In Frankreich sind die konservativen Les Républicains (LR) acht Monate vor der Präsidentenwahl dabei, einerseits sich selbst zu zerlegen, andererseits vielleicht einen Coup zu landen. Vor Tagen hat Michel Barnier, Ex-Außenminister, einstiger EU-Kommissar und Brüsseler Verhandlungsführer in Sachen Brexit, seine Kandidatur öffentlich angemeldet. Damit sieht sich die Mitte-rechts-Partei mit einem Überangebot an Bewerbern konfrontiert. Und es ist noch nicht einmal das Verfahren klar, um den Aspiranten zu finden, der im nächsten Frühjahr gegen Emmanuel Macron antritt. Laurent Wauquiez, Präsident der Region Auvergne-Rhône-Alpes, bislang aussichtsreich im Rennen, hat sofort, als Barnier seine Kandidatur bekannt gab, die eigene annulliert. Er rechnet sich mit jetzt 46 Jahren für das Votum 2027 bessere Chancen aus. Damit bleiben noch Xavier Bertrand, Valérie Pécresse, Philippe Juvin und Eric Ciotti im Wettbewerb, von einigen Hinterbänklern abgesehen, deren Aussichten begrenzt sind.
Dass es derzeit eine unübersichtliche Konstellation bei Konservativen, Grünen und Linken gibt, tangiert Macrons Absicht, ohne erhebliche Gegenwehr erneut gewählt zu werden. Und nun taucht auch noch Barnier auf und könnte ihm gefährlich werden. Zwar sind dessen Beliebtheitswerte laut Umfragen eher bescheiden, doch tritt er im Unterschied zum Amtsinhaber, der sich mit einem häufig elitären Gehabe den Beinamen „Jupiter“ zu Recht verdient hat, bescheiden auf. Barnier möchte „Präsident eines versöhnten Frankreichs werden“ und ein Land zusammenführen, das die Politik der vergangenen Jahre tief gespalten hat. Findet das Anhänger, könnte Barnier die bisher absehbare Stichwahl zwischen Macron und Marine Le Pen durchkreuzen. Landet die Chefin des Rassemblement National (RN) im ersten Wahlgang nur auf Rang drei, entfällt eine Neuauflage des Stechens von 2017, das Macron seinerzeit klar für sich entschieden hat.
Müsste er sich dann eventuell mit Barnier um das höchste Staatsamt duellieren? Sollte im ersten Wahlgang auch noch der rabiat rechtsradikale Publizist Eric Zemmour antreten, der im Sender C News mit seiner Parole „Identität, Islam, Immigration“ das Publikum täglich aufhetzt, könnte Le Pen sogar Stammwähler einbüßen, was Barnier zugutekäme.
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