Prediger versus Präsident

Mali Zehntausende folgen mittlerweile der „Bewegung des 5. Juni“ jeden Freitag in Bamako
Ausgabe 31/2020
Muslime versammeln sich zum Freitagsgebet auf dem Unabhängigkeitsplatz in Bamako
Muslime versammeln sich zum Freitagsgebet auf dem Unabhängigkeitsplatz in Bamako

Foto: Michele Cattani/AFP/Getty Images

Ende Mai wurde das Bundeswehrpersonal, Teil einer EU-Militärmission in Mali, von 350 auf 450 Soldaten aufgestockt. Dieses Korps soll nunmehr nicht nur im gesamten Land, sondern auch in Burkina Faso, Mauretanien, Niger und Tschad eingesetzt werden. Begründung: Es gelte, jenen Staaten im Antiterrorkampf zu mehr Selbstständigkeit zu verhelfen. Auch wirtschaftliche Konflikte müssten gelöst werden. Entwicklung und Sicherheit seien „untrennbar miteinander verbunden“.

An dieser Doppelaufgabe scheiterte die Mission bislang grandios. Im Norden und im Zentrum Malis nehmen islamistische Anschläge und Kampfhandlungen zu. Und ob der Süden, der das Eingreifen französischer Truppen Anfang 2013 begrüßt hatte, als islamistische Milizen die Hauptstadt Bamako bedrohten, noch einmal um solchen Beistand bitten würde, erscheint fraglich. Die ökonomische Lage ist desolater denn je. Sie hat sich dramatisch verschlechtert, seit Corona-bedingt die Geldsendungen in Europa arbeitender Verwandter ausbleiben. Man vertraut derzeit eher den Versprechen des salafistischen Imams Mahmoud Dicko, der verlangt, Präsident Boubacar Keïta und sein Sohn Karim sollten abtreten. Während der Staatschef als amtsunfähig gilt, wird in Karim der Drahtzieher ausufernder Korruption gesehen. Zuletzt hat besonders empört, dass ihn ein publik gewordenes Video auf schlüpfrigen Partys zeigt.

Sekundiert von einem Zusammenschluss patriotischer Kräfte führt Mahmoud Dicko nun die „Bewegung des 5. Juni“ an. Inzwischen folgen deren Aufrufen jeden Freitag in Bamako Zehntausende zum Protestmarsch gegen die Keïta-Regierung. Obwohl Dicko – der jetzt als einflussreichster Imam und Politiker gilt – stets zur Gewaltlosigkeit aufruft, kam es am 10. Juli zu Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen zwölf Demonstranten starben. Das bewog Karim Keïta, als Vorsitzender der Kommission für Zivilschutz, Verteidigung und Sicherheit zurückzutreten, womit er freilich nur eines seiner Ämter aufgab. In der Vorwoche scheiterte ein Vermittlungsversuch der Westafrikanischen Wirtschaftsunion. Da die Länder dieser Assoziation ähnlichen Konflikten ausgesetzt sind wie Mali, konnten sich deren Regierungschefs nicht dazu durchringen, Neuwahlen zu empfehlen.

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