Ampelkoalition findet keine Antwort auf die hohe Inflation

Meinung Die Inflation steigt auf Rekordhöhe und wird zur Gefahr für die Stabilität der Gesellschaft. Aber der Regierung fällt dazu nur wenig ein
Ausgabe 22/2022
Ratlos: Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner
Ratlos: Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner

Foto: Imago/Political-Moments

Im Mai betrug die Inflationsrate 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, Energie verteuerte sich um 38 Prozent, Lebensmittel um elf Prozent. Seit drei Monaten liegt die Inflation jetzt schon über sieben Prozent: Für alle Menschen, deren Gehalt, Rente oder Sozialhilfe nicht ebenso viel gestiegen ist, bedeutet das eine reale Kürzung der Mittel, mit denen sie ihr Leben bestreiten.

Der Ampel brennt der Hut. Denn die Geldentwertung betrifft alle, aber nicht alle im selben Maße. Für die einen folgt aus ihr, dass die Urlaubsziele nachjustiert werden müssen: statt Karibik doch nur eine Woche Mittelmeer, weil die Gasnachzahlung die paar Tausend Euro Unterschied aufgefressen hat. Für andere folgt aus der Inflation, dass man jetzt statt zum Bio-Supermarkt öfter zum Billigdiscounter umschwenkt, dass man die Schuhe länger aufträgt, Restaurants seltener besucht. Für die Letzten bedeutet es: existenzielle Entscheidungen. Verschulden oder Mangelernährung. Waschmaschinenreparatur oder Freibad.

Der Ampel brennt der Hut, oben raucht es schon heraus: Die Koalitionsparteien der Bundesregierung hören die Rufe des Souveräns und sie hören die Signale aus Frankreich, wo die Rechtsextreme Marine Le Pen mit ihrem Eingehen auf die Existenzsorgen und Abstiegsängste, die für viele aus der Geldentwertung erwachsen, einen Endspurt bei der Präsidentschaftswahl hingelegt hat, dass es Amtsinhaber Emmanuel Macron angst und bange wurde.

Doch leider fällt der Ampel auch dann nichts ein, wenn ihr Hut in Flammen steht. Mit einem „sozialen Klimageld“ will Sozialminister Hubertus Heil (SPD) die Teuerung für Einkommen unter 4.000 Euro brutto abfedern. Damit eignet er sich die Idee des Klimageldes aus dem Koalitionsvertrag an, um ein „Inflationsgeld“ draus zu machen. Doch mit der ursprünglichen Finanzierungsquelle des Klimageldes – den Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung – käme er auf wenig mehr als 100 Euro. Im Jahr. Pro Kopf. Als Inflationsausgleich?

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hingegen will vor allem die Einkommen oberhalb der 4.000 Euro entlasten: mit einer Steuerreform. Den Tankrabatt, mit dem er die Autofahrer bedachte, stecken sich derweil die Ölfirmen in die Tasche. Die aber, die von der Inflation am meisten betroffen sind, bleiben mit ihren Sorgen allein.

Mehr zum Thema

Inflation: „Le Pen hat wegen des Kaufkraftverlusts gepunktet. Das sollte uns Warnung sein“
Die Ökonomin Isabella Weber erforscht die Wirtschaftsgeschichte Chinas und findet Lektionen für heute

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

Pepe Egger

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Kommentarfunktion deaktiviert

Die Kommentarfunktion wurde für diesen Beitrag deaktiviert. Deshalb können Sie das Eingabefeld für Kommentare nicht sehen.