Her damit!

Mietendeckel Endlich wagt jemand, die heilige Kuh des Marktes zu schlachten, statt immer nur folgenlos dessen Einhegung zu versprechen
Ausgabe 35/2019
Zwei Zahlen an einer Berliner Hausfassade zeigen: Der Deckel ist überfällig
Zwei Zahlen an einer Berliner Hausfassade zeigen: Der Deckel ist überfällig

Foto: Imago Images/Photothek

Ein für alle Mal: Es stimmt, weder der Mietendeckel noch eine Enteignung bauen die dringend benötigten Wohnungen, ob in Berlin oder in anderen deutschen Städten. Das ist auch gar nicht der Zweck der beiden Maßnahmen, die in der Hauptstadt zum einen die rot-rot-grüne Regierung plant und zum anderen eine Initiative per Volksbegehren verlangt. Es geht erst einmal nur darum, Menschen davor zu schützen, dass eine Erhöhung der Miete oder allgemein die private Eigentümerschaft ihrer Mietwohnung sie zum Auszug zwingt und somit meist aus der Stadt verdrängt. Das ist schon jede Menge. Es steht zu hoffen, dass insbesondere der Senat in Berlin bemerkt, was für ein wahnsinnig wichtiges, weil scharfes Schwert er sich da in die Hände gelegt hat. Die Bedeutung des Mietdendeckels reicht weit über die Wohnungskrise hinaus.

Von 2020 an sollen in Berlin Mieterhöhungen für fünf Jahre ausgeschlossen sein und eine vom Jahr des Erstbezugs und von der Ausstattung abhängige Obergrenze gelten – erste Entwürfe veranschlagen diese zwischen 3,42 und 7,97 Euro pro Quadratmeter. Auch modernisierungsbedingte Mehrkosten will die öffentliche Hand regulieren und deckeln. Das käme einem Epochenbruch gleich: Endlich wagte eine Regierung das, was Regierenden hierzulande im Allgemeinen kaum jemand mehr zutraut: die heilige Kuh des Marktes zu schlachten, statt immer nur folgenlos dessen Einhegung zu versprechen.

Das Eigentumsrecht zu beschneiden, um dem Recht auf angemessenen Wohnraum wieder Geltung zu verschaffen. Nichts zu geben auf die Untergangsgesänge all jener, die sich seit Jahren als Eigentümer am Profit aus dem Wahnsinn laben. Weil jetzt erst einmal nur das zählt: denen, für die es um die nackte Existenz geht, eine Atempause zu verschaffen.

Das wäre Politik statt Postdemokratie und ein Vorbild für viele andere Kommunen, für viele andere Bereiche. Und dies verlangt von allen Befürwortern natürlich nicht nur große Worte, sondern auch sich argumentativ und juristisch zu wappnen für die anstehenden Kämpfe. Not tun auch Kompensationen für Kleinstvermieter, Genossenschaften und andere alternative Eigentumsformen – was einen starken Staat voraussetzt, der, statt zu sparen, investiert – nicht zuletzt in den Bau neuer bezahlbarer Wohnungen in öffentlichem Eigentum.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

Sebastian Puschner

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden