Kritik ist kein Verrat

Polizei Auch deutsche Behörden sind nicht über jeden Zweifel erhaben. Notwendige Kritik wird jedoch kaum zugelassen oder gar scharf zurückgewiesen. Das zerstört Vertrauen

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Wer Macht hat, muss kritisiert und kontrolliert werden dürfen
Wer Macht hat, muss kritisiert und kontrolliert werden dürfen

Foto: Philipp Guelland/Getty Images

Teile der Polizei und derer Lobbyorganisationen zeichnen derzeit ein Zerrbild unserer Gesellschaft. Die Polizei stehe unter Beschuss, die Straßen würden immer unsicherer, die Vorwürfe immer haltloser. Die Polizei, Helden in Uniform, verleumdet und missachtet. Die Deutsche Polizeigewerkschaft tut sich hier – wenn sie nicht gerade damit beschäftigt ist, rassistische Karikaturen zu veröffentlichen – dabei besonders hervor.

Nach dem Mord an George Floyd durch Polizeibeamte in Minneapolis und den an diesen anschließenden Protesten gegen grassierende Polizeigewalt in den USA regte sich auch in Deutschland Kritik an der Polizei. Videos und Berichte von rassistischen Vorfällen oder unverhältnismäßiger Gewalt fanden ihren Weg in die Öffentlichkeit, Fehlverhalten wurde zunehmend kritisiert.

Die Reaktionen aus konservativen Kreisen erfolgten sogleich. Man sei hier nicht in den USA, Polizisten Helden, wer etwas anderes sage, wäre ein Landesverräter – so in etwa der Tenor. Wer die Kritik an der Polizei für stumpf und einseitig hält, sollte sich einmal auf Social Media-Accounts von Anhängern der Jungen Union umsehen. Es zeigt sich das so häufig zu beobachtende Muster privilegierter Konservativer: Austeilen, aber nicht einstecken können. Viele können die Aufregung schon nicht nachvollziehen, weil man schließlich nie negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht habe. „Schön für dich“, möchte man entgegnen. Fragt doch mal bei Menschen nach, die einer Minderheit angehören.

Die Polizei in Deutschland genießt tatsächlich insgesamt ein hohes Ansehen, doch wird schon jeder Anflug von Zweifel oder Kritik als Majestätsbeleidigung abgetan. Eine Studie zum Thema Racial Profiling in der Polizei hielt Innenminister Horst Seehofer für überflüssig. Schließlich sei dies ja verboten. Frei nach dem Motto „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ wischte er das Thema vom Tisch und forderte stattdessen eine Studie zur Gewalt gegen Polizist*innen. Das ist absurd.

In großen Teilen der Polizei herrscht derweil offensichtlich eine völlig falsche Vorstellung von Solidarität. Dies zeigte sich besonders deutlich in einem Post auf Twitter. Dort forderte die DBB Jugend, die Jugendorganisation des Deutschen Beamtenbundes, man solle der Polizei „den Rücken stärken“ und ihr nicht „in den Rücken fallen“.

Wer jemanden kritisiert, fällt ihm also in den Rücken, es gibt nur für oder gegen mich – diese Sicht der Dinge zeugt von autoritärem Schwarz-Weiß-Denken. Wenn nicht derjenige als Kameradenschwein gilt, der sich falsch verhält, sondern die Person, die das Fehlverhalten anspricht, muss sich Rücksichtslosigkeit zwangsläufig durchsetzen. Der Gruppendruck bringt derweil Zweifler zum Schweigen.

Die Polizei ist mit besonderer Macht ausgestattet. Diese Machtfülle bedarf der Kritik und der Kontrolle. Das ist eines der Grundprinzipien der Demokratie. Wenn die Kontrolle fehlt, öffnet man dem Autoritarismus Tür und Tor. Dass sich die Deutsche Polizeigewerkschaft beispielsweise 2016 gegen die Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle in Nordrhein-Westfalen stark machte, spricht diesbezüglich Bände.

Wer der Meinung ist, Studien über Rassismus oder unabhängige Kontrolle brauche es nicht, dem kann man mindestens Ignoranz, im schlimmsten Fall böse Absicht unterstellen. Dass dieses Denken augenscheinlich auch in der Bundesregierung existiert, ist mindestens besorgniserregend.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

linau95

Hallo. Ich heiße Pauline.

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