Klimawandel und Insekten: Ohne Frost gibt's Hunger

Klimaerwärmung Insekten, denen es früher hierzulande zu kalt war, breiten sich jetzt auch durch die milden Winter aus. Manche Entwicklungen klingen skurril, andere sind lebensbedrohlich
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 51/2022
Eine der unangenehmen Arten: Die Tigermücke überträgt tropische Krankheiten, wie das Dengue-Virus
Eine der unangenehmen Arten: Die Tigermücke überträgt tropische Krankheiten, wie das Dengue-Virus

Foto: Imago/ZUMA Wire

Neuerdings gibt es in Berlin-Schöneberg eine Population der Gottesanbeterin. Die Weibchen der Mantis religiosa, wie der wissenschaftliche Name der Fangschrecke lautet, werden bis zu acht Zentimeter groß. Männchen sind deutlich kleiner. Und sie leben deutlich gefährlicher: Die Gottesanbeterin betreibt sexuellen Kannibalismus, nach der Begattung frisst das Weibchen den Mann. Nicht nur das: Hungrige Weibchen können viele Duftstoffe produzieren, um auf männliche Tiere zur Paarung bereit zu wirken. Sind sie aber gar nicht, sie sind nur hungrig.

„Zu meinen Studienzeiten in den 80er Jahren gab es in Deutschland nur eine kleine Population im Kaiserstuhl“, sagt Horst Korn vom Bundesamt für Naturschutz. Das kleine Mittelgebirge vulkanischen Ursprungs in der Oberrheinischen Tiefebene zählt mit seinem mediterranen Klima zu den wärmsten Orten Deutschlands. Aber dann begann der Klimawandel mit immer wärmer werdenden Sommern und immer milderen Wintern: Viele Insekten, denen es früher hierzulande zu kalt war, breiteten sich aus dem Süden immer weiter nordwärts aus. Die ursprünglich aus Afrika stammende Gottesanbeterin ist heute bereits in ganz Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beheimatet, auch im Saarland gibt es stabile Populationen. Und eben in Berlin-Schöneberg.

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Solche Entwicklungen klingen skurril, sind manchmal aber lebensgefährlich. Die Asiatische Tigermücke zum Beispiel stammt, wie der Name sagt, aus den Asiatischen Tropen. Im Zuge der Globalisierung kam sie nach Europa, sie reiste im Ei-Stadium in Warencontainern auf Schiffen. Vermutlich in den 1990er Jahren erreichte sie Italien, breitete sich fast im ganzen Land aus und gelangte mit dem Klimawandel dann weiter Richtung Norden. Erstmals in Deutschland wurde eine Asiatische Tigermücke (genauer: von ihr abgelegte Eier) 2007 entdeckt, tief im Südwesten, auf dem Rastplatz Rheinaue an der Autobahn A5 in Baden-Württemberg. Heute ist sie hierzulande heimisch. Stabile Populationen der Aedes albopictus wurden mittlerweile in Freiburg, Heidelberg, ja sogar im thüringischen Jena nachgewiesen.