Was man erwarten sollte

Frankreich Bei den Feiern zu 50 Jahren Elysée-Vertrag ist eine Freundschaft beschworen worden, die eine deutsche Kritik an der französischen Mali-Politik nicht ausschließt
Was man erwarten sollte

Foto: Bertrand Langlois/ AFP/ Getty Images

Während Angela Merkel und François Hollande den 50. Jahrestag des Elysée-Vertrages feiern, gerät der Krieg in Mali zur Prestigefrage. Kaum verwunderlich, dass Frankreich mehr deutsches Engagement erwartet – außer Transportmaschinen und Ausbildern für Malis Armee vor allem Geld. Doch so viel auch immer bei Jubiläumsfeiern versprochen wird – Bundeswehrsoldaten werden „unsere Freiheit“ auf absehbare Zeit nicht am Niger verteidigen. Die deutsch-französische Brigade steht im baden-württembergischen Müllheim, nicht in Bamako, auch nicht im nordmalischen Kampfgebiet.

Differenzen prägten die deutsch-französische Freundschaft von Anfang an. Im gleichen Monat, in dem 1963 der Elysée-Vertrag unterzeichnet wurde, lehnte General De Gaulle einen Beitritt Großbritanniens zur damaligen EWG ab. Er befürchtete eine angelsächsische Dominanz in Europa. Der deutsche Kanzler Konrad Adenauer hingegen wollte – als Gegengewicht zur Sowjetunion – so viel atlantische Solidarität und so viel NATO wie möglich. Im Alleingang setzte er daher eine Präambel vor den eben unterzeichneten Vertrags und hielt sich an den atlantischen Anker bundesdeutscher Politik.

Divergierende Interessen und Perspektiven gab es ebenso bei der Wiedervereinigung 1990, die der damalige Staatschef François Mitterrand nach Kräften abzubremsen suchte. Ob in den Bürgerkriegen auf dem Balkan oder in den neunziger Jahren bei der EU-Osterweiterung – deutsche und französische Optionen stimmten selten überein. Der 3. Oktober 1990 kam letzten Endes nur zustande, weil Kanzler Helmut Kohl klug verhandelte und das französische Misstrauen gegen ein vergrößertes Deutschland in Kerneuropa mit Geschick und Zugeständnissen (etwa durch den Deal mit Elf-Aquitaine) ausräumen konnte.

Allein die Schweizer Diplomatie

Was man von Berlin zum französischen Feldzug in Mali erwarten sollte, sind daher weniger Transportmaschinen und Geld als vielmehr Vorschläge für Verhandlungslösungen wie den freundschaftlichen Rat an François Hollande, in Nordafrika nicht nur den Rohstofflieferant und Hinterhof Europas zu sehen. Ein solcher Hinweis kam bisher weder von der Kanzlerin noch Außenminister Westerwelle, sondern vom ehemaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing und von Ex-Premier Alain Juppé. Bis jetzt unternahm einzig die Schweizer Diplomatie zaghafte Schritte in Richtung einer Verhandlungslösung zwischen der schwachen, demokratisch nicht legitimierten Regierung in Bamako, den Tuareg-Rebellen und in Nordmali eingewanderten islamistischen Kampfgruppen.

Seit der Unabhängigkeitserklärung der Tuareg im April 2012 wurde viel über zerstörte Kulturdenkmäler und rabiate Strafmethoden in Nordmali berichtet. Politisch aber beschränkte sich Berlin auf Gratis-Proteste des Auswärtigen Amtes. Derzeit steigt in Mali die Zahl der Menschen weiter, die vor französischen Luftangriffen und islamistischen Racheakten fliehen. Dass Merkel und Westerwelle keine Soldaten nach Westafrika schicken wollen, ist vernünftig. Das entbindet sie allerdings nicht von der Pflicht, jene Mittel einzusetzen, die aus einer richtig verstandenen Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) folgen: humanitäre Hilfe und Gespräche mit den Konfliktparteien.

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