Wer solche Freunde hat

Rojava Wenn Trump sich zurückzieht und Erdoğan das Feld überlässt, kann nur noch Syrien den Kurden helfen
Ausgabe 41/2019
Ein Bild, das wohl zukünftig der Vergangenheit angehören wird: Syrische Kurden scharen sich um ein US-Panzerfahrzeug während einer Demonstration nahe der türkischen Grenze
Ein Bild, das wohl zukünftig der Vergangenheit angehören wird: Syrische Kurden scharen sich um ein US-Panzerfahrzeug während einer Demonstration nahe der türkischen Grenze

Foto: Delil Souleiman/AFP/Getty Images

Dass Donald Trump die von seinen Vorgängern angezettelten blutigen Konflikte im Nahen Osten „lächerliche Kriege“ nennt, verärgert auch Leute in den eigenen Reihen. Ihnen fällt es schwer zu akzeptieren, dass man eine Region zwar in Schutt und Asche legen, ihren Menschen aber kaum mehr die Vorteile amerikanischer Hegemonie vermitteln kann. Und wenn sich als mächtig erachtete Verbündete wie Saudi-Arabien nicht einmal vor zwei Huthi-Drohnen zu schützen vermögen, dann erscheint Trump angesichts derart zweifelhafter Resultate der Preis des US-Engagements in dieser Weltgegend eben zu hoch. Da denkt dieser Präsident lieber an den nächsten Wahlkampf und erfüllt das Versprechen, möglichst viele GIs nach Hause zu holen.

Nicht nur bei den Demokraten, auch bei Trumps engsten Mitarbeitern werden derzeit Krokodilstränen vergossen, weil der Präsident – zweifellos nicht ohne Rückendeckung seiner hohen Militärs – Soldaten ausgerechnet aus den syrischen Kurdengebieten abziehen lässt, die sich der türkische Präsident Erdoğan nun mit einer Boden-Luft-Offensive vornimmt. Wer soll künftig noch an das Wort der USA glauben? – tönt es da. Als wenn es auf einen Enttäuschten mehr oder weniger ankäme. Schon länger enttäuscht sind schließlich Millionen Menschen, die als Aktivisten oder Kämpfer für einen Regime Change in Syrien vereinnahmt wurden und inzwischen als Flüchtlinge in der Türkei oder im eingeschlossenen Idlib festsitzen. Aus jener Provinz im Nordwesten Syriens ließ die vorrückende Regierungsarmee bisher besiegte Freischärler abziehen oder sich in Enklaven sammeln.

Dass auf Selbstbestimmung bedachte Minderheiten wie die syrischen Kurden notfalls auch Teufelspakte eingehen, ist nichts Neues. Dies bezeugt eher ein tragisches Schicksal. Die Allianz zwischen den klar linksorientierten Volksverteidigungskräften YPG und den USA war ein Bündnis wider die Natur. Vermutlich wird diesen Kräften nichts anderes übrig bleiben, als im syrischen Staat Schutz für ihr Leben, vor allem ihre Rechte, zu suchen. Begünstigen können das die vor Kurzem begonnenen Verhandlungen über eine neue Verfassung zwischen der Assad-Regierung und etlichen Oppositionsgruppen, worüber erstaunlicherweise sogar deutsche Leitmedien berichten.

Was sich die Türkei jetzt herausnimmt, hat ein fast schon wieder vergessenes Vorspiel in der Besetzung eines Landstreifens zwischen den Städten Afrin und Manbidsch im Januar 2018. Eine spät zustande gekommene Vereinbarung zwischen den YPG und syrischen Regierungsstreitkräften, das Gebiet gemeinsam zu verteidigen, konnte den türkischen Vormarsch seinerzeit nicht mehr stoppen. Bis zu 200.000 Kurden wurden vertrieben, ihre Häuser – soweit noch bewohnbar – enteignet und Rückkehrern aus der Türkei übergeben. Wird nun ein noch größeres Terrain okkupiert, soll das sowohl der „Heimführung“ syrischer Flüchtlinge wie als Schutzwall gegen die von Erdoğan immer wieder beschworene Infiltration durch die Anhänger Abdullah Öcalans dienen. Dessen Porträt gehört für die Kurdengebiete zum Straßenschmuck.

Noch immer gilt: Wer fremdes Land besetzt, bricht Völkerrecht und verletzt Menschenrechte. Angeblich will Donald Trump dem türkischen Staatschef eine „rote Linie“ ziehen, die er um den Preis einer „vollkommenen Zerstörung der türkischen Wirtschaft“ nicht überschreiten darf. War Trump eine solch krude Erklärung den Kurden als Minimum schuldig? Was er damit genau meint, bleibt sein Geheimnis.

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