Gender-Verbote: Krieg der Sternchen

Super Safe Space Immer mehr Länder verbieten das Gendern. Auch unsere Autorin wurde in diesem Kulturkampf auf das Schlachtfeld geschubst – wider Willen
Ausgabe 01/2024
Markus Söder. Ein Mann, dessen Menschenwürde von Gendersternchen angegriffen werden
Markus Söder. Ein Mann, dessen Menschenwürde von Gendersternchen angegriffen werden

Foto: Filip Singer - Pool/Getty Images

Man sollte meinen, dass es an Reizthemen derzeit nicht mangelt. Warum Markus Söder ausgerechnet jetzt die ollste aller Kamellen, das Gendern, hervorkramt, weiß wohl nur er selbst. Jedenfalls will Bayerns Ministerpräsident die geschlechtergerechte Sprache jetzt an Schulen verbieten lassen, Hessen wird wohl nachziehen. Ein ähnliches Verbot gilt bereits in Sachsen, wo einem das kontroverse Sternchen in Schularbeiten Punktabzug einbringt. Auch in Sachsen-Anhalts Schulen ist das Gendern offiziell verboten, die Bewertung ist aber dem Ermessen der Lehrkraft überlassen.

Mir persönlich hängt die Debatte dermaßen zum Hals heraus, dass ich eine Triggerwarnung für das G-Wort brauche. Inzwischen ist mir auch egal, wie viele wissenschaftliche Belege es für den positiven Effekt der geschlechtergerechten Sprache gibt. Ich verzichte gern auf diese Effekte, wenn die CDU mich dafür nie wieder mit diesem Thema belästigt. Leider habe ich mir als Kolumnistin den falschen Job dafür ausgesucht, nervige Debatten einfach auszusitzen.

Dafür muss man in diesem Land schon Bundeskanzlerin sein. Jedenfalls verrichte ich widerwillig meinen Dienst im Krieg der Sternchen. Stell dir vor, es ist Kulturkampf, und keiner geht hin! Leider hat man mich bereits mitten auf das Schlachtfeld geschubst, front row, und die andere Seite will von Friedensverhandlungen nichts wissen. Desertieren ist auch nicht, meine eigenen Leute sind nämlich ebenfalls ziemlich entschlossen. Nun denn, auf sie mit Gebrüll.

Immer wenn es um dieses leidige Thema geht, erinnere ich mich an eine Geschichte aus meiner Studienzeit. Im Studierendenparlament der Freien Universität Berlin gab es damals eine Genderpflicht für sämtliche Anträge. Bevor jemand Puls bekommt: Im Gegensatz zu den eingangs erwähnten Verboten war diese Pflicht wenigstens demokratisch beschlossen worden. Das interessierte allerdings die Liberale Hochschulgruppe nicht. Die FDP-Sprösslinge sahen sich in ihrem Recht auf freie Rede verletzt. Eisern verweigerten sie die Regel und blieben in ihren Anträgen beim generischen Maskulinum – in Kauf nehmend, dass kein einziger je besprochen wurde. Es ging ums Prinzip.

Gendersternchen als Verletzung der Menschenwürde

Es ist ja erstaunlicherweise so, dass auch Liberale hin und wieder eine gute Idee haben. Was taten also meine Repräsentanten, die Fachschaftsinitiative Jura? Wenn sie einen der abgelehnten Anträge der Liberalen sinnvoll fanden, genderten sie ihn kurzerhand durch und reichten ihn neu ein, sodass er diskutiert werden konnte.

Aus erster Hand bestätigen kann ich die Ereignisse nicht, ich war damals 20 und fand mich zu cool für Hochschulpolitik. Ich halte sie aber für die perfekte Parabel zu der ganzen Debatte. Die einen halten das Gendern aus guten Gründen für wichtig, verkalkulieren sich aber darüber, wie gut sich kulturelle Sprachevolution steuern lässt. Die anderen hatten noch nie ernsthafte Probleme in ihrem Leben und empfinden ein verpflichtendes Sternchen als Verletzung ihrer Menschenwürde. Und alle anderen wollen einfach nur, dass es aufhört.

Jedes Gramm Hirnschmalz, das von links in diesen Kulturkampf fließt, wäre in inhaltlichen Argumenten besser aufgehoben. Denn die gefährden den patriarchalen Status quo stärker als alles andere. Das wissen auch die Anti-Gender-Freiheitskämpfer um Markus Söder, sonst würden sie diese Debatte nicht so unermüdlich am Laufen halten. Jede Wette: Insgeheim können sie sie selbst nicht mehr hören.

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Geschrieben von

Özge İnan

Redakteurin, Social Media

Özge İnan hat in Berlin Jura studiert. Währenddessen begann sie, eine Kolumne für die Seenotrettungsorganisation Mission Lifeline zu schreiben. Nach ihrem ersten juristischen Staatsexamen folgten Stationen beim ZDF Magazin Royale und im Investigativressort der Süddeutschen Zeitung. Ihre Themenschwerpunkte sind Rechtspolitik, Verteilungsfragen, Geschlechtergerechtigkeit und die Türkei.

Foto: Léonardo Kahn

Özge İnan

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