Treibhausgas-Emissionen sind 2023 deutlich gesunken. Das geht aus einer Erhebung hervor, die der Thinktank Agora alljährlich zum Jahresanfang vorlegt. Demnach sank die Treibhausfracht auf 673 Millionen Tonnen, das ist 46 Prozent unter dem Niveau von 1990. Also endlich mal eine gute Nachricht für den Klimaschutz?
Leider nein. Denn es war nicht kluges Regierungshandeln, das Wirtschaft und Gesellschaft 2023 auf Kurs in eine klimafreundliche Zukunft brachte, sondern die Kriege und Konflikte in der Welt. Diese unterbrachen Lieferketten, sorgten für Engpässe etwa bei Mikrochips oder Rohstoffen und trieben die Energiepreise in die Höhe. Der Studie von Agora Energiewende zufolge sank dadurch die deutsche Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent, d
ieben die Energiepreise in die Höhe. Der Studie von Agora Energiewende zufolge sank dadurch die deutsche Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent, die energieintensiven Branchen drosselten ihre Produktion sogar um 11 Prozent. Entsprechend stark sanken die Emissionen aus diesen Sektoren.Überraschend für alle, deren Informationsquellen die Bild-Zeitung oder Jens Spahn sind, fielen im Jahr 2023 aber auch die Emissionen aus Kohlekraftwerken. Anders als die Konservativen behaupten, hat die Ampel Deutschland 2023 nicht zum Kohleland gemacht: Unter anderem die geringere Stromnachfrage sorgte dafür, dass weniger Braun- und Steinkohle verstromt wurde, die Emissionen sanken um 29 Millionen beziehungsweise 15 Millionen Tonnen. Deutschland wurde zwar zum Stromimporteur, aber auch das trug dazu bei, dass Strom aus erneuerbaren Quellen (oder Atomstrom) statt dem aus hiesigen Kohlekraftwerken verbraucht wurde, da er schlicht billiger war. Ohnehin will die Union mit ihrer Behauptung davon ablenken, dass sie es unter ihrer „Klimakanzlerin“ Angela Merkel war, die der Kohle in der größten Volkswirtschaft Europas mit dem sogenannten „Kohlekompromiss“ die Zukunft bis 2038 ebnete.Ausbau erneuerbarer Energien bleibt unter der Ampel-Koalition zu langsamAuf der Habenseite kann die Ampelregierung 2023 lediglich einen starken Ausbau der Photovoltaik verbuchen: Dank neuer Gesetze gingen im vergangenen Jahr so viele Solarkraftwerke neu ans Netz wie nie zuvor. Mehr als 13.000 Megawatt Leistung kamen hinzu, im bisherigen Rekordjahr 2011 waren es 7.900 Megawatt. Aber schon bei der Windkraft lahmte auch im vergangenen Jahr der Ausbau den Regierungszielen hinterher, die Investitionsbedingungen sind nach wie vor viel zu bürokratisch. Tatsächlich wurde 2023 erstmals mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Stromes aus erneuerbaren Quellen produziert – ein Anstieg von 5 Prozent. Das Tempo reicht aber bei weitem nicht aus, wenn das regierungsamtliche Ziel erreicht werden soll: 80 Prozent aus Erneuerbaren im Jahr 2030.Zudem beeinflusst der Stromsektor nur noch zu einem kleinen Teil die Emissionsbilanz der Bundesrepublik. Verkehr und Gebäudebereich schlagen viel stärker zu Buche. Aber im Bausektor ist die Ampel mit ihrem schlampig erarbeiteten und dann sehr stark verwässerten Gebäudeenergie-Gesetz nicht von der Stelle gekommen. Im Verkehrssektor gab es nicht einmal Ansätze für eine koordinierte Klimapolitik.Zudem verpasst es diese Regierung immer wieder, ihre Politik zu erklären und für einen gerechten Ausgleich zu sorgen. Es ist ja richtig, klimaschädliche Subventionen in der Landwirtschaft wie etwa für Agrardiesel zu streichen, die Landwirtschaft erzeugt 13 Prozent der deutschen Treibhausgase. Wenn es auf der anderen Seite aber keinen Ausgleich für die vielen hart arbeitenden Bauern gibt, braucht sich die Ampel nicht zu wundern, wenn blockierende Trecker die Nachrichten bestimmen.Agora sieht nur kurzzeitige EffekteUnser heutiger Wohlstand basiert auf den Emissionen der Vergangenheit. Deshalb fehlt insgesamt die Einsicht, „Klimaschutz ist wichtiger denn je“. Noch könnten wir die notwendigen Lebensgrundlagen der Menschheit stabilisieren, doch dafür muss es gelingen, neuen Wohlstand ohne Emissionen zu schaffen. Dienstwagenprivileg, Gastherme, Tempolimit, Subventionen – solange die Leute immer nur den Eindruck haben, ihnen wird von der Regierung etwas weggenommen, ohne etwas Neues dafür zu bekommen, bleibt Klimapolitik kurzfristiges Stückwerk.Nach Berechnungen der Agora gingen 85 Prozent der Reduktionen auf das Konto kurzfristiger Effekte. Nicht auszuschließen also, dass die Emissionen 2024 wieder steigen. Es gibt also wenig Grund, die Zahlen aus dem vergangenen Jahr zu bejubeln.