„It keeps me awake, the look on your face, the moment you heard the news“, singt Taylor Swift, und ich denke mir, ja, sie hat Recht, jedes Mal, wenn ich neue Corona-Fallzahlen lese, erstarre ich und frage mich, kann das alles wahr sein.
„You’re screaming inside, and frozen in time, you did all that you could do“, singt Taylor Swift, und ich denke mir, ja, sie hat Recht, jedes Mal, wenn ich einen neuen Omikron-Fall in meinem Umfeld habe, obwohl wir alles getan haben, was geht, will ich trotzdem heulen.
„The game was rigged, the ref got tricked, the wrong ones think they’re right“, singt Taylor Swift, und ich denke mir, ja, sie hat Recht, wenn ich von „Spaziergängen“ höre, auf denen sich Impf-Gegner*innen und Neonazis mischen, und ich es einfach nicht fassen kann.
Und dann singt sie weiter und fängt mich wieder auf, wenn sie ansetzt, „But only the young, only the young, only the young – can run“, und ich mir denke, ja, sie hat Recht, ich kann rennen, ich kann verändern, ich kann etwas tun – wenigstens kann ich es versuchen.
Taylor Swift liefert den Sound zur Krise
Es ist kein Zufall, dass ich zum drohenden Weltuntergang Musik von Taylor Swift im Ohr habe. Das Lied Only the young kam im Januar 2020 raus, bevor die Pandemie richtig eingeschlagen ist, aber natürlich hat Taylor Swift es geschrieben, um mich durch die Pandemie zu bringen.
Sie hat meinen Sound zur Krise geliefert und tut es immer noch, und das mit Recht, denn wenn es ein Mensch, ein Engel, schafft, mich da abzuholen, wo meine Gefühle in einem tiefen Loch versunken sind, und sie wieder nach oben bringt, ein bisschen Hoffnung vermittelt – dann sie.
Das löst zwar nichts, aber wenigstens überlebe ich, und das ist doch auch schon was.
Krisen gab es ja vorher schon genug. Die Klimakrise hätte mir persönlich gereicht, um Angst vor meiner Zukunft zu bekommen. Jetzt also auch noch Corona. Jungsein in der Krise, das macht halt echt keinen Spaß. Okay, vielleicht macht es niemandem Spaß, aber uns auch nicht, das musste mal gesagt werden –, denn wir haben eben keine Corona-Partys (was soll das sein – wer feiert schon Corona?!) gemacht.
Früher war Jungsein aufregend und unbeschwert, Young and wild and free, heute es ist nur noch aufregend – auf die schlechte Art. Es gibt herzlich wenig zu feiern, wenn die eigenen Zukunftspläne nach zwei Jahren Pandemie einfach zerbröselt sind. Die Quarterlife Crisis, also die Krise – vor allem studierter – junger Erwachsener mit Mitte zwanzig, schlägt zu.
Früher war mehr Rave
Der Sound meiner Jugend – also prä-Corona quasi –, der war viel leichter. Tim Bendzko wollte „nur noch kurz die Welt retten“, nachdem er seine zahlreichen E-Mails gecheckt hatte, und das schien mir durchaus realistisch. Also sowohl die Welt als auch die E-Mails, schließlich hatte ich noch nicht 148 Zoom-Einladungen am Tag im Postfach.
Ich habe die Nacht durchgetanzt, zum ersten Mal in der Disko, betrunken auf der Plattenparty, heimlich auf dem Rave, in der Küche meiner Studien-WG – und am Ende passte das „atemlos durch die Nacht“ dann doch zu gut, auch wenn wir es offiziell natürlich verachtet haben.
Wir haben mit Alligatoah Drogen genommen und es rote Rosen regnen lassen, und kamen uns dabei richtig rebellisch, richtig deep, richtig melodramatisch vor. Klar hatten wir die Welt verstanden, alles ist Leiden, aber alles darin ist auch wunderbar und befreit.
Jetzt sitze ich im Homeoffice und überlege, ob ich wohl je in ein Büro gehe, oder auf immer in meinen eigenen vier Wänden – also gemietet, natürlich, Geld fehlt uns Jungen ja immer - bleibe. Und ob ich nochmal post-Corona-Musik höre.
Die Klimakrise tut ihr Übriges
Ja, das ist eigentlich ganz schön privilegiert. Ja, mir ist durchaus bewusst, dass das Jammern auf hohem Niveau ist. Aber schließlich wachse ich hier mit einer Generation auf, die einmal die Erde retten – und die Wirtschaft und eure Renten – soll, aber gerade noch keine Aussicht auf selbstbestimmte Lebensgestaltung hat.
Corona hat alles verändert, die Klimakrise tut ihr Übriges. Schluss mit High life und Weltbereisen, wenn nicht schon durch Umweltbewusstsein, dann jetzt spätestens wegen Pandemie-Beschränkungen. Mein Auslandssemester musste ich abbrechen und zuhause vor dem Laptop verbringen. Meine Freund*innen in Frankreich zu besuchen, das habe ich mich lange nicht getraut, wer weiß, wann die nächste Variante zuschlägt.
Und das ist ja schon alles richtig, aber es ist anstrengend, anstrengend in dieser krisengezeichneten Zeit jung zu sein. Und ein Leben zu entwerfen.
Taylor Swift hat gerade ihr altes Album Red neu aufgenommen, hat aus einem alten Meisterwerk ein noch größeres neues Meisterwerk gemacht. Ein wütendes, was sehr gut zu meiner aktuellen Krisenstimmung, Variante Querdenken-Unverständnis, passt.
Vielleicht sollte ich das aus meinen alten Zukunftsplänen auch machen, aus alt mach neu und besser. Allein, es fehlt mir das Meisterliche – und Taylor Swifts Privatvermögen. Von ihrem Co2-Fußabdruck ganz zu schweigen.
Aber ich suche mir immer noch selbst aus, wo meine Welt einen rosa Schleier haben soll.
Wenigstens irgendwo.
[Text als Kolumnenidee entstanden im Rahmen der DJS]
Kommentare 12
"Früher war Jungsein aufregend und unbeschwert, Young and wild and free, heute es ist nur noch aufregend – auf die schlechte Art."
Mit welchem Recht können eigentlich Junge, was auch immer das sein mag, darüber schreiben, wie unbeschwert es früher gewesen sein soll?
Ist das nicht gerade die Anmaßung, die die Identitätspolitik dauernd anprangert? Solange, wie wir uns fortlaufend unsere Projektionen, wer oder was der andere ist, denkt oder fühlt, um die Ohren hauen, statt hinzusehen und zu begreifen, dass es allen mehr oder weniger gleich beschissen geht, mit zwischenzeitlichen Ausnahmen, kommen wir hier nicht weiter.
Ggf denken Sie einfach auch ab zu daran, wie behütet sie möglicherweise aufwachsen durften und sind dankbar dafür.
Oh, Sie verstehen mich falsch, ich rede von meiner eigenen früheren Jugend vor einigen Jahren. Da finde ich es doch schwierig, mir mein Gefühl dazu abzusprechen.Ich bin auch sehr dankbar dafür - das Klischee "Anderen geht es noch viel schlechter" bringt uns nur einfach nicht weiter.
Ganz am Schluss fällt mal wieder der Begriff "CO2-Fußabdruck". Ein Begriff, der sehr bewusst die Täterschaft an der Erderwärmung verschleiern soll. Erfunden hat ihn ausgerechnet BP vor etwa 15 Jahren. Die Verantwortung wird so von der Fossil-Industrie weggelenkt und auf das Individuum abgewälzt.
Auch du missverstehst die Autorin. Ja, es ist richtig, dass der CO2-Fußabdruck, Konsumkritik usw. auf 90 bis 99 % der Bevölkerung bezogen ein bewusstes Abwälzen der Verantwortung für die Klimakrise darstellt. Taylor Swift gehört jedoch nicht zu diesen 90 %, sondern zu den 10 %, deren CO2-Fußabdruck tatsächlich derartig groß ist, dass es ein einigermaßen relevanter Anteil am Gesamtproblem ist. Tatsächlich gehört sie sogar zu den reichsten 1 % der Weltbevölkerung, deren Anteil am Gesamtproblem massiv ist. Und dieses eine Prozent war 2015 für 15 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich (Quelle: Carbon inequality in 2030; Oxfam 2021). Auf sie bezogen passt der Begriff "CO2-Fußabdruck" also sehr wohl ziemlich gut.Aber auch das lässt außer Acht, dass das eigentliche Problem noch viel tiefgründiger ist: Das global vorherrschende Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, der Kapitalismus. Dieser führt zwingend zu einem Raubbau an Natur und Klima, da die ihm zugrunde liegende Logik der unbegrenzten Gewinnmaximierung nun mal schon rein logisch betrachtet gar nicht möglich ist. Alles in unserer Welt ist endlich, weshalb weitere Profitsteigerung nur bis zu einem gewissen Punkt möglich ist. Und bis dieser Punkt erreicht ist, muss die Erde zwangsweise wie eine Zitrone ausgepresst werden, um irgendwie noch ein bisschen mehr Profit erzeugen zu können.Es reicht also nicht, die Wirtschaft (und die Reichen) an die Leine zu legen. Wenn wir das Problem wirklich lösen wollen (und das müssen wir, sonst wird es bald richtig kritisch), haben wir also gar keine andere Wahl, als den Kapitalismus abzuschaffen. Aber das hat Sarah an dieser Stelle hier ohnehin bereits viele Male kundgetan, z. B. in diesem Artikel.
Auch wenn ich deinen Musikgeschmack nicht teile, sprichst du mir aus der Seele. Die Unbeschwertheit vergangener Jahre, der Anfänge der Studienzeit, ist verloren gegangen. Man vegetiert so vor sich hin, ohne wirklichen Tagesablauf, ohne große Zukunftspläne. Musik kann helfen, das Schreiben ebenso. Und ein Text der elegant und spielend leicht mit Musikstücken hantiert wird in diesen Zeiten schon fast zum persönlichen Tageshighlight ;)
Wow, ich kann dem Text so viel abgewinnen, weil ich mich selbst darin widerspiegeln kann. Ich bin selbst in den Zwanzigerjahren und habe die letzten zwei Jahre auch das Gefühl gehabt, ein Stück weit am Leben "vorbeizuleben", da ein richtiges Studierendenleben sowie eine gesellschaftliche Teilhabe nicht möglich war. Vielen Dank!
Und die Taylor-Swift-Referenzen sind super. Ihr Sound hat mir, wie Dir, ein wenig geholfen :)
Das freut mich, dass ich ein Tageshighlight schenken konnte - und tut mir gleichzeitig auch total gut zu hören - geteiltes Leid ist halbes Leid oder so.. :)
Das freut mich, noch ein Swiftie hier! ;)Es tut mir aber, trotz allem, auch gut zu höern, dass ich damit nicht alleine bin.
Im Prinzip: was er sagt !
Ich kann das sehr gut nachempfinden, auch wenn ich schon über 40 bin.
Die gute Nachricht: Diese Scheißpandemie ist hoffentlich bald so gut wie vorbei, wenn die allgemeine Impfpflich kommt und wir nicht großes Pech mit neuen Mutationen haben.
Die Klima"krise" und die wirtschaftlichen "Schwierigkeiten" dürften sich natürlich leider wesentlich hartnäckiger halten...
Aber zum Feiern braucht man ja nicht unbedingt viel Geld. Zumindest das wird bald wieder richtig möglich sein. Vielleicht gibt das dann ja genug positive Gemeinschaftsgefühle, um politisch radikaler zu werden und gemeinsame Aktionen zu starten!
Schreibt einer, der das nie nennenswert hinbekommen hat, ein Vertreter einer politisch großteils uninteressierten Generation...
»Als junge Erwachsene mit allen Möglichkeiten und keinen Chancen ...«
Damit können Sie aber nicht sich meinen, oder? Als zukünftige Absolventin der Deutschen Journalistenschule sollten Ihnen neben den Möglichkeiten auch alle Chancen offenstehen, oder ist die Ausbildung dort für die Katz?.
Quaterlife-Crisis - dieses Maß an Selbstmitleid ist nur schwer zu ertragen.