Sandra Rummlers „Seid befreit“: Abschiedsbrief an ein Zuhause

Graphic Novel In „Seid befreit“ verarbeitet Sandra Rummler ihre Jugend in einem Ostberlin, das es nicht mehr gibt – ohne dass dies zur Abrechnung oder zu verklärender Nostalgie gerät
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 39/2023
Mo ist ein untypisches, queeres Mädchen. Wie die Autorin wächst sie direkt an der Mauer auf, im Florakiez in Berlin-Pankow
Mo ist ein untypisches, queeres Mädchen. Wie die Autorin wächst sie direkt an der Mauer auf, im Florakiez in Berlin-Pankow

Abbildungen aus dem besprochenen Band

Mo wächst direkt an der Mauer auf. Was ist auf der anderen Seite? Das unbetretbare Dahinter wird für das Kind zum Ort der Fantasie. Die Familie von Mo wohnt im Sperrgebiet, zwei Zimmer, Außenklo. Die Eltern haben Staatsjobs bei der Armee und im Kulturministerium. Nachts hören Mo und die kleine Schwester die Grenzpolizisten über den Dachboden laufen. Wer das Haus betreten will, braucht eine Genehmigung. Wenn es regnet, tropft es durch die Decke in Schüsseln und Töpfe.

Mit Seid befreit hat Sandra Rummler einem Land ein Denkmal gesetzt, das es nicht mehr gibt. Wie ihre Hauptfigur Mo ist sie 1976 in Ostberlin geboren, aufgewachsen direkt an der Mauer, im Florakiez in Berlin-Pankow. Die erste Graphic Novel der Grafikdesignerin und Pädagogin ist eine Aufarb